Konzertkritik | Helene Fischer in Berlin - Die Maschinenfrau

Mi 31.05.23 | 11:05 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Helene Fischer live mit dem "Cirque du Soleil" bei ihrer "Rausch" Tour in der Berliner Mercedes-Benz Arena am 30.05.2023.(Quelle:PIC ONE/B.Kriemann)
Audio: rbb24 Inforadio | 31.05.2023 | Hendrik Schröder | Bild: PIC ONE/B.Kriemann

Fünf Abende spielt Helene Fischer in dieser Woche in der Mercedes-Benz-Arena, der größten Halle in Berlin. Die Show der Superlative erinnert Hendrik Schröder am Auftaktabend eher an Leistungssport als an ein Konzert.

"Ach, das wird schön", sagen zwei Fans mit Helene-Fischer-Becher in der Hand kurz vor Beginn der Show auf der Terrasse der Mercedes-Benz-Arena - und geben sich einen innigen Kuss. Und sie sind nicht die einzigen, die sich offenbar wahnsinnig auf diese Show freuen. Man sieht Gruppen von Freunden in identischen Helene-T-Shirts, Oma mit Enkelin, beide eine glitzernde Spange im Haar, Hand in Hand, Muskeltypen, Kegelclubs, befreundete Ehepaare, Fußballkumpels und alle sind sie ganz schön gackerig und aufgeregt.

Fackeln, Feuer, Akrobatik

Die schwarz-rote Bühne sieht von vorne aus wie das Batmobil. Hinten gibt es noch eine Art faltbaren Gittervorhang, da soll später die Band sichtbar werden, oben über der Bühne hängt eine Art roter, stoffbezogener Kokon. Plötzlich fliegen die Stoffbahnen weg und geben Helene Fischer frei, wie sie an einem Stahlseil von der Decke hängt. Wie lange saß sie da schon?

Was für ein Auftakt, die Halle steht Kopf. Und das war erst der Anfang einer rastlosen Zirkusshow, die man im Rahmen von Musikdarbietungen so sehr selten sieht, eigentlich nie. 20 Artist:innen entern die Bühne, die fortan ständig in Bewegung einen unglaublich schweißtreibenden Alarm veranstalten. In Tücher gewickelt baumeln sie von der Decke, sie schwingen Fackeln, turnen durch Wassersäulen.

Das ist eine Show, die zwar komplett auf Helene Fischer zugeschnitten ist - sie ist immer im Mittelpunkt, sie steht mit im Feuerkreis, sie fliegt mit durch die Wassersäule - die aber auch ohne die Sängerin sofort funktionieren würde.

Sexappeal und Biederkeit

Das erste was an der Bühnenperson Helene Fischer auffällt, ist ja diese Diskrepanz zwischen dem übersexualisierten Proto-Äußeren, also Ledercorsage mit halb-freien Pobacken, Netzstrumpfhose, tiefer Ausschnitt - und dieser totalen Biederkeit in ihren Ansagen und Ansprachen. "Hey, Ihr Lieben, toll, Ihr Lieben, wir freuen uns so so sehr, Ihr Lieben" und so weiter blablat Fischer mehrmals am Abend in ihr dickes Mikrofon. Und sagt nicht einen einzigen irgendwie interessanten Satz.

Dazu die Lyrics aus Textbausteinen, eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und kreativlosen Reimen über irgendwas mit Liebe und Autobahn oder Freundschaft. Also es ist grausam. Es ist auch egal, ob sie was aus dem neuen Album "Rausch" spielt oder vom Übererfolg "Farbenspiel". Klingt alles gleich. Ein bisschen Dancefloor-Bums, ein bisschen Gefühl aus der Tüte, fertig. Bis auf wenige Ausnahmen alles gleich schnell, gleich laut.

Leistung, Kondition, Perfektion

Das zweite, was auffällt, ist die Energie, die Leistungsfähigkeit, die Kondition, die Stimme dieser Frau. Das ist überirdisch. Helene Fischer hängt an einem Trapez kopfüber in der Luft und singt weiter. Singt in jeder Lage, rennend durch die Halle, an Händen gehalten in einer Säule aus Wasser. Singt vielleicht mit hier und da etwas Unterstützung ihrer Backgroundsänger oder vom Band, aber doch immer live und immer grandios.

Das ist Wahnsinn. Das kann niemand anderes in Deutschland, vielleicht auf der ganzen Welt nicht. Zwei Stunden lang tanzt Helene Fischer die strenge und rasende Choreographie ihrer Tänzer:innen mit. Sie schwebt im Spagat an einer Stange durch die Halle und lächelt und lächelt und lächelt dabei und singt keinen falschen Ton, die Stimme hat immer Kraft, Volumen, Druck. Wie eine perfekte Maschine. Perfektes Make-up, perfekte Figur. Die Frau ist nicht von dieser Welt.

Hyper-Kommerz mit Werbepause

In der Pause läuft dann auf den Videowänden Werbung für einen Discounter, es ist etwas peinlich. Wenn das die Konzertzukunft ist, dann gute Nacht. Warum nicht auch zwischendurch? "Atemlos durch die Nacht" wird Ihnen präsentiert von Superbillig-Supermärkte. Da wären doch für die laut Forbes Ranking geschätzt 32 Millionen US-Dollar im Jahr verdienende Helene Fischer noch ein paar Taler extra drin.

Der Liebe der Fans tut der Hyper-Kommerz jedenfalls keinen Abbruch, sie sind voller abgöttischer Liebe für ihre Helene und das ist sehr rührend und schön mitzuerleben. Wenn sie durchs Publikum geht, hört man das Kreischen junger Frauen über Fischers Headset-Mikrofon. Schilder werden gereckt: "We love you" steht drauf. Oder: "Neun Jahre Freundschaft wegen Helene".

Zu ihrem größten Hit kommt Fischer dann in den hinteren Teil der Halle, da steht eine Art Teleskopkran, der sie mehrere Meter in der Höhe durch die Luft schmeißt und mal in diese, dann in jene Richtung biegt. So ist sie 15 Sekunden lang auf der linken Seite, dann zehn auf der rechten, jeder hat was von ihr und irgendwie auch keiner, so sehr zappelt dieses Ein-Frau-Rummelplatzfahrgeschäft hin und her. Und man fragt sich, wie hart und eisern und entschlossen Helene Fischer trainieren und üben muss, um derart abzuliefern. Das ist kein Konzert, das ist Wettkampfsport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.05.2023, 7:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

71 Kommentare

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  1. 71.

    "...und weil das Bashen, Herabwürdigen, Schlechtmachen und Diskreditieren dem einen oder der anderen eine Herzensangelegenheit zu sein scheint."

    Es tut mir sehr leid, dass nicht jeder Mitbürger ihr Schlager-Liebchen gern hat wie sie. Geschmäcker, sie wissen schon.

  2. 70.

    "Die Frage war rhetorisch und bedurfte keiner Antwort bzw. keiner Allgemeinplätze"

    In einer Kommentarsektion müssen sie immer mit Antworten rechnen. Auch mit Antworten, die ihnen persönlich nicht passen.

  3. 69.

    Ich spreche der Fischer doch gar nicht ihre Entertainment-Qualitäten ab, auch nicht ihre tolle Stimme oder dass sie gut singt. Ich verweise lediglich darauf, dass der künstlerische Gehalt ihrer Musik ziemlich gering ist, was ja auch kein Geheimnis ist. Dass ihre Fans dann gleich Schaum vorm Mund haben, macht - zugegeben - aber auch ein bisschen Spaß...

  4. 68.

    Nein, das interessiert mich aber auch nicht. Auch nicht die Person selbst, ihre Fans, ihre oder deren Arbeitstätigkeit....
    Leben und leben lassen- für mehr habe ich nicht plädiert.

  5. 67.

    Helene Fischer hat in einem Interview ja schon zugegeben, dass sie die Songs während der eigenen Akrobatik nicht live singt, sondern Playback… Da ist klar, dass sie immer voller Kraft performt ;-)
    Habe das letzte Konzert in Dortmund selbst live erlebt.

  6. 66.

    Tja, da machen Sie mal eine Umfrage, die Helene Fischer kennt in Deutschland fast jeder, wogegenden den von Ihnen aufgestellten Mitbewerber wohl nur die alternden Fans etc.

  7. 65.

    Macht's Spaß?
    Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich mich hier einmische.
    Sie müssen ja ein hochintelligenter Mensch mit der absoluten Deutungshoheit sein.
    Warum können sie die Leute nicht einfach in Ruhe lassen.
    Dass ihr rumgenerve hier überhaupt noch abgebildet wird, erstaunt mich wirklich.
    Sind sie Klassik-Hörer oder Jazz-Fan ?
    Vermutlich haben sie auch keine Freunde, die anderer Meinung sind, als sie.
    Ach...sie haben gar keine Freunde?
    Warum habe ich mir das gedacht.


  8. 63.

    Ob ein Konzert von Helene Fischer, bei dem sie lediglich auf einem Barhocker sitzend ihre Songs singen würde, genauso begeistern würde, wie ein Konzert mit Show? Macht ja den Eindruck, als müsste man die zu dünne Musik kaschieren.

  9. 62.

    "Mir gefällt Helene....sie ist hübsch..sportlich..Texte passt in die Zeit...[...]"

    Schlager-Texte passen in fast jede Zeit. Ihr Kommentar dagegen wirkt aus der Zeit gefallen...

  10. 61.

    Zur Musik kann man stehen wie man will, zur Show auch, aber Frau Fischer ist offensichtlich fit wie ein Turnschuh.
    Muss man ja auch erstmal hinbekommen.

  11. 60.

    "[...] Gehört dies etwa zu Allgemeinbildung?"

    Nein, tut es nicht, da kann ich Sie beruhigen. In künstlerischer Hinsicht ist die "Police Academy"-Reihe nämlich ebenso irrelevant wie Helene Fischer, lediglich bekannter...

  12. 59.

    Ui, dann wissen Sie bestimmt auch, wie Kultur- und Musikwissenschaftler die Musik von Helene Fischer einordnen...

  13. 58.

    "[...] und ich meine , sie macht es aus Spass an der Sache."

    Wenigstens beweisen Sie Humor...

  14. 57.

    Die Konzertkritik von Hendryk Schröder ist einfach nur herrlich und trifft den Kern der Sache. Er hat vieles noch sehr sachlich formuliert :-). Naja, Helene Fischer konnte am Anfang Ihrer Karriere 2006 gut Schlager singen. Nach dem Album Farbenspiel 2013 ging es bergab - der schreiende und laute Gesang, mit Dancefloor-Bums-Gestampfe unterlegt, begann. Es folgten übertriebene Spektakel mit "Atemlos" und der Fußball-WM 2014, die ZDF Weihnachtsshows, VW-Werbung etc. Die Frau hat bis jetzt immer genau die richtigen Werbestrategen an ihrer Seite gehabt und die trafen mit der inszenierten Propaganda (Stichwörter: Emotion, Beziehung, Liebe, Glück, Herzlichkeit, Harmonie, Rödeln) genau ins Schwarze bei der Helene Fischer-Zielgruppe. Da dürfen keine kritischen, politischen und gesellschaftlichen Themen angesprochen werden. Und Supermarktwerbung ist bei dem Konzert genau richtig platziert, denn Essen und Trinken geht immer, bei unwissenden Essern die ständig auf Diät sind ;-).

  15. 56.

    ...und weil das Bashen, Herabwürdigen, Schlechtmachen und Diskreditieren dem einen oder der anderen eine Herzensangelegenheit zu sein scheint.

  16. 55.

    Die Frage war rhetorisch und bedurfte keiner Antwort bzw. keiner Allgemeinplätze; Erklärungen haben Kulturwissenschaftler, Soziologen etc. durch Forschung gegeben.

  17. 54.

    Und warum bitteschön, soll es kein Mensch glauben? Gehört dies etwa zu Allgemeinbildung?

  18. 53.

    Sie sagt schon sehr interessantes. Zum Beispiel über ihre Solidarität mit einer diskriminierten Minderheit. Das ist durchaus eine (politische) Leistung.

  19. 52.

    Mir gefällt Helene....sie ist hübsch..sportlich..Texte passt in die Zeit.....sie spielt nicht die brave ..sondern eine Frau die Gefühle hat.und es auch zu gibt....

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