Großversuch in Schönerlinde - Sauberer Wasserstoff soll aus geklärtem Wasser entstehen

So 11.08.24 | 11:54 Uhr | Von Andreas Heins
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Wasserstoff aus Kläranlagen (Quelle: Berliner Wasserbetriebe/Benjamin Pritzkuleit)
Bild: Berliner Wasserbetriebe/Benjamin Pritzkuleit

Aus Abfall wird sozusagen Gold geschürft: Im Klärwerk Schönerlinde werden die Abwässer Berlins und Brandenburgs testweise zu einer wichtigen Rohstoff-Ressource: Aus Schmutzwasser entsteht Wasserstoff. Von Andreas Heins

Wasserstoff wird eine große Rolle bei der Energiewende spielen. Wer im Chemieunterricht vom Knallgas-Experiment geweckt wurde, erinnert sich vielleicht daran, dass mithilfe von Strom Wasserstoff und Sauerstoff hergestellt werden kann. Im Berliner Klärwerk Schönerlinde wird nun getestet, ob sich auch gereinigtes Abwasser dafür eignet, selbst wenn das nicht das eigentliche Ziel des Projektes ist.

Ein energiereiches Nebenprodukt

"Eigentlich ist der Wasserstoff in diesem Projekt ein Nebenprodukt", erklärt der Prozesswissenschaftler Jens-Uwe Repke von der TU Berlin, der das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt E-MetO ("Elektrolyse mit Nutzung von Brauchwasser als Schnittstelle zur biologischen Methanisierung und Ozonierung") wissenschaftlich begleitet. "Wir wollen Ozon herstellen, das unter anderem für die vierte Stufe im Klärwerk benötigt wird."

Die vierte Klärwerksstufe, nach der mechanischen, biologischen und der chemischen Klärung, wird immer wichtiger. Sie entfernt chemische Spurenstoffe, wie zum Beispiel Medikamente, aus dem Abwasser und desinfiziert es. Noch sind solche Anlagen nicht flächendeckend verbreitet, auch aus Kostengründen.

Das Berliner Klärwerk Schönerlinde produziert schon heute mit seinen Windkraftanlagen mehr Strom, als für den Betrieb gebraucht werden kann. Da lag es nahe, den Sauerstoff, der für die Herstellung von Ozon nötig ist, mithilfe des eigenen Stroms zu erzeugen. Dazu wird Wasser, mithilfe von Elektrizität, in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten, die sogenannte Elektrolyse.

Normalerweise nimmt man dafür reines Wasser, in Trinkwasserqualität. Hier soll getestet werden, ob sich auch gereinigtes Abwasser aus dem Klärwerk dafür eignet. Dies schont auch die Trinkwasser-Ressourcen.

Noch immer ein Problem: die Lagerung und der Transport

Nachdem der Sauerstoff aus der Elektrolyse zu Ozon umgewandelt wurde, bleibt noch der Wasserstoff, den einfach in die Atmosphäre zu entlassen wäre Verschwendung. "Auch wenn intensiv an der Weiterentwicklung von Batterien geforscht wird, ist Wasserstoff im Moment noch besser speicherbar als elektrische Energie direkt," so Jens-Uwe Repke.

Nicht nur als Energiespeicher für wind- und sonnenscheinarme Zeiten eignet sich Wasserstoff. Um vom Einsatz von Koks wegzukommen, benötigt die Stahlindustrie beispielsweise große Mengen an Wasserstoff. Sogenannte eFuels für Flugzeuge und LKW für den Langstreckenverkehr können aus Wasserstoff hergestellt werden und auch Rohstoffe für die Chemieindustrie, wie beispielsweise Ammoniak für die Düngemittelherstellung, lassen sich erzeugen. Wird dieser "grüne Wasserstoff" mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen, ist das ein Weg, um Industrie und Verkehr klimafreundlicher zu gestalten.

Ein Problem für den kurzfristigen Wandel zur klimafreundlicheren Wasserstoffwirtschaft ist die fehlende Infrastruktur zum Transport und zur Lagerung von Wasserstoff. Daher gibt es viele Konzepte, um den Wasserstoff in leichter zu transportierende Stoffe umzuwandeln. Neben Methanol, das in Brennstoffzellen zu Stromherstellung eingesetzt wird, und Ammoniak, das auch brennbar ist, eignet sich vor allem Methan (CH4). Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und Biogas und lässt sich so in das bestehende Gasnetz einspeisen. Ein Ansatz, der auch in Schönerlinde verfolgt wird.

Pilotanlage in Containern

Dazu werden auf dem Gelände der Kläranlage zwei Pilotanlagen in Containerform errichtet. Eine Elektrolyseanlage, um das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten und einen Bioreaktor, in dem Mikroorganismen den Wasserstoff in Methan umwandeln. Das dazu benötigte CO2 könnten auch die bei der Klärung anfallenden Faulgase liefern. Das Methan kann wieder verstromt werden, als Wärmelieferant dienen oder zusammen mit dem Biogas aus den Faultürmen in das Gasnetz eingespeist werden.

"Es geht uns darum, möglichst viel zu nutzen, was im Klärwerk anfällt", sagt Jens-Uwe Repke. "Wir wollen unter realen Bedingungen testen, wie die einzelnen Komponenten zusammenarbeiten. Um ein Modell für diese Prozesse zu erstellen, brauchen wir reale Daten, die das Projekt liefern soll. Dann kann man das Ganze auch größer denken", so der Wissenschaftler weiter. "Auch wenn das Hauptaugenmerk des Projektes nicht darauf liegt fossile Energieträger zu vermeiden, so leisten wir doch mit der Herstellung von Ozon mithilfe von erneuerbaren Energien und der Einspeisung von Methan ins Gasnetz einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung."

Beitrag von Andreas Heins

12 Kommentare

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  1. 12.

    Ozon wirkt stark oxidativ und kann neben biologischen Schadstoffen( Bakterien, Viren) auch chemische Stoffe wie Pharmazeutika und anderes abbauen. Es werden in den nächsten Jahren verstärkt diese Reinigungsstufen ausgebaut, da sich die Vorschriften für das Einleiten von Abwässer verschärfen werden.

  2. 11.

    Wird etwas später am Wasserwerk Tegel ja indirekt gemacht.
    Berlin ist schon ohne die 4te Reinigungsstufe mit ca. 30% Wiedernutzung des eigenen Abwassers ziemlich nachhaltig unterwegs.
    Der Teilstrom aus Schönerlinde über die Panke wirkt ja ebenfalls stabilisierend für den Berliner Wasserkreislauf.

  3. 10.

    1. Kosten - Nutzen Effekt = Preise
    2.Wir Produzieren Öko Strom aus Wind Solar und Verbrennung/ Wasserstoff um anderen Öko Strom also Wasserstoff zu produzieren die Logik hier stellt sich mir??

  4. 9.

    Es gibt keine großtechnischen und bezahlbaren Lösungen, elektrischen Strom in EVU Dimension zu speichern. Und es sieht so aus, dass sich auch in überschaubaren Zeiträumen nicht ändert. Da muss man sich nur die Speicherkapazitäts ansehen von marktgängigen Elektrospeichern ansehen. Die "Speicher im Netz" sind ein grünes Fantasieprodukt.

  5. 8.

    Weiterhin gibt es keine ausgereifte Technik zu vernünftigen Nutzung von Wasserstoff. Damit ist zur Zeit kein Staat zu machen, sprich Geld zu verdienen.

  6. 7.

    Es gibt gleich mehrere irreführende Behauptungen im Text.

    Erstens, Wasserstoff als Energieträger wird zu allen Zeiten sehr begrenzt verfügbar sein. Auch wird seine Herstellung immer(!) in Nutzungskonkurrenz zu allen möglichen Formen von Nicht-Salzwasser stehen. Wir haben auf der Erde von allem Wasser nur drei Prozent Trinkwasser, entsprechend weniger davon sind Brauchwasser bzw. Abwasser. Trinkwasser brauchen wir für Ernährung, direkt wie indirekt.

    Zweitens, es wird behauptet, Energie aus Solar- oder Windkraftanlagen lasse sich nicht speichern. Auch das trifft nicht zu, nicht zuletzt gibt es große Salzspeicheranlagen.

    Drittens, E-Fuels wird es in der Form wie von der fossilen Industrie angepriesen niemals geben. Sie sind nicht nur extrem ineffizient, sondern auch teuer in der Herstellung. Der WIrkungsgrad von E-Mobilität ist dort unschlagbar.

  7. 6.

    Wenn man schon eine 4. Stufe betreibt, könnte ich mir auch vorstellen, das geklärte Wasser, welches nicht für die Elektrolyse benötigt wird über Sickerflächen dem Grundwasser zuzuführen und nicht einfach über den Vorfluter ablaufen zu lassen.

  8. 5.

    Dort steht: ""Wir wollen Ozon herstellen, das unter anderem für die vierte Stufe im Klärwerk benötigt wird." Also wozu noch? Es klingt so, als wenn mehr hergestellt wird, als benötigt wird. Wer nimmt die Überschüsse ab? Ich könnte mir zBsp Schwimmbäder vorstellen, welche anstatt Chlorung Ozonisierung zur Wasserdesinfektion einsetzen - aber wer ist im konkreten Fall wirklich der Abnehmer der Überschüsse und wird damit Gewinn gemacht?

  9. 4.

    Wird für die 4.Stufe in der Kläranlage benötigt, steht doch im Artikel.

  10. 3.

    Die FDP steht seit Jahren für die Herstellung und Nutzung von Wassestoff. aber garantiert nicht für die Abschaffung der freien Marktwirtschaft, ergo sie findet nicht sein Ende,
    Übrigens, das hätte uns bei den ganzen Weltprobleen noch gefehlt, nun noch eins draufzusetzen.

  11. 2.

    "Nachdem der Sauerstoff aus der Elektrolyse zu Ozon umgewandelt wurde" Warum und was machen sie dort mit dem Ozon?

  12. 1.

    Erstaunlich, dass man all die Ab-Energie erst jetzt entdeckt. Bzw. nicht erstaunlich, wenn man an das patriarchal. Wirtschaftsmodell des Kapitalismus denkt. Gut, dass das sein Ende findet.

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