An der Tanke in Brandenburg - "Ich bin einer, der Diesel fährt und Elon Musk gut findet"
Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: ein Mann, der stolz darauf ist, wie viel er arbeitet und sich in seiner Meinungsfreiheit beschränkt fühlt.
rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.
Ich wohne sehr gemütlich mitten in der Stadt Cottbus im Grünen. Wir haben das Haus meiner Eltern für uns umgerüstet. Mir gefällt die Nähe zur Stadt. Ich brauche nicht permanent das Auto, ich kann auch mal mit dem Fahrrad irgendwo hinfahren. Oder meine Freunde treffen auf ein Bierchen und brauche kein Taxi dafür. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind miserabel im Außenbereich. Innerhalb der Stadt ist es ok.
Weste, schmaler Kinnbart - er hängt den Zapfhahn zurück an die Säule. Obwohl er fertig ist mit Tanken und der Wind eisig fegt, möchte er weiter reden.
Cottbus gefällt mir sehr gut. Es hat sich in den letzten Jahren zum Guten verändert. Wir haben eine schöne Altstadt, die saniert wurde. Wir haben tolle Theater, Kinos und viele Veranstaltungen. Das ist alles in Ordnung. Nicht in Ordnung ist die Stimmung.
Neben den Zapfsäulen sprüht jemand mit starkem Druckstrahl die Autowaschanlage von außen ab. Ein Truck wendet dahinter. Es wird richtig laut. Was ist nicht in Ordnung mit der Stimmung?
Na, viele Menschen haben Zukunftsängste. Mir gehts sehr gut, ich kann nicht klagen. Aber ich sehe, dass es vielen Menschen nicht so gut geht. Und es gibt in der Politik keine Lösungsansätze dafür. Ich bin wahrscheinlich die Klientel, die sie nicht unbedingt hören möchten. Aber mir geht es hervorragend, ich habe vorgesorgt, ich habe viele Jahre viel gearbeitet in meinem Leben.
Ich arbeite im Außendienst einer Firma, die Sandstrahl-Anlagen baut. Jetzt bin ich auf dem Weg nach Rostock, da geht es um Offshore-Korrosionsschutz. Dass es mir so gut geht, ist auf jeden Fall auch materiell bedingt.
Als meine Kinder klein waren, bin ich jeden Tag nach Berlin zur Arbeit gefahren, zehn Jahre lang. Früh um fünf Uhr aufgestanden, abends um sieben, acht Uhr zu Hause. Ich habe mein neu gebautes Haus im Winter nur im Dunkeln gesehen, meine Kinder haben geschlafen, aber ich habe mir ein Leben aufgebaut - mit allen Höhen und Tiefen.
Fürs nächste Jahr wünsche ich mir Gesundheit und endlich, endlich Kriegsende. Das ist das Allerwichtigste, ich könnte wahnsinnig werden, wenn ich sehe, was in der Welt los ist. Wie man das unterstützt, dass die Menschen sich gegenseitig erschießen.
Ich war drei Jahre lang in der Armee in der DDR. Ich weiß wie es ist, mit einem Panzer zu schießen. Und ich weiß, wie es ist, wenn so eine Granate einschlägt, aber nur auf dem Feld. Jeder, der irgendwo ein bisschen Sinn für Gerechtigkeit hat, sollte aufhören, Kriegstreiberei zu betreiben.
Er spricht jetzt schneller, eindringlicher, sagt selbst, wie bewegt er ist.
Jetzt zittere ich schon wieder. Zigtausende Menschen werden dort abgeknallt für Nichts und wieder Nichts. Keine Frage, der Ukraine-Krieg ist ein Angriffskrieg. Aber ich kann es nicht verstehen, dass man in irgendeiner Form die Ukraine mit Waffen beliefert. Es ist nicht möglich Russland auf kriegerischem Weg durch die Ukraine und mit unseren Steuergeldern in die Knie zu zwingen. Das ist meine persönliche Überzeugung. Haben Sie Kinder? Stellen Sie sich vor, die wären in einem wehrfährigen Alter.
Diese Menschen, die diesen Krieg befürworten, indem sie Waffen hinschicken, gießen Öl ins Feuer. Die sollten ihre Kinder hinschicken. Ich sage ihnen: Wehrpflicht für die Leute, die der Meinung sind, man müsste dort Waffen hinschicken, sofort ihre Kinder an die Front und der Krieg ist beendet. Meiner Meinung nach. Klingt hart, aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht, weil die verstehen es nicht.
Ich sage Ihnen, warum es mir gut geht: Ich habe finanzielle Vorbildung. Mein Großvater hat sein Kapital unter anderem durch Aktien aufgebaut. Von ihm habe ich gelernt. Ich habe keine Aktie aus dem Pharmabereich, ich habe keine Aktie aus dem Militärbereich, weil ich ein Gewissen habe. Ich hätte viel Geld machen können damit. Und wie Aktienkonzerne mit dem Krieg zusammenhängen, dafür interessiere ich mich seit Corona, richtig tiefgründig. Mich interessiert es zu fragen, wer profitiert von dem Krieg in der Ukraine? Der Putin nicht. Die Ukrainer nicht. Einfach mal überlegen.
Er macht eine Pause. Schließlich antwortet er sich selbst.
Wenn man bei gewissen Konzernen ins Impressum guckt und sieht, wer Anteile bei anderen Konzernen hat, welche Aktienstrukturen dahinter stecken, dann weiß man, wer davon profitiert. Das muss gestoppt werden. Wie gesagt, ich hätte viel Geld verdienen können, indem ich von vornherein auf solche Aktion gesetzt hätte. Aber ich habe ein Gewissen.
Trotzdem geht es mir wirtschaftlich sehr gut, keine Fragen. Das ist natürlich nicht alles. Die jungen Menschen denken immer Geld, Geld, Geld. Man muss nicht reich sein. Man muss sich zufrieden fühlen mit dem, was man hat. Bei dem einen ist es mehr, bei einer wenig, das ist ok. Aber Geld beruhigt. Ich brauche nicht irgendwo Flaschen sammeln gehen, wie manche Rentner, die dieses Land aufgebaut haben. Egal, ob in West- oder Ostdeutschland.
Meine Kinder sind leider weit weg. Das macht mich sehr traurig. Eine Tochter ist am Bodensee. Mein Sohn ist in Wolfsburg. Sie wissen ja, was da los ist bei VW. Das ist für mich sehr, sehr bedenklich, was im Moment in der Wirtschaft passiert, und es wird nicht besser.
Ich habe nichts gegen Ausländer oder Migranten. Sie haben gerade von mir gehört, ich arbeite viel, tue was für mein Geld, das erwarte ich verdammt nochmal von anderen auch. Ich erwarte, dass nicht mein Erspartes weggenommen wird für andere, die nichts möchten. Wenn die arbeiten und fleißig sind, super.
Ich gehe zum Türken, ich geh zum Griechen, ich geh zum Italiener. Ich fahre jetzt zum Beispiel an die Ostsee, ich gehe heute Abend mit einem Kunden essen und wir gehen in ein italienisches Restaurant, wir waren schon öfters da. Da ist ein Syrer, der uns immer bedient. Wir sind schon per du. Super. Er lebt seit acht Jahren in Deutschland, spricht gutes Deutsch, ist integriert. Genial.
Waren Sie mal in Cottbus? Gehen Sie mal vormittags in die Stadt, ins Einkaufszentrum.
Seine Stimme wird leiser. Komplizenhaft.
Da sehen Sie ganz, ganz viele Leute, die mit dem Handy rumdaddeln, die keine Arbeit haben, die scheinbar auch nicht arbeiten wollen. Woran es liegt, weiß ich nicht. Das kann natürlich auch die Politik sein. Sie sind auf jeden Fall da.
Ich war gestern mit ein paar Motorrad-Kumpels unterwegs. Wir sind keine Hells Angels oder sowas, aber alte Freunde, die sich 40 Jahre kennen. So ungefähr 30 Leute und wir haben alle dieselbe Meinung. Wir sind natürlich in einem Alter, sodass wir es noch anders kennen. Und wir erkennen dieses Land nicht mehr wieder. Wir haben uns nach der Wende Freiheit gewünscht. Die haben wir auch gehabt. Aber was uns frustriert ist, dass mittlerweile die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist. Welche Menschen sagen jetzt Ihre Meinung?
Das sind aus meiner Sicht immer nur Menschen, die es sich leisten können, die keine Angst vor Repressionen haben müssen, vor Denunziation oder sonst irgendwas. Jemand, der angewiesen ist, finanziell abhängig ist von jemandem, der kann nichts sagen. Er hat einfach Angst um seinen Job. Nehmen wir einfach mal an, Sie würden die AfD wählen und würden das in Ihrer Redaktion kundtun. Ich glaube nicht, dass wir dann hier für den rbb ein Gespräch führen würden. Dann würden Sie ganz schnell weg sein, da bin ich mir sicher. Und das ist nicht in Ordnung. Wir hatten das schon mal, dass man seine Meinung nicht offen sagen konnte. Ich sehe vor allem in der Presse nicht die Offenheit, die es bräuchte, um sich ein vernünftiges Bild zu machen.
Mein Dienstwagen hier, das ist ja ein SUV, ein Diesel, gefällt er Ihnen?
Er lacht.
Jetzt könnte man denken, ich mag gar keine E-Autos. Ist aber nicht so. Ich bin ein totaler Fan von Tesla. Kann man nicht verstehen, oder? Der Elon Musk ist permanent als Bösewicht in den Zeitungen. Ich bin einer, der einen Diesel fährt, und dann auch noch einen SUV und dann auch den Elon Musk gut findet. Kann man nicht verstehen. Ja. Ist aber so. Ich kann keinen Tesla fahren, ich muss jetzt nach Rostock, heute Abend wieder zurück, das geht mit einem Tesla nicht.
Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24