Musikgeschäft - Warum die großen Popstars Berlin meiden

Di 30.07.24 | 14:54 Uhr | Von Anja Caspary
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Symbolbild: Sängerin Adele am 20.07.2024. (Quelle: dpa/Wunderl)
Audio: Radio3 | 30.07.2024 | Interview mit Anja Caspary, zu Gast bei Frank Meyer | Bild: dpa/Wunderl

Taylor Swift, Beyoncé, Bruce Springsteen und jetzt auch noch Adele: Auffällig oft machten Stars zuletzt einen Bogen um die Hauptstadt. Warum? Von Anja Caspary

  • Berlin fehlt es an Platz für Groß-Events wie von Taylor Swift oder Adele
  • Nötig sind bis zu 75.000 Plätze - die schafft nur das Olympiastadion
  • Hinzu kommen Anforderungen an den Lärm- und Naturschutz
  • Auch die Lage Berlins ist suboptimal - es fehlt ein stark besiedeltes Umland

Örtlichkeiten in der Größenordung, die Taylor Swift für ihre Konzerte benötigt, die also eine Kapazität von 60.000 bis 75.000 Fans haben, sind in Berlin rar gesät. Einzig das Olympiastadion kann so viel Platz bieten. Allerdings muss das Olympiastadion auch Fußballevents beherbergen, also die Hertha-Heimspiele, das Pokalfinale, Länderspiele oder - wie in diesem Sommer etwa - internationale Wettbewerbe wie die Fußball-Europameisterschaft. Freie Termine sind dort rar.

Außerdem ist das Olympiastadion unbespielbar, wenn direkt nebenan in der Waldbühne auch Konzerte stattfinden - nicht nur aus logistischen, sondern vor allem aus kakophonischen Gründen. Die Lärmproblematik würde nicht nur Anwohner:innen, sondern vor allem die Künstler:innen selber stören, wenn sie sich gegenseitig beschallen. Da die Waldbühne im Schnitt rund 25 Veranstaltungen in der Saison bucht, fallen die dann also auch im Kalender des Stadions weg. Berlin fehlt schlichtweg eine Alternative zum Olympiastadion.

Wenn nicht Stadion, dann eben Flughafen - aber nur eventuell

Wobei, da war doch noch ... das Tempelhofer Feld! Die Größe stimmt, aber nicht die Planbarkeit, denn Berlin ist wankelmütig, was das Feld angeht. Wenn dort Konzerte erlaubt sind, schlagen kurzfristig gern Die Ärzte oder Die Toten Hosen zu. Langfristig aber können Anfragen nicht bestätigt werden. Denn womöglich muss es wieder wegen der Flüchtlingsunterkünfte für Konzerte gesperrt werden, oder ist wegen den zukünftigen Bebauungsplänen ein unsicherer Kandidat.

Für die langfristige Planung - amerikanischer Managements für die Touren ihrer Künstler:innen - ist das Feld ungeeignet. Und die Möglichkeit, große Massen vor dem Reichstagsgebäude wie in den 1980er Jahren mit David Bowie, Pink Floyd, Genesis oder Michael Jackson zu erfreuen, ist vorbei, seit die Hauptstadt verbannmeilter Regierungssitz ist.

Archivbild: Soundcheck von Adele am 25.07.2024 in der Open Air Arena fuer die Europa Konzerte im August auf dem Freigelaende der Messe Muenchen. (Quelle: dpa/Simon)In München wurde Adele extra ein Pop-Up-Stadion mit 75.000 Plätzen an der Messe errichtet.

München will Adele - und bastelt ihr ein Stadion

Adele hätte Berlin theoretisch auch bekommen können, aber für Handküsse ist man hierzulande zu stolz, den können die Münchner besser. Und so bauten die Bayern der Las-Vegas-gestählten Britin mal eben ein Pop-up-Stadion nach ihren Wünschen auf.

Die Idee dafür kam vom dortigen Veranstalter Klaus Leutgeb. Die Messe München stieg darauf ein. Sie schufen Platz für ein 75.000-Plätze-Stadion mit angeblich gemütlicher Atmosphäre, denn Adele wollte es "cozy inside". Auch ein 93 Meter langer Catwalk wurde für sie installiert. Zudem will der Superstar mit dem größten Monitor der Konzertgeschichte - 220 Meter lang - ins Guinness Buch der Rekorde. Laut des Veranstalters "Live Nation" hat all das einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet.

Extrakosten sorgen für miese Publicity

Selbst wenn ein Berliner Veranstalter die Handynummer von Adele und die Idee gehabt hätte - wo hätte er hin sollen mit dem maßgeschneiderten Pop-up-Stadion? Auf dem Messegelände wäre schon mal kein Platz dafür gewesen. Und auf Flächen außerhalb der Innenstadt gibt es traditionsgemäß immer Ärger, wie bereits die Veranstalter des Lollapalooza-Festivals lernen mussten: Im Treptower Park gab es Ärger mit den Anwohnern, auf der Galopprennbahn Hoppegarten mit dem Naturschutz.

Inzwischen hat das "Lolla" eine Heimat im und am Olympiastadion gefunden, muss aber den Anwohnern zwei Nächte im Hotel zahlen. Solche Nebenkosten sprechen sich natürlich negativ in der Szene der musikalischen Global Player herum. Dort erwartet man möglichst wenig Arbeit und möglichst große Wirtschaftlichkeit. Und wenn diese Großkopferten dann noch auf die Karte schauen und sehen, dass um Berlin herum das dünn besiedelte Bundesland Brandenburg liegt, dann hat das Ruhrgebiet mit seinen 13 Millionen Einwohnern natürlich einen Standortvorteil.

Auch Hamburg kann da punkten. Weshalb die Managements der großen Stars auch lieber das Volksparkstadion in der Hansestadt buchen. Sie denken: Den Bruce-Springsteen- oder den Taylor-Swift-Fans kann man schon mal zwei Stunden Anfahrtszeit zumuten, womit also Berlin zum Einzugsgebiet von Hamburg wird.

Berlin hat keine ansteckende Krankheit und es gibt auch kein prinzipielles "No", hier zu spielen. Aber Berlin hat zu wenig Platz, zu wenig Geld, zu wenig Kapazitäten. Ganz einfach.

Sendung: Radio3, 30.07.2024, 16:50 Uhr

Beitrag von Anja Caspary

75 Kommentare

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  1. 75.

    Bezahlen die das auch aus eigener Tasche? Zur Zeit kann sich Hertha nicht mal die aktuelle Miete leisten...

  2. 74.

    Unwichtig. Denn den "großen" Universal-Künstler*innen ihren sprichwörtlichen Hintern eben nicht hinterherzutragen und sich sklavisch den Interessen der Musikindustrie zu unterwerfen, ist kein Standortnachteil, sondern -vorteil! In Berlin muss man tatsächlich etwas können, um aufzutreten und man kann keine "Extrawurst" verlangen. Die achso-großen Künstler*innen treten meinungsstark und einflussreich auf - knicken aber allesamt rückgratlos ein, wenn es z.B. um ihre Inhalte auf Tiktok geht. Abgesehen davon ist der größte produzierte Anteil aktueller Popumusik als generische Massenware konzipiert, Hauptsache ein Lied lässt sich in 30 Sekunden bereits vollständig erfassen, spotify und Co. sei Dank. Wer hindert denn die "Großen" daran, in Clubs, auf kleineren Bühnen, nahbarer und zu nicht-unverschämten Preisen aufzutreten? Die blanke Geldgier. Ich bin jedenfalls froh, dass sich eine Stadt nicht aus Wirtschaftsgründen kurzzeitig umbenennt. Das ist würdelos. und nicht unser Problem.

  3. 73.

    Tja so ist das in Berlin , wenn die BOBOS dann noch den letzten Event verjagt haben ist die Schreierei groß. Und die ganze zuschieberei der Events an Amateure die sich Profis schimpfen erledigt dann den rest . Masse statt klasse !! Flexibilität ist den Berlinern auch ein Fremdwort.

  4. 72.

    Bleiben Sie mir bloß weg mit diesen ,,Großkonzerten''! Das ist nur dem Profit geschuldet und hat nichts mit Musikgenuß zu tun. Höher, schneller, weiter ist rückwärtsgewand! der Trend geht wiedre Richtung klein, aber fein! Und mehr RUHE!

  5. 71.

    Sehr gut, was Sie zu Anfang geschrieben haben, das trifft den Nagel auf den Kopf.
    Der Rest war bedeutungslos. Oder wissen Sie, wie die Person zum Taylor Swift Konzert kam?
    Mit dem Fahrrad wohl eher nicht.

  6. 70.

    Berlin ist seit den 2000ern auf einem sinkenden Pfad. Bei Großveranstaltungen, dem Paderborngleichem BER, seiner Bahninfrastruktur, Kriminalität und Sauberkeit im öffentlichem Raum. Ja auf ex Tempelhof und Tegel könnten sie grossevents machen. Sie haben halt im Senat zu lange Fachkräftemangel, der merkwürdigerweise mut Personen besetzt ist.

  7. 69.

    Superstars und Berlin, das passt einfach nicht mehr.
    Cancelkulture, Demos gegen Bands, laut schreiende Minderheiten, ruhesüchtige Anwohner - auch solche, die gar nicht am Ort wohnen, eine "das braucht kein Schwein Stimmung", gemecker ohne Ende, Spezialisten im Fremdschämen - die gibt es ja überall. Aber Berlin ist die Zentrale.
    Obwohl es weder politisch noch musikalisch meine Richtung ist und örtlich eher wenig Bezug hat, da wird eine Frau Lang(Grüne) blöd angemacht weil sie bei der privatjetliebenden Taylor Swift im Konzert war. Man könnte fast sagen - dit is' Berlin.

  8. 68.

    Was ist los mit euch?
    Habt ihr nicht mitbekommen, dass der Super-Super-Megasuperstar Herbert Grönemeyer in Berlin spielte? Das muss doch nun mal reichen.
    Adele, Swift, u.a. wollen doch nur verdienen, Herbi hat dazu auch noch etwas zu sagen. Wichtiges, Weltbewegendes.
    Erst am Wochenende zu Hunderttausene. Gut, die Waldbühne war nicht ausverkauft, wahrscheinlich wegen der exorbitanten Preise.

  9. 66.

    NRW kassiert seit 2010, mit der Ausnahme eines einzigen Jahres, aus dem Länderfinanzausgleich. Kann man ganz einfach recherchieren. Aber klar, Fakten könnten eine vorgefasste Meinung gefährden, und es gibt doch nichts Schöneres als Vorurteile.

  10. 65.

    Sie haben recht: Berlin ist dermaßen unattraktiv - die Einwohnerzahl sinkt beträchtlich, und Touristen kommen auch keine mehr. Wenn bloß mal eine Adele vorbeischauen würde, dann würde alles wieder gut und sicher auch die U-Bahn wieder verlässlich fahren.

  11. 64.

    "diese Großkopferten".... Ja, Kruzinesn, Sakrament... :-D

  12. 63.

    Berlin ist viel zu "cool", um einen Aufriss wie Gelsenkirchen zu veranstalten, weil Taylor Swift auftritt. Dort wurde ja sogar das Ortsschild umgestaltet... So einen Quatsch können die da gerne machen und sich auf ihre provinzielle Weise dafür selber abfeiern.

  13. 62.

    München hat sich wohl verrechnet. Nach den enormen Investitionen sind die 10 Konzerte immer noch nicht ausverkauft. Jetzt versucht man den Schaden zu begrenzen. Statt 419 Euro 35 Euro für ein Ticket. Da kommt Freude auf. Wie so oft ist größer nicht immer besser.

  14. 61.

    In Brandenburg gibt es doch genug Flächen.
    Warum muss immer alles in Berlin stattfinden?
    Außerdem gibt es hier genug Kulturprogramm.

  15. 60.

    Es ist schon klar, dass Städte wie Duisburg, Gelsenkirchen und Bochum das besser hinkriegen. Nur ab & zu geht eben etwas daneben, wie in Duisburg vor einigen Jahren. ;-

    Allen gemeinsam ist, dass sie von einer ruhmreicheren Vergangenheit schwärmen, Duisburg als Binnehafen, Schalke als Institution, wofür einmal sogar die Fußball-Bundesliga von 16 auf 18 Mannschaften aufgestockt wurde, damit Schalke 04 nicht absteigt, zurzeit und ggf. dauerhaft etabliert in der Liga 2, ohne dass ein Hahn danach kräht. ;-

    Da ist ein Bundesland, was Berlin ja ist, mit ganz anderen Voraussetzungen konfrontiert - mit dem Zusammenwirken zweier ehemaliger Stadthälften incl. der Hinterlassenschaft zweier auf Konfrontation angelegter Herrschaftssysteme, wozu die veranschlagten heutigen Repräsentationsfinanzen bei weitem nicht ausreichen.

  16. 58.

    150.-, 250.-€ oder wie viel auch immer für „Shows“, die weder ein tatsächliches Konzerterlebnis sind, noch sonstwie interessant für Menschen, die Lust auf Livemusik haben, das braucht niemand, da muss auch nichts auf die Reihe gebracht werden. Menschen, die auf Konzerte in einem Stadion gehen, hören Musik übers Telefon, legen Wert auf Styles und Outfit, und hören regelmäßig die größten Hits der 70er, 80er und das …; viel Spaß beim Geldverbrennen in Reihe 1348

  17. 57.

    Die Gelsenkirchener Stadtverwaltung ist halt der Berliner Verwaltung um Längen voraus. Und es gibt dort auch weniger Stäkerer und Neidhammel. Dafür zahlt NRW, zu der auch Gelsenkirchen gehört, ordentlich Finanzausgleich an Berlin.Ohne diese Zahlungen könnten die sich die einmal im Monat so ein Event leisten.

  18. 56.

    Berlin kriegt ja auch sonst nichts auf die Reihe. Keine Überraschung also.

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