Mitglieder-Entwicklung der Parteien - Berliner AfD profitiert offenbar von Geheimtreffen mit Rechtsextremen

Di 30.01.24 | 07:34 Uhr | Von Agnes Sundermeyer
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Symbolbild: Abstimmung auf AfD-Bundesparteitag. (Quelle: dpa/dts)
Video: rbb24 Abendschau | 30.01.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/dts

Als einzige im Berliner Abgeordnetenhaus vertretene Partei hat die AfD 2023 deutliche Zugewinne bei den Mitgliedern verzeichnet. Und: Von dem Geheimtreffen mit Rechtsextremen hat sie offenbar profitiert, wie eine Exklusiv-Recherche des rbb zeigt. Von Agnes Sundermeyer

Zehntausende Menschen demonstrierten zuletzt auf den Straßen - gegen Rechtsextremismus und die AfD. Auslöser waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerks "Correctiv" über ein Geheimtreffen zwischen Vordenkern der rechtsextremen Szene und AfD-Politikern, bei dem unter anderem über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wurde. Die AfD steht seitdem unter großem Erklärungsdruck. Ihren Mitgliederzahlen aber scheinen die Berichte nicht zu schaden.

Profile der Mitglieder

Dem rbb liegen auch aktuelle Zahlen zum Alter und der Geschlechterverteilung der Parteimitglieder vor:

Beim Altersdurchschnitt zeigen sich keine Veränderungen. Im Durchschnitt sind die Parteimitglieder zwischen 40 und 60 Jahren alt. Die größten Unterschiede gibt es bei AfD und Grünen.

Den größten Anteil älterer Mitglieder über 60 Jahre hat die AfD mit knapp 41 Prozent. Die jüngsten Mitglieder haben die Grünen: 48 Prozent ihrer Mitglieder sind unter 40 Jahre alt, dicht gefolgt von der Linken mit 42 Prozent.

Den größten Frauenanteil unter den Mitgliedern haben aktuell weiterhin die Grünen mit knapp 43 Prozent, gefolgt von der Partei Die Linke. Die wenigsten Frauen unter den Mitgliedern gibt es bei der AfD mit knapp 20 Prozent.

Zulauf seit Enthüllungen

Denn nur wenige Wochen seit der Veröffentlichung über das Geheimtreffen hatte die AfD einen vergleichsweise großen Zulauf an Mitgliedern. Dem rbb liegt exklusiv vor, dass seit dem 10. Januar, dem Datum der Veröffentlichung über das Treffen in der Potsdamer Villa Adlon, innerhalb von drei Wochen 63 Anträge auf eine Mitgliedschaft und drei Austrittsgesuche eingegangen sind. Das entspricht fast einem Viertel des gesamten Zuwachses im Jahr 2023. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl an Berliner AfD-Neumitgliedern im Jahr 2023 betrug 289 Mitglieder.

Bundesweit sieht es ähnlich aus: Im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen wollten seit den "Correctiv"-Veröffentlichungen laut Landesverband 250 Menschen der AfD beitreten, in Hessen 99, in Sachsen-Anhalt und Hamburg rund 50. Sechs AfD-Landesverbände wollten keine Mitgliederzahlen übermitteln.

Parteienforscher erkennt Strategie der Selbstbehauptung

Dass Menschen trotz der vielen Demos gegen Rechtsextremismus in die AfD eintreten wollen, überrascht Wolfgang Schroeder, Politologe und Parteienforscher an der Uni Kassel, nicht: "Das ist so eine Strategie der Innen-Schließung. Da wird der Eindruck erweckt: Wir müssen uns wehren. Das ist ein Moment der Selbstbehauptung."

Ähnlich erklärt es sich auch die AfD: Laut dem Berliner Parteisprecher Ronald Gläser begründeten viele der potenziellen Neumitglieder ihre Anträge damit, dass sie nun erst recht einer "Hetzkampagne gegen die AfD" entgegentreten wollten.

AfD legt deutlich zu, SPD verliert

Im Vergleich mit den anderen im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien verzeichnete die AfD als einzige deutliche Zugewinne im vergangenen Jahr. Ihre Mitgliederzahlen stiegen von 1.047 im Jahr 2022 auf 1.336. Das entspricht einem Plus von 28 Prozent.

Als einzige Partei verzeichnete die SPD deutliche Verluste: Sie hat im vergangenen Jahr 878 Mitglieder verloren, das entspricht fünf Prozent. Die Mitgliederzahlen von CDU, Grünen, und Linken stiegen leicht. Die CDU gewann 86 neue Mitglieder, die Linke 85 und die Grünen 18.

"SPD hat kein Profil mehr"

Experte Wolfgang Schroeder, der auch Mitglied der SPD ist, macht für die Verluste der der SPD das mangelnde Profil der Partei verantwortlich: "Die SPD ist überhaupt nicht bereit, sich an brenzlige Themen ranzumachen." Dazu gehöre, dass mehr Menschen arbeiten müssten, anstatt nur Sozialleistungen zu beziehen. "Die SPD redet aber der Alimentierung das Wort, nicht der Arbeit."

Die Schwäche der beiden ehemaligen Volksparteien CDU und SPD lasse Raum für neue politische Parteien, so Schroeder, was aktuell vor allem im konservativen Spektrum für Dynamik sorge. Immer mehr Parteien zu haben, mache das Bilden von Regierungskoalitionen natürlich schwieriger, so Schroeder. Von Zuständen wie etwa in den Niederlanden mit mehr als einem Dutzend Parteien im Parlament sei Deutschland aber weit entfernt - von einer "Nicht-Regierbarkeit" des Landes könne man also nicht sprechen, so der Parteienforscher.

Die Demonstrationen der letzten Wochen sind laut Schroeder trotz des Mitgliederzuwachses der AfD nicht vergebens gewesen: Mit dem Protest habe die Mitte der Gesellschaft gezeigt, dass Rechtsextremisten nicht für die Mehrheit der Bevölkerung sprechen.

Update +++ 31. Januar 2024

Nach Correctiv-Enthüllungen - Auch Zulauf bei Berliner SPD, Grünen und Linke

SPD, Grüne und Linke haben nur wenige Wochen nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherche einen deutlichen Zuwachs bei den Mitgliederanträgen. Seit dem 10. Januar, dem Datum der Veröffentlichung über das Geheimtreffen mit Rechtsextremen in der Potsdamer Villa Adlon, sind bei den Berliner Grünen und der Partei Die Linke innerhalb weniger Wochen mehr Anträge eingegangen, als im gesamten vergangenen Jahr.

Die Grünen verzeichnen ein Plus von mehr als 250, die Linke ein Plus von 162 Anträgen. Das ist ein Vielfaches ihres Gesamtzuwachses im vergangenen Jahr. Der betrug bei den Grünen 18 Mitgliedern und bei der Linke 85. Die SPD hatte laut Angaben eines Parteisprechers etwas über 100 Anträge seit den Veröffentlichungen von Correctiv.

Sie hatte als einzige der Berliner Parteien im vergangenen Jahr Mitglieder verloren.

Die CDU konnte auf Nachfrage keine tagesgenaue Auskunft zu ihren Mitgliederzahlen geben.

Sendung: rbb24, 30.01.2024, 13:00 Uhr

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Beitrag von Agnes Sundermeyer

21 Kommentare

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  1. 21.

    Gut Argumente für ein Verbot von der faschistischen AfD gibt es zwar schon genug, aber nun sollte es auch kein großes Beweisproblem mehr geben.

  2. 20.

    Ja, weiter so! Damit man Menschen endlich wieder nach ihrem Äußeren beurteilen und beleidigen kann, weil man selbst mit seinem Lebenunzufrieden ist. Ja, weiter so!

  3. 19.

    Werden bei den Wahlen neuerdings die Mitgliederzahlen gezählt?

  4. 18.

    Die Überschrift könnte auch passender „AfD profitiert von der Berichterstattung…“ lauten.
    Und genau ihr Umgang mit Meldungen ist die Triebfeder dieser Entwicklung

  5. 17.

    Ich finde es wäre mehr als einen Gedanken wert zu schauen, dass in der AfD der Anteil an Älteren und vor allem der Anteil an Männern (80 Prozent) am höchsten ist. Müssen sich jetzt ältere (fast hätte ich weiß geschrieben) Männer noch mal irgendwas beweisen oder tragen sie dieses Gedankengut schon sehr, sehr lange mit sich rum und freuen sich deshalb, in solch einer Partei sein zu können?

  6. 16.

    Die Union kann sich ein Einreißen der Brandmauer nicht mehr leisten, nach dem sich die AfD in den letzten Wochen derart demaskiert hat. Jeder der meint mit der Wahl der AfD eins auswischen zu wollen, wird als Ergebnis eine Schwarz-Rot-Grüne Landesregierung bekommen.

  7. 15.

    ....und 80 Prozent sind männlich. Das sagt doch auch einiges aus. Von wegen alte.....u.s.w.

  8. 14.

    "Und was mit den Leuten in NRW nicht richtig ist, will ich eigentlich gar nicht wissen."
    Das erklärt sich vielleicht ganz einfach durch die Einwohnerzahl:

    Berlin ca. 3,8 Millionen
    NRW ca. 18 Millionen

  9. 13.

    In allen Parteien gibt es mehr Männer als Frauen. Vielleicht liegt hier das Problem. Wir Frauen müssen uns mehr politisch engagieren.

  10. 12.

    Begründet wird der Zulauf damit, dass sich die Mitglieder wehren gegen die Hetzkamogne gegen die AfD.
    Das nennt man demagogisch.
    Frage ist doch, wer für Hass und Hetze verantwortlich ist, die ständig gegen die Regierung gefahren werden.

  11. 11.

    Na so was aber auch. Wundert sich da wirklich jemand?

  12. 10.

    Da ist das Problem. Was die Werte sind, die unsere Gesellschaft eigentlich ausmachen, wissen weder viele Bürger noch unsere Regierenden nicht mehr. Entsprechend entwickelt sich alles.

  13. 9.

    "Das ist so eine Strategie der Innen-Schließung. Da wird der Eindruck erweckt: Wir müssen uns wehren. Das ist ein Moment der Selbstbehauptung."

    Erinnert mich stark an Sekten. Diese Menschen wieder zurückgewinnen - verdammt schwer.
    Ich denke, eine Möglichkeit ist, dass andere Parteien nicht mehr das "Spiel" der AfD mitmachen dürfen; in einem gewissen Maße diese ignorieren. Das dies auch verdammt schwer ist wird klar, wenn man sich das Auftreten führende CDU/CSU-Politiker anguckt. Und dann sind ja noch DIE Medien, die wie die Springerpresse davon lebt oder die anderen, die darauf reagieren.

  14. 8.

    Schön, wie dieses Thema wieder von allem ablenkt. Es ist übrigens Haushaltswoche.
    Man wird nie begreifen, dass all das wieder nur den Nicht-Gewollten Schub gibt. Oder glaubt ernsthaft jemand, dass wir nicht demnächst von Blau-Schwarz regiert werden?

  15. 7.

    Weiter so, sonst ändert sich nichts in Berlin.
    Super.

  16. 6.

    Erstaunlich wenig Mitglieder hat die AfD im Vergleich zu den anderen Parteien. Identifizieren sich doch nicht so viele mit ihnen. Und fast die Hälfte sind über 60.

  17. 4.

    Gibt es eine Möglichkeit, diese von den Landesverbänden gemeldeten Zahlen unabhängig zu überprüfen?

  18. 3.

    Stand 02.01.2024 ist die AFD ca. 40.131 Mitglieder*innen stark. Setzt man das in Relation zu der Zahl an Demonstrierenden in den letzten Wochen, wirkt die AFD fast wie eine Eintagsfliege, die versucht sich an der Demokratie zu laben, dabei aber eins mit der Fliegenklatsche mit der Aufschrift "Wir sind mehr!" abbekommt.

    Was sind bitte 63 neue Anträge für eine Meldung wert? Warum gibt man dieser, von Rechtsextremen durchzogenen Partei eigentlich weiterhin so viel mediale Präsenz?!

    Und was mit den Leuten in NRW nicht richtig ist, will ich eigentlich gar nicht wissen.

  19. 2.

    Korreliert mit der Bildungsmisere und dem Werteverfall. Noch nie war es so wichtig für Werte aufzustehen und zu kämpfen.

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