Interview | Protest gegen Rechtsextremismus - "Wir sind hoffnungsvoller"
Wenn das Bündnis #unteilbar Spremberg in der Kleinstadt gegen Rechtsextremismus und für Demokratie demonstriert, sind Anfeindungen keine Seltenheit. In den letzten Wochen ist aber auf einmal vieles anders, sagt Mitbegründerin Bianca Broda.
Der rbb sendet 20:15 Uhr ein rbb24 spezial über Proteste gegen die Bedrohung der Demokratie: Die Mutbürger
rbb24: Frau Broda, ist es in kleineren Städten auf dem Lande eher schwierig, die Leute zu mobilisieren?
Bianca Broda: Aus meiner Sicht ist es schwieriger. Wenn Sie in der Kleinstadt leben, ist es so, dass Sie, wenn Sie an solchen Demonstrationen teilnehmen, eigentlich schon Gesicht zeigen. Spremberg hat ein bisschen weniger als 25.000 Einwohner und wie in jeder Kleinstadt kennt jeder jeden so relativ. Und wenn Sie sich sozusagen positionieren und zu einer Demonstration gehen, dann ist es so, dass Sie die Nachbarn sehen, nicht selten stehen bei Aktionen von #unteilbar Spremberg stadtbekannte Rechte am Rand. Man muss mutig sein, um da hinzugehen. In der Großstadt würde ich denken, da kann man mitgehen im Schutz der Masse. Das ist in der Kleinstadt wirklich herausfordernder.
Warum wollen viele Leute in Spremberg lieber nicht so sichtbar sein mit ihrer politischen Meinung und ihrem Engagement?
Ich denke, grundsätzlich haben alle Menschen einen Sicherheitsbedürfnis, auch die Bürger in Spremberg. Spremberg hat eine Geschichte mit den Rechten seit den 90er Jahren. Es ist kein neues Thema, über das wir hier sprechen. Es gibt viele Erinnerungen. Ich denke, ein großer Teil hat Sorge, sich zu positionieren.
Viele wollen es zum Beispiel auch nicht, weil sie nicht wollen, dass ihre Stadt in ein schlechtes Licht rückt. Wir sind eine Bergbauregion, die den Kohleausstieg hat, wir wollen den Strukturwandel. Wir wollen, dass sich hier Firmen ansiedeln. Wir wollen, dass hier Menschen herziehen. Uns wird oft vorgeworfen, solche Polarisierung, die wir mit #unteilbar Spremberg herstellen, schade dem Image der Stadt.
Wer geht jetzt demonstrieren - sind das die üblichen Verdächtigen, die immer aktiv sind für die Gemeinde?
Nein, und deswegen haben wir uns letztes und vorletztes Wochenende so gefreut: Es war ein buntes Bild unserer Stadt, mehrere Generationen, junge Familien, aber auch viele Ältere, die auch diese Zeit kennen. Die zu erreichen ist immer unser Ziel. Und das passiert leider so selten.
Sprechen Sie nach den Enthüllungen über dieses rechtsextreme Treffen in Potsdam denn mehr Leute auf Ihre Initiative #unteilbar Spremberg an? Hat sich die Stimmung insgesamt geändert?
Geändert – das ist zu schwarz und weiß. Wir sind hoffnungsvoller. Nach der Demonstration sind Menschen zu uns gekommen, die Interesse gezeigt haben und gesagt haben, dass sie bei uns mitarbeiten wollen.
Das ist, glaube ich, die Wirkung aus den Großstädten. Wenn die Großstädter anfangen zu demonstrieren, dann werden auch hier Menschen mutiger. Und dass es wichtig ist, sich zu positionieren, lesen Sie jetzt in jeder Zeitung und in jedem Radio hören Sie das. Das wirkt sich aus, und Gottseidank wirkt es auch auf einige Bürger in Spremberg. Wir sagen oft bei unseren Gruppentreffen, wenn sich mehr Menschen dazu bewegen mitzumachen, dann können wir alle miteinander mutiger sein.
Werden Sie denn für ihr Engagement angefeindet?
Immer mal wieder, gerade wenn ich mich stark positioniere. Ich hatte Weihnachten Dienst in der Kirche zum Einlass bei einem Weihnachtsmarkt. Und ich wurde massiv von einer Frau angegriffen. Dass ich eine Schande für diese Stadt bin, wenn ich die Stadt in dieses Licht rücke. Ich hatte mich damals zu Vorfällen in der Spremberger Schule geäußert.
Es gab eine Dokumentation zu dem Thema Schule und Rassismus. Mein Sohn und ich haben ein kurzes Interview gegeben und haben aus unserer Perspektive beschrieben, wie es sich anfühlt, in der Schule zu sein. Mittlerweile ist viel passiert. Ich fand es sehr positiv, es gab ganz viele Gespräche in der Schule. Es gibt ganz viele Projekte gegen Rassismus. Aber die Frau hat mich angegriffen, dass ich die Schule und diese Stadt in den Schmutz ziehe. Dass ich eine Nestbeschmutzerin bin.
Wie kommen Sie ins Gespräch mit denen, die reden wollen, die nicht unbedingt bei ihnen mitmachen wollen, die von der Politik der Bundesregierung überhaupt nichts halten, aber noch lange nicht ins Extreme driften?
Wir geben uns Mühe klarzumachen, dass wir für eine demokratische Gesellschaft und für eine vielfältige Stadt stehen. Wir versuchen mit #unteilbar Spremberg bei Marktplatzaktionen Bürger anzusprechen und einfach mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihnen zu erklären, wofür wir stehen, was wir für Spremberg wollen. Wir versuchen, das zu betonen und nicht immer zu sagen "wir sind gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus". So entstehen mehr Gespräche.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Dahl, rbb24 Inforadio.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.01.2024 , 07:05 Uhr