Bündnis "Bahn für alle" - "Buchungs-Plattformen für Nachtzüge sind eine mittlere Katastrophe"

Di 12.12.23 | 06:13 Uhr
  61
Symbolbild: Ein Nightjet Zug der ÖBB. (Quelle: dpa/G.Hochmuth)
Bild: dpa/G.Hochmuth

Mit dem Nachtzug von Berlin nach Paris - das ist nun möglich. Doch die Tickets sind teuer, wenn man es überhaupt schafft, länderübergreifend zu buchen. Stellschrauben bei Nachtverbindungen gebe es genug, sagt Carl Waßmuth von "Bahn für alle".

rbb|24: Herr Waßmuth, mit der Verbindung Berlin-Paris wird eine Wunschstrecke vieler Nachtzug-Liebhaber nun Realität. Ist das aber auch was für Leute, die sich normalerweise einen Flug nach Paris buchen würden?

Carl Waßmuth: Ich denke ja, unbedingt. Das sind die beiden Hauptstädte von zwei großen Ländern in Europa. Wir als "Bahn für alle" standen 2016 am Hauptbahnhof und haben quasi mit Tränen in den Augen die Einstellung des letzten Nachzugs Berlin-Paris begleitet und dagegen protestiert.

Jetzt ist es so, dass Fliegen ja durchaus auch seine Implikationen hat. Das heißt also, nicht immer klappt es mit den Flügen. Es klappt zwar auch nicht immer mit den Zügen, aber das ist eine enorme Alternative zu Flugreisen, wobei es jetzt erst mal nur die Verbindung zwischen zwei Metropolen ist. Wir als "Bahn für alle" fordern, dass ein wesentlich größerer Aufschlag gemacht wird für den Nacht- und Fernreisezug in Europa.

Zur Person

Carl Waßmuth. (Quelle: privat)
privat

Carl Waßmuth ist Mitbegründer und Sprecher des Bündnisses "Bahn für alle". Jahrgang 1969, Bauingenieur, Infrastrukturexperte und Autor. Neuestes Buch: "Verkehrswende - ein Manifest" (mit Winfried Wolf).

Wird aber ein Otto Normalverbraucher, der vier oder fünf Tage nach Paris reisen möchte, sich genauso einfach ein Nachtzug-Ticket buchen können wie einen Flug?

Die Buchungs-Plattformen für Nachtzüge in Europa sind eine mittlere Katastrophe, da sind wir noch lange nicht da, wo wir hin müssen. Wir brauchen eine einheitliche Buchungs-Plattform für alle Nachtzüge, sodass ich mir jetzt nicht erst eine Ausbildung zulegen muss, um herauszufinden wo ich diesen Nachzug buchen kann.

Es sind ja meistens zwei Länder, und ich muss dann herausfinden, über welches Land oder vielleicht noch über ein drittes ich reisen muss. Das ist überhaupt noch nicht so, wie es sein muss. Wir fordern deswegen eben als gemeinsame Initiative der Länder in Europa eine übergreifende Buchungs-Plattform.

Tickets buchen ist nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Möchte man im Januar im Liegewagen mit dem Nachtzug nach Paris, kostet das so viel wie ein Flug mit Air France oder KLM - und das bei einer 14-Stunden-Fahrt. Ist das denn konkurrenzfähig?

Na ja, beim Nachtzug fährt man über Nacht und die Reisezeit im Schlaf rechnet man üblicherweise nicht mit. Das heißt, Sie können abends einsteigen und sind morgens da, Sie sind sogar wahrscheinlich früher da als mit dem ersten Flug, wenn sie früh morgens zum Flughafen gehen würden.

Dagegen ist also nichts einzuwenden, aber die Preise sind definitiv zu hoch. Das liegt aber daran, dass der Flugverkehr massiv subventioniert wird, obwohl er so klimaschädlich ist, und der Zugverkehr in den Subventionen benachteiligt wird. Wir fordern deswegen, dass es Garantie für günstigere Zug- als Flug-Verbindung geben muss. Als Richtpreis stellen wir uns vor, dass es keinen innereuropäischen Flug unter 100 Euro geben darf.

Das ist absurd. Diese günstigen Kosten gibt es nur, weil andere das bezahlen, nicht die Flugreisenden, sondern die Steuerzahlenden und wir alle über die Klimaschädigung. Eigentlich sollte auch keine innereuropäische Zugfahrt über 85 Euro kosten. Dann erst bekommen wir es hin, dass wirklich eine Verlagerung stattfindet.

Wie werden aber jetzt die Zugpreise bestimmt?

Für uns ist das nicht wirklich transparent. Wir wissen, dass es Kosten gibt, die eingerechnet werden müssen - und das sind die sogenannten Trassenpreise. Das heißt also, die Deutsche Bahn AG verlangt zum Beispiel von der ÖBB, die viele Nachtzüge bereitstellt, dass sie Trassenpreise bezahlt. Wir halten diese Trassenpreise für deutlich zu hoch.

Wenn man viel Bahnverkehr haben will, muss man günstige Trassenpreise anbieten und das im Zweifel auch staatlich subventionieren. Dann fährt da viel.

Wenn es mit so hohen Trassenpreisen verbunden ist, rechnet sich das Nachtzugsgeschäft überhaupt für die Betreiber?

Dieses sich Rechnen ist ein schwieriger Begriff. Tatsächlich ist es einfach so, dass bestimmte Kosten vorproduziert werden durch Rahmenbedingungen. Diese vorproduzierten Kosten - wie eben die Trassenpreise - bewirken, dass ein Verkehrsträger teuer oder günstig ist. Wir haben im Moment die Situation, dass die Bahn benachteiligt wird in dieser Kostenvorproduktion. Das heißt, mit Mühe und Not können jetzt einzelne Betreiber eine Handvoll Nachtzugverbindungen anbieten.

Sehr viele sind das allerdings nicht. Wir feiern jetzt zwar den Nachzug Berlin-Paris, aber das ist bisher nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wenn wir uns ansehen, was es an innereuropäischen Flugverkehr alles gibt und wenn wir das auf die Schiene verlagern wollen, dann müssen auf diesen Strecken jede Nacht drei oder fünf Zugpaare verkehren.

Das Land Berlin hat vergangenes Jahr einen Zielfahrplan für Nachtzüge für 2030 ausgeschrieben. Wie sehen die Nachtzug-Verbindungen bis dahin Ihrer Meinung nach aus?

Bisher ist das Prinzip unserer Bundesregierung, den Fernverkehr im Wettbewerb stattfinden zu lassen. Und der Wettbewerb ist einfach keine Einrichtung, die flächendeckende Daseinsvorsorge bereitstellt, sondern da entstehen immer Angebote für bestimmte Zeit und das war es.

Wir brauchen aber ein flächendeckendes Angebot. So wie wir irgendwann mal auch Europa flächendeckend mit Autobahnen versorgt haben und mit Flughäfen, müssen wir jetzt ein flächendeckendes Nachtzug- und Fernreise-Verkehrsangebot bekommen, damit wir herauskommen aus den sehr schädlichen Verkehrsformen Flugzeug, Auto und Lkw.

Dann wäre da noch ein Punkt, an den wir auch denken müssen: dass am Ende diese Nachtzüge von Menschen gefahren werden. Das heißt also, es muss Personal geben und man kann nicht einfach 2030 sagen, "Ach, wir verdoppeln unser Nachtzug-Angebot". Und dann stellt man fest, man hat überhaupt keine Zugführer ausgebildet.

Das heißt also, wir brauchen jetzt schon eine Ausbildungsoffensive. Und wir müssen eine gute Bezahlung anbieten, zum Beispiel so, dass Zugbegleiter so bezahlt werden, wie Flugbegleiter und Lokführer so wie Piloten. Die Verantwortung ist durchaus vergleichbar.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Efthymis Angeloudis.

61 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 61.

    " eben alle Kosten eines Handelns im Produkt eingepreist werden. Nicht nur diejenigen die dem Betreiber direkt entstehen." Wie wollen Sie diese Kosten objektiv bestimmen und firmengenau zuordnen?

  2. 60.

    Sie sind jetzt der Dritte, der sich an jemandem mit einer Meinung abarbeitet. Haben Sie mal versucht zu verstehen, was gemeint ist?
    Nichts ist in Stein gemeißelt, auch nicht Regelungen der ICAO. Und ein ewig gleichbleibendes Klima ebenfalls nicht. Alles kann geändert werden, wie man auf dem Planeten in allen Ländern verfolgen kann. Oder haben Sie Angst, dass Ihr Ticket teurer wird? Wenn die Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten der ICAO Arsch in der Hose hätten, würden sie agieren und nicht über ihr starrköpfiges Festhalten an überholten Regeln dazu beitragen, dem Klima wirklich den Rest zu geben. Dazu muss niemand ein Öko sein, wie er/sie schrieb. Was sind Sie für simple Charaktere, sich so geben zu müssen.

  3. 59.

    Öko? Sie denken in ausgelutschten Schubladen. Meine einzelne Meinung ist global anzusehen. Kann man versuchen, aus meinem angegriffenen Kommentar herauszulesen und das Gelesene zu verstehen. Aber es ist müßig, Leuten dies zu versuchen, verständlich zu machen, die nur Vorschriften zitieren können, ohne über den globalen klimatischen Tellerrand hinüberzusehen imstande sind. Dazu muss man übrigen kein Öko sein, der ich wahrlich nicht bin, um Sie mal enttäuschen zu müssen. Aber einen Diskurs auf Augenhöhe wollen Sie ja offenbar nicht.
    Bleiben Sie gesund; atmen Sie immer tief ein und aus.
    Tschüß.

  4. 58.

    Nicht unbedingt. Natürlich kann eine Airline die Betankung in Deutschland umgehen und in Ausland tanken. Das von Ihnen beschriebene Vorgehen ist keine Pflicht

    Fakt ist, dass eine kerosinsteuer auf internationale Flüge fast ausgeschlossen ist.

    Wenn nämlich die kerosinsteuer für internationale Flüge kommt, fällt die Pflicht der Airlines weg, Startgebühren und Landegebühren zu zahlen.

    Auch das ist eine Regelung der ICAO.

    Die Frage der kerosinsteuer kann nur international gelöst werden

  5. 57.

    "Würde man eine kerosinsteuer einführen, gilt diese nur fürs tanken in Deutschland. Kerosin, welches sich bei der Landung im Flieger befand, ist steuerfrei."

    "Es würde sich ein Tanktourismus entwickeln. Die Airlines tanken dann im Ausland. Und was wäre dann gewonnen? Nichts.."

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein ernsthaftes Problem wäre, denn die Flieger haben immer nur die benötigte Menge an Kerosin plus eine Sicherheitsreserve an Bord und versuchen immer so leer wie möglich zu landen, weil das nun mal risikoärmer ist. Deswegen wird ja auch bei manchen Flügen, die umdrehen müssen oder bei einer Notlandung vorher Kerosin in der Luft abgelassen. Dementsprechend müssten Sie dann eben auch nach der Landung in Deutschland wieder betankt werden oder sie würden Deutschland erst gar nicht mehr anfliegen.

  6. 56.

    Neo, denken Sie, dass eine deutsche Insellösung überhaupt etwas bringt?

    Würde man eine kerosinsteuer einführen, gilt diese nur fürs tanken in Deutschland. Kerosin, welches sich bei der Landung im Flieger befand, ist steuerfrei.

    Es würde sich ein Tanktourismus entwickeln. Die Airlines tanken dann im Ausland. Und was wäre dann gewonnen? Nichts..

    Sie schreien mit dem Fliegen ein Problem zu haben, ebenso mit der Realität.

  7. 55.

    Neo, wieso weisen Sie die richtigen Ausführungen von Martin zurück?

    Rechtlich gesehen, hat er völlig Recht. Die Regelung des ICAO zum Verbot der Kerosinbesteuerung auf internationalen Flügen hat er richtig dargestellt.

    Anstatt in einer grünen Ökoblase zu leben, sollten Sie sich mit Fakten und der Realität beschäftigen.

    Ahnung von den Regelungen des ICAO haben Sie definitiv nicht

  8. 54.

    Beschäftigen Sie sich mal mit den Regelungen, Vorschriften des ICAO.

    Eine Besteuerung von Kerosin auf internationalen Flügen kann es nicht geben. Selbst ein dementsprechendes deutsches Gesetz wäre unzulässig

    Letztlich wird die Besteuerung von Kerosin für internationale Flüge nie kommen. Oder glauben Sie ernsthaft, dass sich im weltweiten Geschäft mit dem Fliegen irgendjemand für Ökos interessiert?

    Natürlich kann man nur deutsche Airlines auf innerdeutschen Flügen mit einer Steuer belegen.

  9. 53.

    Hey, wir sind hier einer Meinung, danke für Ihren Kommentar. Ich kann mich Ihnen in allem nur anschließen. Ich fahre auch gerne mit der Bahn und werde das Angebot bestimmt irgendwann ausprobieren.

  10. 52.

    Alles unsubstantiiierte Gedankenspiele, bar jeder Vernunft und Grundlage. Oder hat hier wer Angst um seine Fernflüge?

  11. 51.

    Die Vorschriften der ICAO können nur weltweit geändert werden.

    Dann würde zwar eine kerosinsteuer gezahlt werden, gleichzeitig werden die Airlines von Startgebühr, Landegebühr, Handlinggebuhr befreit. Diese Kosten zahlen dann igentümer und Betreiber der Flughafen

    Man kann für deutsche Airlines und nur für Flüge innerhalb Deutschlands eine kerosinsteuer erheben. Das wäre das Aus für deutsche Airlines und Jobverlust, Steuerveekust folgen. Den Markt übernehmen dann nichtdeutsche Airlines.

  12. 50.

    Eine Einführung der Kerosinsteuer würde die Finanzierung der Kosten für Flughäfen verändern. Jetzt ist Kerosin steuerbefreit und die Airlines zahlen Staat- und Landegebühr. Kommt die kerosinsteuer, zahlen Airlines keine srart- und Landegebühr. Übrigens kann man die Regelung der ICAO nur weltweit mit Zustimmung aller Airlines ändern. Man kann innerdeutsche Flüge deutscher Airlines besteuern. Folge: Jobverlust, Steuerverlust ect.

  13. 49.

    Und das ist der Fehler im System. Ich darf steuerbefreit meinen Hintern auf internationalen Flügen das Klima killen helfen, soll aber mein Auto stehen lassen, weil ich sonst der Böse bin. Solange die ICAO diesen Schwachsinn mitmacht, sollten LG, XR und andere die die mal blockieren, WHO, UNO und mehr die ICAO unter Druck setzen, diesen Irrsinn der Steuerbefreiung zu stoppen.

  14. 48.

    Eine kerosinsteuer auf internationale Flüge verbietet die UN Luftfahrtorganisation ICAO. Deutschland darf nur für deutsche Airlines auf innerdeutschen Flügen eine kerosinsteuer erheben. Das wurde aber deutsche Airlines von Markt drängen.

    Leider vergessen das viele Bürger ganz gerne mal.

  15. 47.

    Natürlich ist 169 Eur viel zu teuer. Schon mal geschaut, was ein Flug kostet?

    Das man das Hotelzimmer spart fällt weg, denn diese Abteile sind nun wirklich nicht mit einem Hotelzimmer vergleichbar.

    Übrigens muss man dieses Abteil erstmal für 169 Eur bekommen. Ich habe letztes Jahr 249 Euro für dieses Abteil auf der Strecke bezahlt. Übrigens mit BC.

  16. 46.

    Die UN Luftfahrtorganisation ICAO verbietet Kerosinsteuer auf internationalen Flügen. Daher darf Deutschland auf diese Flüge keine Steuer erheben.

  17. 45.

    Natürlich muss der Ticketpreis gesenkt werden.

    Außerdem darf Deutschland nur eine kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge einführen. Das wird aber nicht kommen, da dann deutsche Airlines erheblich benachteiligt werden.

    Eine kerosinsteuer auf internationale Flüge darf Deutschland nicht erheben.

    Dieser Umstand wird ganz gerne mal vergessen.

  18. 44.

    "Das ist in einer Markwirtschaft nicht absurd. Der Gedanke klingt doch eher nach einer planwirtschaftlichen Lenkung mit einer staatlichen Preiskommission."
    Eigentlich überhaupt nicht. Für mich klingt das nur nach einer Erweiterung des Begriffes Soziale Marktwirtschaft um das kleine Wörtchen "ökologisch" in der eben alle Kosten eines Handelns im Produkt eingepreist werden. Nicht nur diejenigen die dem Betreiber direkt entstehen. Wobei das soziale ja immer mehr in den Hintergrund rückt.
    Das was wir bisher haben ähnelt eher der Plankommission weil staatlich gelenkt bestimmte Bereiche bevorteilt und andere benachteiligt werden ohne die gesamtgesellschaftlichen Kosten hinreichend zu berücksichtigen.

  19. 43.

    Die Preise bei der Bahn zu senken ist der verkehrte Ansatz. Einfache Buchung. Und endlich eine Kerosinsteuer. Dann renkt sich alles ein.

  20. 42.

    "Einzelabteil Berlin - Budapest mit BC für 169 Eur ist deutlich zu teuer"
    Ich fall vom Stuhl - was ist denn an 169 Euro unangemessen, für die Sie in einem Einzelabteil von Berlin nach Budapest kutschiert werden - und das über Nacht, so dass Sie eine Übernachtung sparen und früh gleich da sind?
    Das sind ja Maßstäbe... :-)

Nächster Artikel