Bloß nichts Falsches sagen? - Die Zurückhaltung der Berliner Theaterszene zum Angriff auf Israel

Do 26.10.23 | 14:01 Uhr | Von Barbara Behrendt
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Blick in den leeren Zuschauersaal eins Theaters. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb Kultur | 25.10.2023 | Barbara Behrendt | Bild: dpa/Jens Kalaene

Gerne sehen sich Berliner Theater als Orte der Debatte - nach den Terroranschlägen der Hamas aber haben sie auffällig zurückhaltend reagiert. Woran liegt das? Eine Analyse von Barbara Behrendt

Inwischen gibt es sie, die die Solidaritätsbekundungen der Theater mit den Opfern des Hamas-Terrors in Israel. Auf der Homepage des Berliner Ensembles liest man unter anderem den Satz:

"Die brutalen Terroranschläge der Hamas erschüttern uns zutiefst. Das Berliner Ensemble verurteilt die menschenverachtenden Gräueltaten und trauert um die Opfer dieser terroristischen Organisation, die mit allen Mitteln versucht, Israel und seine Bevölkerung auszulöschen, und die Bevölkerung des Gaza-Streifens in Geiselhaft für ihre Zwecke nimmt."

Verdruckster ist das Hebbel Theater am Ufer, wo man irgendwo unterm Online-Spielplan ebenfalls den Terror der Hamas verdammt, um dann mit dem lapidaren Satz zu enden:

"Wir sind in Gedanken bei allen Menschen in aktuellen Krisen- und Kriegsgebieten, die sich vor Bomben und Gewalt fürchten müssen."

Kulturrat: "Beschämend"

Man will, das ist in vielen Statements zu spüren, bloß nichts Falsches sagen. Das Deutsche Theater hat seine Solidarität lediglich in den sozialen Medien bekundet. Von der Volksbühne heißt es auf Nachfrage, man habe sich bewusst gegen ein öffentliches Statement entschieden. Die Reaktionen auf Interviewanfragen sind generell zurückhaltend, vom Hebbel Theater heißt es, man könne dem Thema in wenigen Rundfunk-Sätzen nicht gerecht werden. Dann also lieber gar nichts sagen?

Man kann das als Armutszeugnis bewerten, wenn gerade den Theatern, die sich sonst als Orte der Debatte feiern, die Worte fehlen, während in Berlin wieder eine Synagoge brennt und das Holocaust-Mahnmal bewacht werden muss. Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, sagte auf rbbkultur: "Wenn man das mal in den Vergleich setzt mit der Solidarität, die es im Kulturbereich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gegeben hat, ist das jetzt, finde ich, beschämend, sehr beschämend wenig."

Gorki sagt jüdisch-palästinensische Veranstaltung ab

Man kann aber auch konstatieren: Die Ohnmacht der Theater spiegelt die Unfähigkeit der gesamten Gesellschaft wider, sich zum Nahostkonflikt zu verhalten. Wenn es schon im Freundeskreis Bedenken gibt, zu einer Kundgebung "gegen Terror und Antisemitismus" zu gehen, weil das als Affront gegen Palästinenser:innen gewertet werden könnte, läuft etwas gewaltig schief. Stehst du solidarisch mit Israel gegen die Hamas, musst du gegen die Menschen im Gazastreifen sein, so der falsche Kurzschluss.

Die Verständigung jüdischer und palästinensischer Berliner:innen scheint momentan auch in der Kultur unmöglich. Beim Blick aufs Maxim Gorki Theater wirkt es, als zerschlage der Terror das multi-ethnische Ensemble. Das Haus hatte auf Wunsch der israelischen Regisseurin Yael Ronen die Vorstellung ihres Stücks "The Situation" abgesagt, ein satirischer Abend, in dem die syrischen, palästinensischen und jüdischen Schaupieler:innen anhand ihrer Biografien den Nahostkonflikt durchdeklinieren. In einer zugehörigen Erklärung schreibt das Theater unter anderem: "Jetzt ruft die Hamas dazu auf, jüdische Einrichtungen in Deutschland zu attackieren. Das stellt uns an die Seite aller jüdischen Menschen in Deutschland."

Palästinensischer Schauspieler enttäuscht von Gorki

Zwei palästinensische Schauspieler:innen, die in "The Situation" auf der Bühne stehen, reagierten darauf mit öffentlichen Statements, aus denen tiefe Verletzung und Aggression spricht: "'The Situation' kam 2015 heraus, zwei Jahre, nachdem meine drei Brüder verhaftet und für acht Jahre in israelische Gefängnisse gesteckt wurden", schreibt Karim Daoud.

Und weiter: "Es war eine schwierige Reise, Palästina zu verlassen, es nach Berlin zu schaffen, während meine Brüder verhaftet waren. Ich kam schließlich an eurer Bühne an, wo ich das Gefühl hatte, mich so ausdrücken zu können, wie ich das möchte. Ich habe mich akzeptiert gefühlt, jenseits von Religion, Nationalität und verschiedenen kulturellen Hintergründen."

Das Theater sei nun eine Enttäuschung, sein Standpunkt bei dem, was gerade geschehe, sei beschämend, so Daoud. Es habe die Seite der Okkupation gewählt, die "seit dem 7. Oktober 2023 2.680 Zivilsten getötet hat, die meisten darunter Frauen und Kinder". Der Schauspieler fragt: "Wie kann das immer noch geschehen? Auf der Seite des Unterdrückers und auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen?"

Einige Theater finden Stimme wieder

Das Gorki auf der falschen Seite der Geschichte – schwere, radikale Vorwürfe. Die Schauspielerin Maryam Abu Khaled schreibt in einem langen Statement unter anderem den Satz: "An der Seite Israels zu stehen, war eure Entscheidung, aber ich kann die Respektlosigkeit und Ignoranz nicht akzeptieren, die sich darin gegenüber der anderen Seite zeigt, mein Volk und meine Familie eingeschlossen, die in konstanter Angst leben."
Nach acht Jahren "The Situation" auf der Bühne scheint nun alle Annäherung gescheitert. Die Intendantin Shermin Langhoff will sich auf Nachfrage dazu nicht äußern.

Doch was bleibt uns außer reden? So langsam finden zumindest einige Theater ihre Stimmen wieder. Die Schaubühne hat die Diskussionsreihe "Streitraum" für kommenden Sonntag umbesetzt und spricht mit jüdischen und palästinensischen Intellektuellen über die Gewalt im Nahen Osten.

Am Deutschen Theater ist bislang noch nichts geplant, die Intendantin Iris Laufenberg äußert sich dazu schriftlich: "Theater kann politisch-visionär sein, ohne tagespolitisch schnell zu reagieren. Dennoch müssen auch wir uns mit dem auseinandersetzen, was gesellschafts- und weltpolitisch passiert (…). Wir sind hier in verschiedenen Überlegungen und werden mit den Kolleg:innen von DT Kontext an Veranstaltungen arbeiten und dazu einladen."

Das Berliner Ensemble plant ein Podium zum Thema für den geschichtsträchtigen 9. November. Es ist höchste Zeit. Schließlich ist der Nahost-Konflikt längst in Berlin angekommen.

Sendung: rbb Kultur, 25.10.2023, 14:55 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

43 Kommentare

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  1. 43.

    1948 als Israel das Land zugesprochen wurde, war Palästina britisches Mandatsgebiet. Warum wird nicht GB zu den Verhandlungen hinzugezogen. Immer wieder wird auf Deutschland gezeigt. Warum??

  2. 42.

    Vielleicht sollte mal wieder Nathan Der Weise von Lessing aufgeführt werden…!?!!
    Ich erinnere mich, dass Ende der Siebzigerjahre, als es schließlich zum Friedensvertrag von Camp David kam, im Schiller Theater dieses Stück lief und mir als Teenager damals geholfen hat, den Konflikt einzuordnen…

  3. 40.

    Was sollen sie auch sagen?
    In öffentlich-rechtlichen Sendern wie ZDF, ARD oder WDR werden derweil Berichte bewusst täuschend formuliert. Die Tagesschau betitelt beispielsweise die Terroristen, die in Kibuzze eindrangen und die Bewohner ermordeten, gerne als „Kämpfer“ und gendert sie zu „Militante Palätinenser:innen“ – dass Homosexuelle von der Hamas bestraft und enthauptet werden, bleibt bei der Tagesschau unbeachtet. Ebenso werden weibliche Hamas-Terroristen herbeifantasiert. Auch wenn palästinensische Frauen den Terror der Hamas unterstützen und fördern: Die mörderischen Banden, die über Israel herfielen bestanden aus Terroristen. Keine „Kämpfer“, keine Frauen.

  4. 39.

    Du machst den Fehler, den gerade viele (vermutlich ganz weit links zu verortende) ebenfalls machen: sie bekommen den Spagat nicht hin, einen terroristischen Angriff ohne wenn und aber zu verurteilen, weil er doch von einer „Freiheitsbewegung“ kommt.
    Schlimmer noch: man setzt die Anti Terror Aktion noch gleich, mit dem undifferenzierten Angriff der Terroristen auf Kinder, Alte, Frauen und Araber und fordert „Verhandlungen“ und „Waffenstillstand“.
    Diese Verhalten ist lachhaft, wenn es nicht so traurig und menschenverachtend wäre und zeigt das ganze Dilemma der linken Szene! Und bekannter Maßen ist die „aufgeklärte“ Kulturszene nur so durchsetzt davon.
    Ich schäme mich gerade sehr, für die Bilder, die meine Heimatstadt in die Welt sendet!

  5. 38.

    Und schmeißt die lange vorbereitete Bombe auf das Schiff, von dem er gerade abgesprungen ist? Nicht alles, was schief hängt, ist ein Bild.

  6. 37.

    Man sieht aktuell den Sprecher der israelischen Armee o. den israelischen Botschafter, die zeitlos emotionalisieren. Dass sich Kunst dazu nicht hinreißen lässt, ist kein Nachteil. Kritische Distanz, Empathie für alle sind gefragt, keine Polarisierung, Emotionalisierung, Individualisierung; keine blinde Rache. Die Verantwortung für die terroristischen Angriffe liegt bei der Hamas - nicht bei Israel oder Jüd*innen - und die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza verantwortet das israelische Militär. Beides ist zu verurteilen. Unrecht rechtfertigt kein Unrecht.

    Die Demo der DIG am Brandenburger Tor war genauso eine Ritualisierung und inszenierte Beleidsbekundung, wie es Kunst größtenteils nicht vorzieht. Zudem braucht es auch keinen Ticker-Journalismus - s. "Newsblog" des rbb. Der ÖRR existiert dafür, inhaltlich Relevantes zu berichten, einzuordnen, kritisch distanziert, professionell. Und: Ein pausenloser Medienkonsum im Zshg. mit traumatisierenden Ereignissen ist nicht ratsam.

  7. 36.

    Ich würde mich eher fragen, wo das alles enden soll.
    Biden präferiert (erneut) eine Zwei-Staaten-Lösung
    https://www.fr.de/politik/israel-krieg-biden-zwei-staaten-loesung-palaestina-gaza-hamas-abbas-verhandlungen-zr-92638272.html
    Israel stellt UN-Mitarbeitern wohl keine Visa mehr aus
    https://www.juedische-allgemeine.de/israel/israel-will-un-vertretern-nach-guterres-kritik-keine-visa-geben/
    und Erdogan geht auf Kuschelkurs mit der Hamas
    https://www.fr.de/politik/treffen-netanjahu-krieg-israel-erdogan-tuerkei-hamas-schutz-zr-92636317.html
    Da sind "schweigende Theater" eher unbedeutend.

  8. 35.

    Fahren Sie zur Hamas und zur Hisbollah und verhandeln Sie direkt mit denen. Eins ist sicher: Ihre Rückkehr ist unsicher.

  9. 34.

    Ganz genau hinsehen: Die Hamas trifft sich mit Putin https://www.fr.de/politik/hamas-bedankt-sich-bei-putin-oeffentlich-fuer-dessen-unermuedliches-bemuehen-92597005.html >Verbrecher halten zusammen Und sein Geheuchel Israel gegen über kann Putin sich von vornherein sparen, auf dem Hintergrund, wie Putim als Imperialist und Hitlerkopie sein angebliches "Bruder"volk Ukraine quält und schändet.

  10. 33.

    Welche Ausländer sind denn eigentlich Ihre Freunde. Alle werden es ja wohl nicht sein, oder?
    Und wessen Freund sind Sie denn so?
    Nur damit man Sie mal einordnen kann...

  11. 32.

    Guterres hat NICHTS dazu beigetragen, wie der Hamas-Terror gestoppt werden könnte, denen nichts wichtiger als die sofortige Vernichtung Israels ist. Guterres und alle, die gleichlautend in sein Horn stoßen unterstützen das Terrornetzwerk Hamas, deswegen muß Guterres RAUS aus der Uno. Seine Überlegungen, die Hamas zu unterstützen tragen NICHTS zur Völkerverständigung bei. Ein MIßtrauensvotum sollten mindestens geprüft werden.

  12. 31.

    Guterres hat die Verbrechen Israels sehr diplomatisch beim Namen genannt. Immer wieder sind sie seit Jahrzehnten Thema in der UN bis hin zu Resulutionen die einfach nicht umgesetzt werden oder am Vetorecht der USA scheitern. Besonders wie Deutsche machen uns der Ignoranz schuldig.

  13. 30.

    Guterres hat Israel indirekt aufgefordert, sich nicht mehr gegen die Hamas zu wehren und die Hamas nicht zu schwächen. Das geht garnicht, Guterres muß weg.

  14. 29.

    Gleich, ob ein oder zwei Staaten: ohne gleichberechtigtes Leben sämtlicher vorfindbarer Kulturen und Religionen darin, wird es m. E. nicht gehen.

  15. 28.

    Der Bezugskommentator hat völlig undifferenziert allgemein von „Arabern“ gesprochen.
    Eine 2-Staaten-Lösung ist von der Mehrheit der arabischen Staaten nie in Betracht gezogen worden, siehe die ( zum Glück gescheiterten) Angriffskriege gegen Israel.
    Und für die Hamas oder Hizbollah gibt es nur die totale Vernichtung Israels, Ihre Aussagen sind realitätsferne Schönfärberei.

  16. 27.

    Sie fragen wo das Land der Palisinänser ist. Antwort: Nirgends. Das ist zumindest bedingt die Ursache der gegenwärtigen Tragödie. Dass in Israel keine Saudis oder Marokaner leben dürfte Ihnen bekannt sein. Eine 2-Staaten Lösung hätte möglicherweise dieses Deaster verhindert, zumindest muss es in Zukunft verwirklicht werden.


  17. 26.

    So klar und eindeutig der Terrorismus der Hamas verurteilt werden muss und es unzureichend ist, dass das in vielen Bereichen nicht passiert, so kann eine demokratische, offene u. zivilisatorische Gesellschaft nicht dabei stehenbleiben. Der Hass ist keine Person, die sich Menschen bemächtigt, auch werden Menschen nicht voller Hass in sich geboren; vielmehr ist es das Umfeld, das Hass befördert. Alles andere wäre ein verhängnisvoller Biologismus, der einzelnen Gruppen von sich aus Hass bescheinigt, anderen hingegen, vollkommen frei davon zu sein.

    Dass aufgetretene Hass der Palästinenser hat seinen Nährboden gefunden dadurch, dass Palästinenser vielfach einfach nur benutzt werden: von den arabischen Staaten als Faustpfand ggü. Israel, von einschlägigen Vertretern, die analog der Vertriebenenverbände in Deutschland 1949 ff von geraubten Gebieten sprechen, vom Unvermögen Israels, zu definieren, was über die Heimstatt von Juden hinausgehend der Staat eigentlich beinhalten soll.

  18. 25.

    OMG, sagt bloß nichts „falsches“. Wir haben zwar Meinungsfreiheit auf dem Papier aber die Realität ist eine andere.

  19. 24.

    Wer sind denn für Sie die „Araber“? Das können Marokkaner oder auch Saudis sein. Wenn Sie „Palästinen-
    ser“ meinen, ist unklar, wo deren „eigenes Land“ sein soll und wer sie dort diskriminiert ? Die Mitbewohner? Die Hamas ? Die PLO ? Der arabische Djihad ?
    Sie häufen unklare, diskriminierende Aussagen, fast so wie der UN-Sekretär.

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