Landeszentrale für politische Bildung - Werden vom Berliner Senat Aufpasser eingesetzt?

Fr 20.09.24 | 08:36 Uhr | Von Sabine Müller
  18
Schild am Eingang der Landeszentrale für politische Bildung (Quelle: IMAGO/Stefan Zeitz).
Audio: rbb24 Inforadio | 20.09.2024 | Sabine Müller | Bild: IMAGO/Stefan Zeitz

In der Berliner Landeszentrale für politische Bildung wird ein "Showdown" erwartet. Teile des Kuratoriums werfen der CDU-geführten Bildungsverwaltung vor, die Arbeit der Zentrale aus ideologischen Gründen beschneiden zu wollen. Von Sabine Müller

Was sich am vergangenen Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus abspielte, dürfte ein Vorgeschmack gewesen sein auf die Kuratoriumssitzung der Landeszentrale für politische Bildung (LZPB) am Freitag. Die Grünen erkundigten sich nach einer geplanten neuen Stabsstelle in der Bildungsverwaltung. Diese habe offensichtlich ein "Durchgriffsrecht" und "klare politische Einflussnahme" auf die Landeszentrale zum Ziel, kritisierten die Abgeordneten Louis Krüger und Ario Mirzaie. Daraufhin warf Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) den Grünen vor, mit "infamen Unterstellungen" den Diskurs zu "vergiften".

CDU will ein Ende des "Wildwuchses"

Seitdem haben sich die Gemüter nicht beruhigt. Susanna Kahlefeld, grünes Kuratoriumsmitglied, geht davon aus, dass es bei der Sitzung "ziemlich knallt". Zur Besprechung liegt die Jahresplanung 2025 der Landeszentrale für politische Bildung auf dem Tisch. Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark kritisierte gegenüber dem rbb vorab, der Zugang zu politischer Bildung sei in Berlin "aktuell auf keinem guten Niveau". Er sieht zu viele Projekte, "die nicht die Mehrheitsgesellschaft widerspiegeln". Vermittelt werden müsse zum Beispiel mehr Grundlagenwissen über Aufgaben und Arbeit des Parlaments oder eines Bürgermeisters, meint Freymark.

Aktuell unterhält die Landeszentrale für politische Bildung zwei Standorte, an denen sich Bürgerinnen und Bürgerinnen informieren können und zum Beispiel kostenloses Lesematerial bekommen. Dazu gibt es jährlich mehr als 200 Veranstaltungen - von Seminaren bis Fortbildungen, meist in Kooperation mit verschiedenen Vereinen.

Kritiker wittern inhaltliche Kontrolle der LZPB

Sie wolle ein Ende des "Wildwuchses" bei der politischen Bildung, gab Senatorin Katharina Günther-Wünsch im Abgeordnetenhaus als Ziel aus und erwähnte dann konkret zwei von der Landeszentrale geförderte Projekte: "Wie wird denn eigentlich der Bedarf für ein Angebot wie den Workshop 'Siebdruck und kritische Männlichkeit' ermittelt?", fragte Günther-Wünsch: Und wie hoch sei die Nachfrage für 'Antirassistisches Training für weiße Frauen'?

Wie wird denn eigentlich der Bedarf für ein Angebot wie den Workshop 'Siebdruck und kritische Männlichkeit' ermittelt?

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU)

Kritiker sehen Ideologie-getriebenes Handeln

Laut der Senatorin soll die neue Stabsstelle "Politische Bildung und Demokratieförderung", die gerade in ihrem Haus aufgebaut wird, für mehr Steuerung und Koordination in der politischen Bildungslandschaft sorgen – auch über die Landeszentrale hinaus. Kritiker lesen aus den internen Unterlagen zur Einrichtung der Stelle, die dem rbb vorliegen, allerdings anderes heraus. Dort steht zur Landeszentrale für politische Bildung unter anderem: "Das Jahresprogramm, die Förderung einzelner Träger sowie die Erstellung von Materialien sind stets mit der Stabsstelle fachlich und inhaltlich abzustimmen".

Mit der Stabsstelle würden politische "Aufpasser" eingesetzt, kritisiert der Historiker Wolfgang Benz, der lange Zeitgeschichte und politische Wissenschaft an der Berliner TU lehrte. "Es geht wirklich um Zensur, es geht eindeutig darum, andere Meinungen zu unterdrücken."

Benz gehört zu den mittlerweile mehr als 22.000 Menschen, die im Internet eine Petition mit dem Titel "Regierungszugriff auf die politische Bildung in Berlin verhindern!" unterzeichnet haben. Darunter viele Wissenschaftler aus ganz Deutschland, aber auch Gewerkschafter und ehemalige SPD-Bildungsstaatssekretäre.

Gestartet wurde die Petition vom Berliner Landesverband der Deutschen Vereinigung für politische Bildung. Dessen Vorsitzende Sabine Achour wirft der CDU "Ideologie"-getriebenes Handeln vor, weil ihr die aktuelle Arbeit der Landeszentrale offenbar "zu links, zu rassismus- und diskriminierungssensibel und zu feministisch" sei. Das sieht auch Susanna Kahlefeld (Grüne) so: "Sie wollen die Landeszentrale für politische Bildung ihrer politischen Agenda entsprechend nach rechts umsortieren." Das Kuratorium, das doch eigentlich die Überparteilichkeit der Arbeit der Landeszentrale sicherstelle, solle übergangen werden, so Kahlefeld.

CDU: Durch die neue Stabstelle ändere sich nichts

Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark weist den Vorwurf der Einmischung vehement zurück. "Ich verstehe das nicht, ich finde das indiskutabel und sehe das als antidemokratischen Vorgang seitens der Kritiker." "Es ändert sich nichts" durch die neue Stabsstelle, verspricht Senatorin Günther-Wünsch. Schon jetzt habe die Bildungsverwaltung die Fachaufsicht über die Landeszentrale für politische Bildung. "Kontrolle" werde es nur im Sinne der Nutzerinnen der Landeszentrale geben und im Sinne des Steuerzahlers, sagt die Senatorin weiter.

Doch die SPD, die gemeinsam mit der CDU regiert, beruhigen solche Worte nicht. Kuratoriumsmitglied Maja Lasić schreibt dem rbb, gerade in der heutigen Zeit bedürfe es "einer starken und in ihrer Unabhängigkeit sicheren Landeszentrale". "Deshalb sehen wir eine öffentliche Infragestellung der Landeszentrale kritisch", so Lasić.

Streit wird wohl weitergehen

Viele reden, einer schweigt: Thomas Gill, der Leiter der Berliner Landeszentrale für politische Bildung. Eine Interviewanfrage des rbb lehnte er ab. Dass der Landeszentralen-Chef nicht glücklich ist mit den aktuellen Entwicklungen, darf als gesichert gelten.

In der vergangenen Woche wies er bei einem Termin am neuen Standort im Osten der Stadt demonstrativ darauf hin, die politische Bildung sei nach 1945 in Deutschland immer "unabhängig und parteipolitisch übergreifend konzipiert" gewesen. Unter den Nationalsozialisten war die Kontrolle im Propagandaministerium angesiedelt. "Was immer man heute diskutiert, muss man es vor diesem Hintergrund betrachten", zitiert die "Morgenpost" Thomas Gill. Das saß als kaum versteckte Spitze in Richtung der CDU-Pläne.

Entscheidende Posten noch nicht besetzt

In eine direkte, öffentliche Auseinandersetzung mit der Bildungssenatorin mag Gill aber offensichtlich nicht gehen. Vielleicht auch deshalb, weil noch unklar ist, welche Auswirkungen die neue Stabsstelle tatsächlich auf die Alltagsarbeit der Landeszentrale haben wird. Noch sind die entscheidenden Posten nicht besetzt. Offenbar gibt es Widerstand vom Personalrat der Bildungsverwaltung, weil zwei Vertraute der Hausleitung ohne Ausschreibung auf die Posten gehoben werden sollen.

Vor der Kuratoriumssitzung am Freitag forderte die Petitions-Initiatorin Sabine Achour, die Mitglieder sollten darauf dringen, dass die Entscheidung für die Stabstelle rückgängig gemacht wird. Dass es so weit kommt, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Mehrere Kuratoriumsmitglieder sagten dem rbb, letztlich werde das Ergebnis der Sitzung vermutlich ein "agree to disagree" sein: Einigkeit darüber, dass man sich nicht einig ist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.09.2024, 07.32 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

18 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 18.

    Die Zensur findet auch beim RBB statt mein Kommentar, der darauf verwies, dass die LZPB durch die Personalauswahl des letzten Jahrzents vermutlich stark politisch eingefärbt ist wurde nicht veröffentlicht. Traurig wenn man eine Streitkultur pflegen möchte

  2. 17.

    "Zensur in kleinen Schritten..."

    Zensur der Kunstfreiheit in kleinen Schritten ist für viele Menschen z.B. die die Vorgabe, "Siebdruck und Männlichkeitskritik".

  3. 16.

    Ich sage nur „Siebdruck und Männlichkeitskritik“...
    Da können Sie schreiben was Sie wollen...

  4. 15.

    Gibt es eigentlich den Kurs "Töpfern für Feministinnen" noch?
    Wo kann man sich da anmelden?

  5. 14.

    "Das Jahresprogramm, die Förderung einzelner Träger sowie die Erstellung von Materialien sind stets mit der Stabsstelle fachlich und inhaltlich abzustimmen" - das ist direkte EInflussnahme auf die öffentliche Bildung. Grds. unterwirft diese sich der Wissenschaftsfreiheit, also der Unabhängigkeit von finanziellen oder politischen Partikularinteressen Dritter. Diskriminierungssensibilisierung eignet sich nicht dazu, sich darüber lustig zu machen und sie zu desavouieren - sie meint Demokratiebildung. Es ist ein geplanter Angriff auf Demokratie. Seitens einer immer weiter in die extreme Rechten abdriftenden cDU ist das ein Demokratieabbauvorhaben. Widerspruch und Widerstand dagegen als undemokratisch zu betiteln, entlarvt eine weitere Methode der extremen Rechten: das Opfernarrativ. Die Grenze des Sagbaren zu verschieben, ist der Beginn, das Ringen um Deutungshoheit nicht der letzte Schritt des Unterhöhlens von Demokratie. Staatsferne wäre das Ergebnis solcher Pläne definitiv nicht.

  6. 13.

    Der Senat muss dringend Aufpasser haben ! Das was Sie tun (z.B. 10 Jahre Oper sanieren für mind. 0,5 Mld €, Olympia Bewerbung vorschlagen) und .... nicht tun (z.B. eine Lösung für den Öffentlichen Verkehr finden, Leerstehung ICC, Schulen sanieren etc.) ist unerträglich.

  7. 12.

    Schönes Beispiel:
    Was bedeutet die Frage:
    Ob einer Partei nicht geglaubt wird.
    1. In der Frage schwing5 die Antwort mit.
    2. Geht es hier um die Aktion einer Partei?
    Oder einer Person die Mitglied einer Partei ist.
    Ihr Beitrag zeigt mir wie wichtig die politische Bildung ist.
    Unabhängig von jeder Partei.

  8. 11.

    Zensur in kleinen Schritten
    Auch wenn nicht jedem einige Workshop Titel passen mögen, so ist es der Versuch scheibchenweise den Zugriff auf die LZ zu bekommen.
    Wehret den Anfängen. Der Weg in eine autoritäre, gelenkte Demokratie geht schneller als wir es erahnen.
    Seit Jahrzehnten ein treuer Freund der politischen Bildung-auch berufsbedingt-befürchte ich das Schlimmste

  9. 10.

    Na wenn es stimmt, dass sich nichts ändert, dann kann man sich die Stelle auch gleich sparen. Das freut den Steuerzahler!

  10. 9.

    Es ist schon eigenartig, alle reden in diesem Zusammenhang von politischer Neutralität, aber Beschwerden werden hier vor allem von SPD und Grünen vorgetragen? Vertrauen sie etwa einer demokratischen Partei (CDU) nicht?

  11. 8.

    Ich halte die Kritik beider Seiten für richtig (mit den gegebenen Informationen aus dem Artikel). Nach Jahrzehnten des Bestehens die Art der Zusammenarbeit plötzlich einseitig zu verändern ist keine gute Idee. Andererseits ist der "Workshop 'Siebdruck und kritische Männlichkeit'" etwas, was ich eher im Angebot einer VHS einordnen würde, allerdings nur mit der Kenntnis des Titels.
    Ich weiß nicht, wann die grundlegende Aufgabenstellung an die LZPB definiert wurde und ob sie seitdem verändert oder angepasst wurde. Vielleicht sollte es darüber eine Diskussion geben. Die Welt, die Politik, die politischen Themen verändern sich mit der Zeit, in den letzten 30 Jahren bestimmt mehr als je zuvor. Vielleich muss der Arbeitsauftrag für die LZPB verfeinert werden, u.U. aber auch auf Kernbereiche zurückgestutzt werden, damit ein ausreichend detailliertes Angebot aufgestellt werden kann. Am Ende steht halt leider immer die Frage nach dem Geld.

  12. 7.

    "Siebdruck und kritische Männlichkeit" - das klingt wirklich wie der Titel eines schlechten B-Movies oder Theaterstücks.
    Gibt es das wirklich?

  13. 6.

    Die geistig-moralische Wende, von Helmut Kohl Anfang der 1980er Jahre angedroht, wird jetzt wohl offenbar von Günther-Wünsch und ihrem Chef Wegner durchgesetzt. Um unsere Zivilgesellschaft Matt zusetzen, braucht es also nicht einmal die AfD. Das schafft, wenn wir nicht aufpassen, die Berliner CDU ganz alleine.

  14. 5.

    "Null Ahnung, aber mit dem Hammer drauf" wäre doch ein super Spruch für das nächste CDU-Wahlplakat!^^

  15. 4.

    Warum wird die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung nicht von innen heraus verbessert? Durch klare Zielsetzung, Schulungen, Gespräche zwischen Senat und Leitung der Landeszentrale? Eine neues Kontrollorgan muss nicht geschaffen werden, das sorgt nur für Kosten und Unmut.

  16. 3.

    Wie viele “Stabsstellen” gibt es denn derzeit bei der LZPB, und was genau ist bzw. macht eine Stabsstelle?
    Das Kuratorium bildet ja meines Wissens derzeit ganz gut die politischen Verhältnisse ab.

  17. 2.

    Also ich finde "toxische Männlichkeit" und "anti-rassismus" Bewusstsein ziemlich aktuell und wichtig. Kann sich KGW in ihrer heilen,konservativen Bubble nicht vorstellen.
    CDU einmal mehr wieder bewiesen, dass sie ewig von gestern sind.

  18. 1.

    Unglaublich was die CDU da vorhat. Sie orientiert sich immer mehr rechts. Geschichte wird übergangen! Mir wird schlecht. Auch in den Schulen entsteht immer mehr Chaos. Statt besser wird es schlimmer. Null Ahnung, aber mit dem Hammer drauf!

Nächster Artikel