Blumenkübel statt Parkplätze - Potsdam testet in erster Straße die autoarme Innenstadt

Do 28.03.24 | 09:00 Uhr | Von Philipp Rother
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Die Dortustraße in Potsdam am 27.03.2024.(Quelle:rbb/P.Rother)
Audio: Antenne Brandenburg | 28.03.2024 | Matthias Gindorf | Bild: rbb/P.Rother

Mehr Platz, weniger Autos: In einem Modellversuch soll die Potsdamer Dortustraße verkehrsberuhigt werden. Das sorgt nicht bei allen Menschen für Freude. Vor Ort sorgen sich vor allem die Geschäftsleute. Von Philipp Rother

Bislang standen die parkenden Autos in der Potsdamer Dortustraße Spiegel an Spiegel - wurde eine Stellfläche frei, blieb sie nicht lange unbesetzt. Nun soll der rund 400 Meter lange Abschnitt zwischen Brandenburger Straße und Hegelallee mit vielen Bars, Restaurants und kleineren Geschäften zum verkehrsberuhigten Bereich werden.

Seit ungefähr zwei Wochen laufen in der Potsdamer Innenstadt die Arbeiten. Nun bestimmen Pflanzenkübel das Bild. Auf den Flächen, die bisher als Parkplätze dienten, wurden Sitzgelegenheiten, Beete und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder errichtet. So sollen die Gehwege entlastet und auch mehr Freiräume für Restaurants geschaffen werden. Zudem wurden auf der Straße neue Behindertenstellplätze und Kurzzeitparkplätze markiert.

Straßenabschnitt soll "neu und einladend" gestaltet werden

"Zusammen mit den Anwohnenden, Gewerbetreibenden und Gastronomen soll ausprobiert werden, wie der Straßenraum in dem Straßenabschnitt neu und einladend gestaltet werden kann", teilte die Stadt mit. Geplant ist eine einjährige Erprobungsphase, die am Donnerstag offiziell beginnt.

Danach will die Stadt mit den Anrainern gemeinsam entscheiden, wie die neue Gestaltung der Straße "in einen dauerhaften Zustand überführt" werden kann.

Grundlage für den Modellversuch ist das Konzept für eine autoärmere Innenstadt, das die Stadtverordneten im Mai 2023 beschlossen hatten. Im Rahmen dessen sollten Pläne für einzelne Straßenabschnitte erstellt werden, die dafür sorgen, dass sich der Autoverkehr und die Parkflächen reduzieren.

Die Dortustraße in Potsdam am 27.03.2024.(Quelle:rbb)
Sitzgelegenheiten und Pflanzenkübel wurden aufgestellt. | Bild: rbb

In der Dortustraße müssen nun die Besucherparkplätze weichen, die Bewohnerparkmöglichkeiten werden weitgehend in die Hegelallee verlagert. Insgesamt werden mehr als 100 Stellplätze gestrichen.

Darüber hinaus gelten auf dem Straßenabschnitt laut Stadt künftig folgende Grundsätze:

• Autos dürfen nur Schrittgeschwindigkeit fahren

• geparkt werden darf nur innerhalb gekennzeichneter Flächen

• Autos dürfen Fußgänger nicht gefährden oder behindern

• Wenn nötig, muss der Fahrzeugverkehr warten

• Fußgänger dürfen den Autoverkehr nicht unnötig behindern

• Menschen dürfen die ganze Straße nutzen, spielende Kinder sind überall erlaubt

Konzept soll Attraktivität deutlich steigern

"Die Lebensräume sind für die Menschen da und nicht für die Autos", sagt Sarah Zalfen (SPD), Mitglied der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Das neue Konzept müsse jetzt ausprobiert werden. So sieht es auch Bernd Rubelt (parteilos): "Wir können, glaube ich, mit diesem Konzept die Attraktivität deutlich steigern. Und die Menschen können sich frei bewegen." Dennoch will er kritisch bleiben: "Wenn die Qualitätsziele nicht erreicht werden, müssen wir mit den Stadtverordneten darüber reden, ob man was verändern kann", sagt der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Umwelt. "Wir sind da ein Stück beweglich und werden das in den nächsten Monaten beobachten."

"Ich weiß, dass meine Kinder hier nicht spielen können, weil ein SUV nach dem anderen hier parkt", äußert der Stadtverordnete Sascha Krämer (Linke): "Ich möchte, dass sich die Menschen hier wohlfühlen, dass sie ihre Kinder hier spielen lassen können und sich selber auf die Bank setzen können."

Die Dortustraße in Potsdam am 27.03.2024.(Quelle:rbb)
Schilder stehen schon, sind aber noch verdeckt | Bild: rbb

Große Skepsis herrscht dagegen bei den Gewerbetreibenden. Die Händler beklagen, die Stadt habe sie nicht in die Planungen mit einbezogen, Mails dazu seien nie beantwortet worden. Sie fürchten herbe Umsatzeinbußen. Sie glauben, dass Kunden lange Fußwege mit schweren Einkäufen scheuen. "Ich finde dieses ganze Thema unheimlich schwierig. Warum macht man eine Situation kaputt, die sich über Jahre entwickelt hat?", fragt Ladenbesitzer Jens Wiedeck. Es sei in den vergangenen 35 Jahren schon viel Geld investiert worden. "Städte sind gegründet worden, um Handel zu treiben, um Dienstleistungen zu erbringen", so Wiedeck weiter: "Nicht, um auf der Straße zu sitzen und mit seinen Kindern zu spielen."

Einzelhändler Jens Freiberg äußerte sich schon frühzeitig unglücklich: Er sieht Einschränkungen und seine Existenz gefährdet: "Wir hatten das Gefühl, uns wurde etwas präsentiert und Punkt", so der Ladenbesitzer: "Friss oder stirb!"

Der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Umwelt erwartet dagegen deutlich mehr Laufkundschaft in den Läden der Gewerbetreibenden und eine "Win-win-Situation" für alle. Das Rathaus verweist darüber hinaus auf zwei Workshops und eine anschließende Informationsveranstaltung. Es sei auch eine Umfrage unter allen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Gewerbetreibenden der Dortustraße durchgeführt worden.

Karte Potsdamer Innenstadt Verkehrsberuhigung.(Quelle:rbb)
| Bild: rbb

Innenstadt wird weiter umgestaltet

Die Stadt Potsdam versucht unterdessen immer stärker, die Autos aus der Innenstadt zu verbannen. Rund um Potsdam gibt es mittlerweile sieben Park and Ride-Anlagen. Darüber hinaus gibt es viele weitere kostenlose Parkplätze an Bahnhöfen im Umland. Wie voll sie sind, können Autofahrerinnen und Autofahrer jederzeit live im Internet erfahren [mobil-potsdam.de].

Und auch die Innenstadt wird weiter umgestaltet: Die Dortustraße soll in einem zweiten Schritt auch zwischen Brandenburger Straße und Charlottenstraße zu einem verkehrsberuhigten Bereich werden, ebenso die parallele Lindenstraße zwischen Hegelallee und Charlottenstraße und die Gutenbergstraße zwischen Friedrich-Ebert- und Lindenstraße. Darüber hinaus soll die Mittelstraße im Holländischen Viertel teils zur Fußgängerzone werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.03.2024, 9:30 Uhr


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Beitrag von Philipp Rother

81 Kommentare

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  1. 81.

    Dann frage ich mich warum sie so aggressiv und faktenfrei reagieren. Was die Flanier (!)meile Unter den Linden angeht glänzen sie mit völliger Unwissenheit. Sich dann aber auch noch so weit aus dem Fenster zu lehnen, das hat schon Chuzpe.

    "Im 16. Jahrhundert war der Vorläufer der heutigen Repräsentations- und Flaniermeile nichts weiter als ein Reitweg, der 1573 auf Geheiß des Kurfürsten Johann Georg angelegt worden war. Er verband das Berliner Stadtschloss mit dem 1527 eingerichteten Tiergarten. [...] Der alte Jagdweg sollte zu einer sechsreihigen Galerie mit 1000 Nuss- und 1000 Lindenbäumen umgebaut werden. Den Mittelpunkt dieses Systems von Sichtachsen sollte das Stadtschloss bilden."

    Die Straße Unter den Linden, von seinen profanen Anfängen abgesehen, ist also von vorneherein als Flaniermeile angelegt worden.

    Was die rechtsextreme AfD damit zu tun haben soll wird ihr Geheimnis bleiben, warum sie so derart aggressiv sind kann ich mir denken.

  2. 80.

    Die Mehrwertsteuer wird an den Bund entrichtet, und somitt haben die Autofahrer so viel an Steuern entrichtet, das sie auch andere Bereiche mitfinanzieren. Auf die Verteilung der Mittel haben sie leider keinen Einfluss
    Übrigens, die Kommunen sind nur für die Finanzierung von Straßen der 3.Klasse zuständig, wenn sie mehr Geld wollen, dann müssen sie sich an den Bund, oder an die zuständige Landregierung wenden

  3. 79.

    Ich finde es gut, die Attraktivität der Potsdamer Innenstadt zu steigern und die Autos zu verdrängen - dadurch steigen wahrscheinlich auch die Mieten und Staat und Vermieter freuen sich letztendlich.
    Menschen aus den Großstädten werden weiterhin ins Umland abwandern und auch verdrängt werden und das Umland profitiert also auch davon.

  4. 78.

    Ihre Milchmädchenrechnung geht nicht auf. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Autofahrer die Kommunen stärker belasten als sie einbringen.

  5. 77.

    "praktisch jede Familie hat ein Kfz" Das ist nun schon so oft widerlegt worden. Richtig ist hingegen, dass manche Familien mehrere KfZ besitzen. Die es sich leisten können.

    Daraus sich ein Privileg ableiten zu wollen finde ich hanebüchen.

  6. 76.

    „Irre, was da bei den Stadtplanern abgeht.“
    Einen Stadtplaner, wenigstens einen, wäre zu begrüßen. Stattdessen Sachbearbeiter die „Ich-will-Aufträge“ ausschreiben?
    Und somit einen Lebensgefühleinfluss haben. Angemessen?

  7. 75.

    An die 100 Milliarden Euro an Mehrwertsteuern und Abgaben zahlen die Autofahrer jährlch an den Fiskus, und der Bundeshaushalt bewegt sich pro Jahr bei ca. 400 - 450 Milliarden Euro, von wegen subventionierte Autofahrer.

  8. 74.

    In Deutschland sind 60 bis 70 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen - praktisch jede Familie hat ein Kfz, dazu noch Betriebsautos, Lastkraftwagen, und und und.
    Außer natürlich in Potsdam, da ist Alles anders - da ist das Auto der Teufel und neue Infrastruktur, ist Teufelswerk.
    Ausbau der Tramlinien dauert noch Jahre oder Jahrzehnte, eigene Busspuren an vielen Ausfallstraßen dauert auch noch Ewigkeiten.
    Aber Umgehungsstraßen zur Umfahrung von Potsdam wurden ja auch beerdigt.
    Null Investitionen in neue Infrastruktur - nur immer neue Verbote und Verteuerungen.

  9. 73.

    Ich fahre kein Auto, also weit gefehlt, und Unter den Lindern, eine Straße zu Kaiserszeiten für Paraden gebaut, als das gängige Beispiel für Straßeninfrastruktur in den Städten anzubringen, das bestätigt die Aussage meines Kommentars um so mehr.
    Die restlichen Zeilen, da setzten Sie noch einen drauf, in Richtung AfD etc..

  10. 72.

    Soviele dass 1.000 Zeichen nicht ausreichen oder wollen sie ernsthaft bestreiten dass Autofahrer massiv privilegiert sind?

  11. 71.

    Durch falsche Anreize wie die Alimentierung von 5.000 € pro Jahr und Autofahrer.

    Andere Verkehrsteilnehmer haben auch Rechte. Es wird Zeit dass sie das verstehen lernen.

  12. 69.

    Wußte gar nicht, dass dort nur SUV parken dürfen. Hab tatsächlich angenommen, dass dies für alle PKW gilt.
    Weiterhin haben Sie in ihrer Aufzählung den Realisten vergessen. Dieser zieht bereits gemachte Erfahrungen in seine Beurteilung mit ein.

  13. 68.

    "und dieses Privileg wollen die meisten Autofahrer nicht mehr hergeben."

    Warum auch, wir werden immer mehr...

  14. 67.

    Getretene Hunde bellen... sagt man zu einer solchen heftigen Reaktion.

    Danke, dass sie mein These vom extrem aggressiven Autofahrer ("schwafeln") umgehend bestätigen.

    Wer so scheinargumentiert, der fährt auch meistens so. Autofahrer werden nach wie vor im Verkehr massiv privilegiert, wer das abstreitet hat sich für jegliche Diskussion disqualifiziert. Das ist kein Schwafeln, das ist unumstößlicher Fakt.

    "Straßen wurden nie, und werden heute noch nicht zum Flanieren gebaut. "

    Äh, doch. Unter den Linden z.B. Das hat sich dann in den 50ern geändert und dieses Privileg wollen die meisten Autofahrer nicht mehr hergeben.

  15. 66.

    Von vebissenen Autofanatikern zu sprechen, aber selbst von angeblich privilegierten Autofahrern zu schwafeln, nur weil diese eine vorhandene Straßeninfrastruktur nutzen, die ja vornehmlich den Sinn hat möglichst schnell und zügig von A nach B zu kommen, auch mit Lasten beladen..
    Straßen wurden nie, und werden heute noch nicht zum Flanieren gebaut.
    Diese ideologische Kämpfe scheinen eine Berlin- Potsdam - gebundene "Leidenschaft" zu sein.

    Übrigens, es gibt in den westlichen Städten seit jahrzehten Fußgängerzonen, und man kam stets ohne ideologische Vorwürfe usw. aus, das auch deshalb, weil man nicht auf die Idee käme, eine Straße wie die Friedrichstraße zu Flaniermeile umzuwidmen.

  16. 65.

    Den Weg in die Potsdamer Innenstadt sollte man sich sparen und kann man sich auch sparen - und einfach nach Alternativen und andere Orte fahren und schauen.
    Die Stadt Potsdam ist auch sehr dreckig, sehr beschmiert und sehr voll geworden in den letzten Jahren.
    Auch der Potsdamer ÖPNV ist vollkommen überfüllt, dreckig und überlastet.
    Und, Potsdamer: innen sucht man in Potsdam auch schon vergeblich - die Stadt und ihre Bewohner:innen sind austauschbar geworden - also, einfach andere Alternativen, zu einer überfüllten und Identitätslos gewordenen Stadt suchen.

  17. 64.

    "Was für ein Drama wird hier von einigen wegen solch einer Maßnahme veranstaltet. Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll."

    Wie recht Sie doch haben. Erinnert mich an die gleichen Weltuntergangserzählungen wie zu den ein paar hundert Metern in der Friedrichstraße.

    Die Kommentare der verbissenen Autofanatiker zeigt aber auch wie aggressiv, rücksichtlos und ohne Argumente vermeintliche Grundrechte verteidigt werden.

    Nun rächt sich weil die Gesellschaft Autofahrern jahrzehntelang ungerechtfertigt Privilegien eingeräumt hat.

  18. 63.

    Klar, die Leute die da mit dem Auto durchfahren halten an jedem Laden mal und geben Geld aus. Ganz anders als Fußgänger. Die können sich ja nichtmal ein Auto leisten!

  19. 62.

    Als jemand aus dem Umland werde ich mir den Weg in die Potsdamer Innenstadt sparen. Ich bezahle doch nicht den vierfachen Preis, um am Stadtrand in die Öffis zu steigen und nach dreimal Umsteigen irgendwann anzukommen. Und dann das selbe mit Einkaufstaschen zurück. Irre, was da bei den Stadtplanern abgeht.

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