Dienstag bis Donnerstag - GEW ruft Berliner Lehrkräfte zu dreitägigem Warnstreik auf
Die GEW ruft Berliner Lehrer in dieser Woche zum 15. Mal in zwei Jahren zum Warnstreik auf. Sie fordert kleinere Klassen. Der Senat hält dagegen: Wegen Lehrermangels sei das nicht machbar. Von Kirsten Buchmann
- Am Dienstag hat in Berlin der 15. Lehrkräfte-Warnstreik innerhalb von zwei Jahren begonnen
- Die Gewerkschaft GEW fordert kleinere Klassen und eine breitere Lehrkräfte-Ausbildung
- Die Senatsverwaltungen für Bildung und Finanzen sehen dafür keinen Spielraum
Hinweis auf CDU-Wahlprogramm
Die GEW appelliert insbesondere an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU), über die Gewerkschaftsforderungen zu verhandeln. Denn in ihrem Wahlprogramm für die Wiederholungswahl in diesem Februar habe die CDU "kleinere Klassen für besseres Lernen" ausdrücklich gefordert. Dort heißt es: "Wir wollen die Klassengrößen an Grundschulen auf 20 und an weiterführenden Schulen auf 25 Schülerinnen und Schüler begrenzen. Dafür werden wir die Obergrenzen im Schulgesetz entsprechend verankern."
Daran erinnert die GEW nun vor ihrem erneuten Warnstreik Katharina Günther-Wünsch. Die CDU-Politikerin argumentiert nun als Senatorin, die Schülerinnen und Schüler mit gutem und verlässlichem Unterricht zu versorgen, erfordere eine gemeinsame Kraftanstrengung: "Der angekündigte Streik verschärft die Situation – zumal sich die Zielsetzung des Streiks außerhalb der Handlungsmöglichkeiten des Senats und vor allem außerhalb realistischer Umsetzung bewegt."
Sorge vor Rausschmiss aus der Tarifgemeinschaft der Länder
Die Berliner Bildungsverwaltung und die Finanzverwaltung bezeichnen den dreitägigen Warnstreik als unverantwortlich. Sie fordern die Gewerkschaft auf, ihn auszusetzen. Denn der Senat nutze bereits alle Möglichkeiten, die Personalsituation an den Schulen zu verbessern, etwa indem die MSA-Prüfungen an Gymnasien wegfallen.
Für die Gewerkschaftsforderungen sehen beide Senatsverwaltungen hingegen keinen Verhandlungsspielraum. Denn bislang lehnte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) Tarifverhandlungen zu Mindestbesetzungen, also Klassengrößen, ab, weil sie nicht tarifvertraglich regelbar seien.
Ohne Zustimmung der TdL Tarifverhandlungen aufzunehmen, wäre "ein Satzungsverstoß, der zum endgültigen Ausschluss des Landes Berlin aus der TdL führen könnte", argumentiert die Finanzverwaltung. Sie habe der GEW mitgeteilt, dass sie in der nächsten TdL-Mitgliederversammlung nochmals ansprechen werde, ob die TdL bereit sei, künftig Mitgliedsländern "entsprechenden tarifrechtlichen Handlungsspielraum zu eröffnen".
Dass Berlin in der TdL als Arbeitgeberverband der Länder bleibt, will auch die GEW. Denn so könnten die Beschäftigten gemeinsam dafür eintreten, dass die Bezahlung besser wird. Der Berliner Finanzsenator müsse der TdL aber klar machen, dass er bei der Personalbemessung Handlungsspielraum wolle, fordert die Gewerkschaft.
Gegen kleinere Klassen spricht aus Senatssicht allerdings noch ein weiteres Argument: der Lehrermangel. Denn derzeit sind wegen des Lehrermangels berlinweit mehr als 700 Lehrerstellen nicht besetzt. Die Klassengröße zu reduzieren, würde den Lehrkräftebedarf noch erhöhen und sei daher "nicht mit dem Ziel einer adäquaten Versorgung der Schulen mit Lehrkräften vereinbar", sagt die Finanzverwaltung.
Ein Argument, das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nicht gelten lässt. Sie hält dagegen, gerade durch kleinere Klassen würden mehr Menschen den Beruf attraktiv finden. "Über 1.000 Lehrkräfte haben im vergangenen Schuljahr den Dienst quittiert, mit besseren Arbeitsbedingungen in kleineren Klassen wären sicherlich einige geblieben", zeigt sich Gewerkschafterin Anne Albers überzeugt.
Zudem sollten mehr Lehrkräfte ausgebildet werden, als die derzeitigen Pläne für die Hochschulen vorsähen. "Wenn wir sehen, dass nach den derzeitigen Hochschulverträgen weiter zu wenig Lehrkräfte ausgebildet werden, dann fehlt uns da ehrlich gesagt das Verständnis", erklärte Albers am Dienstag im rbb.
Mehr Stress in größeren Klassen
Angesichts des Lehrermangels werden die Klassen momentan im Gegenteil voller, beobachten Lehrkräfte und Eltern. Der Landeselternausschuss unterstützt daher den Warnstreik. Mit einer Mail-Aktion der Eltern an die Bildungssenatorin und den Finanzsenator will er diese zu Verhandlungen bringen. Denn durch die immer weiter aufgefüllten Klassen leide die Unterrichtsqualität: "Lärm, Stress, Konflikte, all das wird mehr, je größer die Klasse wird."
Kleinere Klassen seien nicht über Nacht erreichbar, schreibt der Landeselternausschuss, aber die Landesregierung könne sich bereits heute mit einem Stufenplan auf den Weg machen und "endlich genügend Lehrkräfte ausbilden." Aus Sicht des Landeselternausschusses braucht es dringend bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen: "Bis 2030 verlassen mehr als 10.000 Berliner Lehrkräfte aus Altersgründen den Beruf. Wer folgt ihnen nach, wenn die schlechten Bedingungen das Arbeits- und Lernklima belasten?"
15. Warnstreik seit 2021
Für kleinere Klassen und bessere Arbeitsbedingungen hat die GEW seit Herbst 2021 bereits 14 Warnstreiks organisiert. Ab diesem Dienstag soll nun der 15. beginnen, der erste im aktuellen Schuljahr. "Ohne unsere Streiks hätte es längst mehr Kürzungen gegeben, das ist für uns ganz eindeutig. Wir haben die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz gesehen", erklärte Albers im rbb. "Die Kolleginnen und Kollegen haben kein Interesse daran, dass Unterricht ausfällt, aber wir geben den Streik nur auf, wenn es Verhandlungen gibt." Eine Bereitschaft zu Sondierungsgesprächen sieht sie auf Senatsseite nicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.10.2023, 07:15 Uhr