Neue Obergrenzen für Besucher möglich - Berliner Bäder wollen gesamtes Sicherheits-Konzept überprüfen
Mitarbeitende schildern in einem Brandbrief "untragbare" Zustände im Columbiabad in Neukölln und fordern unter anderem strengere Einlasskontrollen. Die Bäder-Betriebe reagieren nun und stellen ihr Sicherheitssystem auf den Prüfstand.
- Bäder-Betriebe bringen veränderte Besucher-Obergrenzen ins Spiel
- Wegner und Spranger kündigen kurzfristig Maßnahmen an
- Mitarbeitende im Columbiabad beklagen in Brandbrief Personalmangel
- Öffnungszeiten in Bädern wegen vieler Krankmeldungen eingeschränkt
Die Berliner Bäderbetriebe werden in den kommenden Wochen "alle Maßnahmen zum sicheren Badebetrieb komplett auf den Prüfstand" stellen. Das teilte das Unternehmen rbb|24 auf Anfrage mit.
Dazu gehören demnach veränderte Obergrenzen für Besucherinnen und Besucher und härtere Maßnahmen bei Verstößen gegen die Haus- und Badeordnung. Alles werde diskutiert, "einiges werden wir schnell umsetzen, anderes wird Zeit brauchen", so Johannes Kleinsorg, Vorstandsvorsitzender der Berliner Bäder-Betriebe. Die Rückendeckung durch die Berliner Politik sei unerlässlich.
Die Bäder-Betriebe seien "besorgt über die aktuelle Entwicklung in einigen Sommerbädern", hieß es außerdem in der Mitteilung. Einzelne Gruppen von Badegästen trügen Konflikte, auch gewalttätig, in den Bädern aus. Nicht selten werde auch das Personal der Bäder involviert.
Wegner kündigt kurzfristig Maßnahmen gegen Gewalt in Schwimmbädern an
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte zuvor als Reaktion auf einen Brandbrief von Bäder-Mitarbeitenden kurzfristige Maßnahmen angekündigt. Wie genau diese aussehen sollen, hatte Wegner am Mittwoch aber noch nicht gesagt. Er sei dazu mit Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Gespräch.
Klar sei aber, dass man nicht jedes Bad mit einer Hundertschaft der Polizei überwachen könne. Man müsse auch mit den Sicherheitsdiensten in den Bädern gute Bedingungen schaffen. Der Senat dulde nicht, dass ein kleiner Teil der Bäder zu rechtsfreien Räumen werde, so Wegner. Es seien einige wenige Freibäder, "wo es immer wieder eskaliert. Es sind drei, die werden wir uns genau anschauen."
Brandbrief von Mitarbeitenden
Mitarbeiter des Columbiabads hatten sich laut einem Bericht des "Tagesspiegel" bereits Mitte Juni in einem Brief an die Leitung der Bäderbetriebe gewandt. Darin werde "auf das untragbare Ausmaß der Umstände" aufmerksam gemacht. Täglich werde die Hausordnung "vorsätzlich missachtet". Mitarbeitern, Frauen, Minderheiten, besonders trans und queeren Menschen, werde immer häufiger Gewalt angedroht. "Verbale Attacken, das Spucken oder Pöbeln" seien üblich. Personal werde "bewusst psychisch terrorisiert".
Das Sicherheitspersonal sei überfordert und nicht in der Lage, Hausverbote durchzusetzen oder Straftaten anzuzeigen. Die Bediensteten schreiben demnach von einer "eklatanten Unterbesetzung des Personals". Sie fordern unter anderem in der Hauptzeit Zugang und Tageskarten nur für Familien mit Kindern, ständig Polizei vor Ort, nur Online-Tickets und namentlichen Einlass.
Die Bäder-Betriebe teilten rbb|24 auf Anfrage mit, dass als Reaktion auf den Brandbrief die Kommunikation mit der Polizei intensiviert worden sei, außerdem seien Workshops zum Thema Krisenintervention und individuelle psychologische Betreuung angeboten worden. Für die laufende Saison seien bereits mehr Sicherheitskräfte eingesetzt und die Zäune verstärkt worden. Außerdem seien die Rutschen und Sprungtürme in Pankow und Neukölln geschlossen worden.
Immer wieder kommt es in Berliner Freibädern zu Gewalt und Randale
Aus einer Statistik der Berliner Polizei geht hervor, dass es im Jahr 2022 zu 57 Gewaltdelikten in Berliner Freibädern kam. 2018 waren es 77 und 2019 71. In den Jahren 2020 und 2021 sind die Zahlen aufgrund der Corona-Pandemie nicht aussagekräftig.
Zuletzt war es am Sonntag im Columbiabad zu Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Badbesuchern mit den Beschäftigten und dem Sicherheitsdienst des Bades gekommen. Außerdem hatten sich im Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg zwei Besucher geprügelt.
Grüne fordern verschärfte Hausverbote
Die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) setzt bei dem Thema auch auf Prävention. Kinder würden nicht als Kriminelle geboren, sagte Badenberg am Mittwoch dem ARD-Hauptstadtstudio. Hier sei es wichtig, als Gesellschaft aufmerksam zu sein und auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Die Berliner Grünen forderten in einer Pressemitteilung bei gewalttätigen Mehrfachtäten ein berlinweites Hausverbot für die Schwimmbäder in Berlin.
Mit Stand vom 22. Juni waren in Berliner Bädern 2023 ungefähr 25 Mal Hausverbote ausgesprochen worden. Das hatten die Bäderbetriebe rbb|24 auf Nachfrage mitgeteilt. Es seien in erster Linie Fälle aus den Sommerbädern Pankow, Neukölln, Olympiastadion und Insulaner. Aber auch im Stadtbad Schöneberg (Hallenbad) seien bereits Hausverbote verhängt worden.
2022 waren in Berliner Bädern insgesamt 133 Hausverbote erteilt worden, 2019 waren es 432. Im Jahr 2018 waren 572 Hausverbote erteilt worden.
Polizei mit "mobilen Wachen" vor Freibädern
Derweil schlägt das Thema auch Wellen in der Bundespolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich für Polizeipräsenz aus. Der Rechtsstaat müsse gerade in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte sie am Mittwoch in Berlin. "Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen."
Die Berliner Polizei war am Mittwoch zum Ferienstart mit einer sogenannten mobilen Wache vor dem Prinzenbad in Friedrichshain-Kreuzberg präsent. Die Polizei hatte bereits Ende Juni angekündigt, während des Sommers vor ausgewählten Bädern auf diese Art immer wieder sichtbar und ansprechbar zu sein. Mit Blick auf die derzeitige Schließung des nur wenige Kilometer entfernten Columbiabads war der Einsatzort der "mobilen Wache" der Direktion 5 am Mittwoch kurzerhand vor das Prinzenbad verlegt worden, wie die Deutsche Presse-Agentur (DPA) erfuhr.
Bäder wegen vieler kranker Mitarbeiter nur eingeschränkt geöffnet
Das Columbiabad in Neukölln öffnete auch am Mittwoch nicht. Derzeit werde nach Wegen gesucht, das geschlossene Sommerbad Neukölln schnellstmöglich wieder zu öffnen, hieß es am Mittwochnachmittag.
Das Freibad ist seit Montag zu. Grund sei ein hoher Krankenstand der Mitarbeiter, man bemühe sich, das Bad so schnell wie möglich wieder zu öffnen, so die Bäder-Betriebe am Dienstag.
Auch das Kombibad Mariendorf und das Sommerbad im Kombibad Gropiusstadt seien aktuell von hohem Krankenstand betroffen, sagte die Sprecherin weiter. Dort würden aber zumindest eingeschränkte Öffnungszeiten angeboten. Das Sommerbad Mariendorf sei bis Sonntag zwischen 12 und 20 Uhr geöffnet, das Hallenbad montags bis donnerstags jeweils zwischen 6:30 und 8 Uhr. Wegen eines Defektes einer Trennwand ist das Schwimmen dort bis auf Weiteres aber nur auf 25-Meter-Bahnen möglich.
Das Sommerbad im Kombibad Gropiusstadt ist bis zum 16. Juli statt von 7 bis 20 Uhr nur von 11 bis 19 Uhr geöffnet.
Sendung: rbb24 Abendschau, 12.07.2023, 19:30 Uhr