Mehr Lehrkräfte für Brandenburg - Das Landlehrerstipendium ist klein und heiß begehrt

Do 12.10.23 | 08:37 Uhr
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Symbolbild: Die neuen Studenten für das "Lehramt Primarstufe" an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) sitzen am 09.10.2023 zur Begrüßung in einem Hörsaal. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.10.2023 | Torsten Sydow | Bild: dpa/Patrick Pleul

Mit dem Landlehrerstipendium will Brandenburg den Lehrkräftemangel in ländlichen Regionen abmildern. Es wurde aufgestockt, wenn auch nur auf kleinem Niveau. Für die Studierenden, die es ergattern, ist es ein Glücksfall. Von Andreas B. Hewel

  • Programm für Landlehrerstipendien startete vor zwei Jahren
  • Ziel: junge Lehrkräfte gezielt für Schulen in ländlichen Regionen gewinnen
  • aktuell werden pro Schuljahr 40 Stipendien vergeben
  • Studierende und Schulen sollen möglichst gut zusammenpassen für langfristige Zusammenarbeit

"Herr Fischer, Herr Fischer!" Die Kinder der Grundschule am Dachsberg in Premnitz (Havelland) hält es nicht mehr auf ihren Sitzen. Sie springen auf und jubeln ihrem Musiklehrer zu. Dabei ist der Anlass für Kinder eher unspektakulär. Fritz Fischer - so heißt der Musiklehrer wirklich und er ist stolz darauf - steht vorne auf einer Bühne im Alten Rathaus in Potsdam und bekommt eine Urkunde überreicht. Er hat erfolgreich sein Landlehrerstipendium abgeschlossen.

Damit hat er teilweise sein Lehramtsstudium für Musik und Mathe finanziert. Jetzt wird er Vollzeitkraft in der Grundschule in Premnitz und das ist es, was die Kinder hier so begeistert. Sie lieben ihren Herrn Fischer und dafür bekommt er tosenden Applaus.

Landlehrerstipendium ist oft ein Glückfall für die Studierenden

Bereits vor zwei Jahren hat Fritz Fischer angefangen, in der Grundschule am Dachsberg in Premnitz zu unterrichten. Das war noch während seines Studiums. Damals gehörte er zu den ersten, die das neu eingeführte Landlehrerstipendium nutzten. Dass das Stipendium ihn auch dazu verpflichtete, ein vierwöchiges Praktikum zu machen, sowie ein Praxissemester und den Vorbereitungsdienst an einer vorgegebenen Schule auf dem Land zu absolvieren, das störte ihn nicht - im Gegenteil.

Fritz Fischer kommt aus Brandenburg an der Havel und auf dem Land leben wollte er schon immer. "Hauptgrund ist tatsächlich einfach dieses Wohlfühlen auf dem Land", sagte er schon zu Beginn seines Stipendiums vor zwei Jahren dem rbb. "Als ich noch Kind war, hat man den Lehrer, wenn man ihn in der Freizeit irgendwo getroffen hat, halt gegrüßt. Und ich finde die Vorstellung für mich ganz schön, dass ich das irgendwann bin." Das ist ihm offenbar inzwischen gelungen.

Ziel: mehr Lehrkräfte auf dem Land

Mit dem Landlehrerstipendium will das Bildungsministerium neue junge Lehrkräfte gezielt für Schulen in ländlichen Regionen gewinnen. Den Stipendiatinnen und Stipendiaten winkt ab dem fünften Semester ihres Lehramtsstudiums eine monatliche Unterstützung von 600 Euro bis zum Ende ihrer Regelstudienzeit.

Dafür verpflichten sie sich, nach ihrem Studium zu einer Lehrtätigkeit an einer sogenannten Bedarfsschule. Die Dauer entspricht mindestens der Länge, wie das Stipendium gewährt wurde. Im Maximalfall sind das drei Jahre. Die Hoffnung aber ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer danach weiter auf dieser Schule bleiben.

Wir merken jetzt an den Bewerbungen, die wir haben, dass das ein guter Weg ist, dass er sehr gut von den jungen Menschen angenommen wird.

Claudia Zinke, Staatssekretärin im Bildungsministerium

So viele Stipendien wie noch nie

Genau genommen sind es nicht nur klassische Landschulen, es sind die Schulen in den berlinfernen Regionen. Die Schulen selbst müssen einen Bedarf anmelden. Knapp 100 haben das getan. Die Nachfrage nach jungen Lehrkräften ist groß, größer als das Förderprogramm selbst. Vor zwei Jahren startete es mit 25 Stipendien pro Schuljahr. Die wurden jetzt auf 40 aufgestockt. 38 davon konnten dieses Jahr besetzt werden.

Für die Staatssekretärin im Bildungsministerium, Claudia Zinke, ist das ein Erfolg. "Wir merken jetzt an den Bewerbungen, die wir haben, dass das ein guter Weg ist, dass er sehr gut von den jungen Menschen angenommen wird", bilanziert Zinke das Stipendium. "Und was noch schöner ist, wir haben auch gleich die passenden Bedarfsschulen dafür aus den ländlichen Regionen."

Dass nicht alle Stipendien vergeben werden konnten, liegt nicht an mangelndem Interesse von Studentinnen und Studenten. Über 60 hatten sich beworben. In dem Programm wird versucht, darauf zu achten, dass die Studierenden und die Schulen möglichst gut zusammenpassen. Das ist nicht immer einfach. Nur so aber hofft man, langfristig Lehrkräfte an den Schulen auf dem Land halten zu können.

Stipendienprogramm geht ins dritte Jahr

Viele der neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten sind ebenfalls nach Potsdam ins Alte Rathaus gekommen. Sie werden zu ihrem Stipendium offiziell beglückwünscht, so auch Johanna Thor aus Finsterwalde. In Halle studiert die 20-Jährige Deutsch, Mathe und Englisch. Über das Stipendium hat sie schon jetzt die Garantie, nach dem Studium an ihrer Lieblingsschule in Finsterwalde unterrichten zu können, eine Win-Win-Situation. "Das ist meine alte Grundschule und meine Heimat", sagt sie. "Und da sehe ich auch später meine Perspektive und freue ich mich darauf, später wieder hinzuziehen." Das Leben auf dem Land sei eh ihr Ding. "Ich mag das Persönliche auf dem Land, dass man sich kennt. Die Distanzen sind nicht so groß. Diese Anonymisierung in der Stadt, die würde mich stören."

Yvonne Kapala kennt die Stadt. Sie kommt ursprünglich aus Berlin-Charlottenburg. Schon vor Jahren aber ist sie mit ihrer Familie nach Brück gezogen in Potsdam-Mittelmark. Jetzt studiert die 35-Jährige Deutsch, Sachkunde und Gesellschaftswissenschaften, ebenfalls auf Lehramt. Das Stipendium kommt ihr gerade recht. Ihre Bedarfsschule ist in Treuenbrietzen, das ist von ihrem Zuhause gerade mal eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt. Wieder Win-Win. "Ich bin sehr froh, dass ich die Chance hatte, mir bereits eine Schule aussuchen zu können", freut sie sich sichtlich, "und dass ich diese Schule dann auch drei Jahre lang definitiv besuchen darf, um dort zu arbeiten. Und ich hoffe, dass daraus dann auch noch mehr Jahre werden."

Ich mag das Persönliche auf dem Land, dass man sich untereinander kennt. Die Distanzen sind nicht so groß. Diese Anonymisierung in der Stadt, die würde mich persönlich stören.

Yvonne Kapala, Lehramtsstudentin aus Brück (Potsdam-Mittelmark)

Stipendienprogramm nur schwer auf Erziehungsbereich übertragbar

Doch so gut das Landlehrerstipendium auch für eine Verbesserung des Lehrkräftemangels gerade in ländlichen Regionen ist, eine Blaupause für andere Bereiche ist es nicht unbedingt. So fehlen besonders jenseits des Speckgürtels auch Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas. Anders als bei Lehrkräften sind für die Kitas nicht das Land, sondern die Kommunen zuständig und die rund 750 Träger der Kindertagesstätten. Zudem wird die meist fünfjährige Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher nicht nur nicht bezahlt, oft kostet sie sogar noch etwas.

Vergütung der Ausbildung zur Erzieherin gefordert

Für die Fraktionsvorsitzende von Bündis90/ Grüne, Petra Budke, müsse man hier den Hebel ansetzen. "Ich denke, das wäre der erste Schritt, den wir gehen müssen, dass die Auszubildenden in Erzieherfachschulen, die in freier Trägerschaft sind und Schulgeld erheben, davon befreit werden. Dass es erstmal möglich ist, eine völlig kostenfreie Ausbildung zu machen. Und dann müssen wir perspektivisch darüber nachdenken, dass eine Ausbildungsvergütung in den Kitas gezahlt wird, so wie in allen anderen Berufsausbildungen auch."

Berufsbild für Erzieherinnen zu unattraktiv

Das fordert auch die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Dannenberg. Zudem aber müsse auch der ganze Beruf als Erzieherin wieder attraktiver werden. "Im Schnitt verlassen 1.500 Erzieherinnen jedes Jahr den Beruf", mahnt Dannenberg. "Das ist natürlich ein Warnzeichen. Wir müssen schauen, warum sie das tun. Das konnte uns das Bildungsministerium bisher noch nicht genau sagen. Wir vermuten, dass es die Rahmenbedingungen sind."

Das fürchtet auch Kristy Augustin aus der CDU-Landtagsfraktion. Das gesamte Umfeld für Erzieherinnen und Erzieher müsse verbessert werden. "Wir müssen schauen, dass das ganze Umfeld passt, dass die Einrichtung passt, dass die Bezahlung passt, dass man wirklich gern wieder Kita-Erzieherin ist."

Landlehrerstipendium kann voll aufgehen

Wie gut wiederum für Lehrkräfte das Landlehrerstipendium aufgehen kann, zeigt sich beim Musiklehrer Fritz Fischer. Zur Begrüßung der neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten in Potsdam ist seine Grundschulklasse aus Premnitz mitgereist. Jetzt gehört ihnen die Bühne. Sie singen aus voller Kehle und spielen kleine Sketche. Und sie strahlen ins Publikum und strahlen den an, der sie auf dem Flügel begleitet, ihren Herr Fischer. Und Herr Fischer, der strahlt zurück.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.10.2023, 15:20 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Ergebnisorientiert: wenn nach ein paar Jahren keine Verbesserung des Fachkräftemangels festzustellen ist kann man das Stipendium abschaffen und muss sich was anderes überlegen. Wenn eine Verbesserung zu beobachten ist bezahlt man ein paar Statistiker um die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität mit dem Stipendium festzustellen und schafft es ab falls sowas nicht zu finden ist.

  2. 9.

    Wenn man so eine Verpflichtung einführt, studieren dann einfach alle im Ausland. Wer weiß, vielleicht gefällt es denen dann ja z.B. in Wien besser als in Deutschland. Oder gleich BWL, das ist dann auch nicht so anstrengend und verdienen kann man damit auch gut. Vielleicht sollten wir uns als Gesellschaft langsam damit anfreunden, dass die Versorgung im ländlichen Raum entweder schlechter oder teurer, oder beides ist, als in der Stadt.

  3. 8.

    „Wir müssen schauen...“ und „Wir müssen darüber nachdenken...“
    Das sagt alles aus... und bedarf keiner Analyse.

  4. 7.

    Liebe Studentinnen und Studenten,
    ich bin auf eine kleine Schule auf dem Land gegangen und nach allem, was ich so aus den größeren Städten höre, ist das Arbeitsklima auf dem Land wesentlich angenehmer.
    Ja, die Freizeitmöglichkeiten sind dort weniger, aber erstens habt ihr als Lehrer sowieso weniger Freizeit und wenn, freut ich euch mehr auf Ruhe als auf eine Clubnacht und zweitens werdet ihr auch irgendwann älter und genießt die Vorzüge des Landlebens, w.z.B. billigere Wohnungen, gerade für Familien.

  5. 6.

    Ein Lehramts- und auch ein Medizinstudium kostet nicht nur die Semestergebühr... es kostet einiges mehr und dies finanziert die Allgemeinheit. Daher verstehe ich das alles nicht. Wer Medizin oder Lehramt studiert, muss verpflichtet werden, einen gewissen Zeitraum im ländlichen Raum zu arbeiten. Diese Abwanderung in Ballungsräume kann nur so abgefedert werden. Und bevor wieder einer Schreit, niemand braucht den ländlichen Raum... Kommt doch mal ohne Kartoffeln, Getreide oder ander Güter des täglichen Bedarfs aus...

  6. 5.

    "Das ist natürlich ein Warnzeichen. Wir müssen schauen, warum sie das tun. Das konnte uns das Bildungsministerium bisher noch nicht genau sagen. Wir vermuten, dass es die Rahmenbedingungen sind."

    Fragt doch die Leute einfach, warum sie gehen. Oder ist das zu einfach?
    Man könnte natürlich noch ein mehrjähriges multiprofessionelles Forschungsprojekt daraus machen und jede Menge Papier beschreiben, inklusive Austauschkonferenzen mit anderen Bundesländern.

  7. 4.

    Gibt es eigentlich irgend etwas auf diesem Planeten, was nicht benörgelt werden muß?

  8. 3.

    Irgendwie ist das wie mit Ärzten. Ich halte die Stipendien für angebracht, denn es mangelt an Ärzten und Lehrern.
    Es ist nicht wichtig, ob die jungen Fachkräfte sowieso aufs Land wollten, sondern dass sie bleiben und wenn sie bleiben, ist das ein Gewinn für alle.
    Nicht jeder Stadtmensch kann sich mit den Lebensumständen auf dem Land anfreunden und mag die Anonymität in der Großstadt. Das läuft auf dem Land etwas anders und wesentlich entspannter, trotz einiger Probleme. Ich denke Berlin hat größere mit Schülern und Eltern.

  9. 1.

    Wenn man das Stipendium an Lehrer wie Herrn Fischer gibt, die von vorneherein Landlehrer werden wollen, erhält man dadurch keine zusätzlichen Lehrer auf dem Land. Die wären ja auch ohne Stipendium auf dem Land geblieben.

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