Filmtipp | "Shahid" (Forum) - Wie werde ich meinen Namen los?

Fr 16.02.24 | 15:32 Uhr | Von Fabian Wallmeier

Eine iranischstämmige Frau will in Deutschland einen Teil ihres Namens loswerden, der "Märtyrer" bedeutet. Der Forums-Beitrag "Shahid" ist bei aller thematischer Schwere ein enorm unterhaltsamer Film, der ständig neue Haken schlägt. Von Fabian Wallmeier

Ein Termin in einem bayerischen Einwohnermeldeamt. Hat Narges alles dabei? Das polizeiliche Führungszeugnis? Ja, sie reicht es der Mitarbeiterin rüber. Ein Dokument nach dem anderen. Die Namen der bürokratischen Ungetüme überdecken dabei nach und nach in Großbuchstaben die gesamte Leinwand. Doch dann: Das psychologische Gutachten fehlt - und plötzlich bricht der Film auf. Die Darstellerin der Narges Kalhor wendet sich an die echte Narges Kalhor - die Regisseurin des Films. Das sei so nicht vereinbart gewesen und improvisieren könne sie das jetzt nicht.

Lustvolles Dekonstruktionsspiel

Solche Brüche sind typisch für "Shahid". Kalhor stellt ihren Film immer wieder von dem Kopf auf die Füße und zurück, narrative Regeln und Prämissen werden über Bord geworfen. Es ist ein enorm unterhaltsames, lustvolles Dekonstruktionsspiel, das mit einer sehr ernsthaften Ausgangsfrage beginnt: Wie kann Narges, gebürtig aus dem Iran, ihren Mittelnamen Shahid loswerden? Der bedeutet nämlich so viel wie Märtyrer - und mit der blutigen Idee eines Märtyrers und damit dem Tod will sie nichts zu tun haben. Schon gar nicht will sie all das im Namen tragen.

Aufeinandertreffen von Wunsch und Wirklichkeit

"Shahid" holt weit aus. Der Film geht zurück in Narges' Familiengeschichte und ihre Verquickung mit der Geschichte des Iran. Er spielt dabei auch mit Formen und Perspektiven: Die Crew-Mitglieder treten in Erscheinung und greifen ein. Ein Erzähler tritt auf und berichtet in hohem Ton und mit teilweise animierten Zeichnungen Historisches. Ein Vorfahr der Protagonistin verfolgt sie immer wieder mit einer Tanz-Gruppe durch ihre Straße. Ein Straßenkehrer gibt in einer Sprache, die Narges nicht versteht, seinen Senf dazu. Und das Leben der anderen Menschen auf der Straße läuft rückwärts, während Narges und ihre tanzenden Verfolger:innen voranschreiten.

Das mag sich einigermaßen kompliziert lesen, ist aber bei aller thematischen Schwere mit ungemein leichter Hand erzählt. "Shahid" ist immer wieder verblüffend, mal geistreich-tiefsinnig, mal herrlich albern in seiner Dekonstruktionslust und im Aufeinandertreffen von Wunsch und Wirklichkeit deutscher Amtsstubenhaftigkeit. Ein absolut origineller und unbedingt sehenswerter Film.

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Beitrag von Fabian Wallmeier

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