Kritik an der Stadtverwaltung - Kita-Streit und Feuerwache: In Neuruppin herrscht dicke Luft

Freie Kitaträger fühlen sich übergangen, die Feuerwehr der Stadt ebenso: Seit Monaten rumort es in Neuruppins Stadtpolitik. Auf einer Sondersitzung des Stadtparlaments musste sich nun die Rathausspitze erklären - mit offenem Ergebnis. Von Björn Haase-Wendt
Es ist ein Termin, auf den die Neuruppiner Rathausspitze wohl gerne verzichtet hätte. Am Dienstagabend musste sie sich in einer Sondersitzung den Stadtverordneten erklären, nachdem es immer mehr Kritik an der Verwaltung gab.
Im Zentrum steht der Streit der Stadt mit den freien Kitaträgern. Sie betreuen in Neuruppin in zwölf Einrichtungen über 1.000 Kinder. Gestritten wird über die Frage, wieviel die Stadt den Trägern dafür zahlen muss oder will. Dabei geht es unter anderem um die Höhe der Zuschüsse für Miete, Personal und Ausstattung.
Im Jahr 2022 habe sich die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben mit rund 1,2 Millionen Euro beteiligt - doppelt so hoch als noch 2020. "Würden wir allen Forderungen der freien Träger nachkommen, kämen wir einer Vollfinanzierung gleich", sagte Neuruppins Beigeordnete Daniela Kuzu auf der Sondersitzung der Stadtverordneten – allerdings gebe es dafür keine rechtliche Grundlage.
Freie Kitas sehen sich vor dem Aus
Von einer bedrohlichen Lage sprechen hingegen die freien Träger. Schon jetzt würden sie auf einem großen Teil der Kosten für die Kitabetreuung sitzen bleiben. "Es ist ein unhaltbarer Zustand für Träger, Mitarbeiter und Kinder sowie deren Eltern", erklärte etwa Katrin Köppen, Geschäftsführerin des ASB Neuruppin, der zwei Kitas mit insgesamt 165 Plätzen in Neuruppin betreibt.
Und sie wird noch deutlicher: Gebe es nicht schnell eine Lösung in der Finanzierungsfrage, drohe das Aus der Kitas. Es wäre nicht das erste Mal. Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte der “Internationale Bund“ angekündigt, den Betrieb seiner Kita in Neuruppin aufgrund der offenen Finanzierungsfragen zu beenden.
Weitere Prozesse befürchtet
Eine schnelle Lösung im Dauerstreit war bisher nicht in Sicht - er wird oftmals vor Gericht ausgetragen, was aus Sicht von Neuruppins Bürgermeister Nico Ruhle (SPD) aber nicht das Schlechteste ist: "Es gibt Rechtsfragen, die noch nicht abschließend geklärt sind – also verteufeln sie es nicht. Gerichte schaffen auch Klarheit", sagte er in der Stadtverordnetenversammlung und verwies auch auf die gestoppte Kitarechtsreform in Brandenburg als Teil des Problems.
Eine Einschätzung, die bei den Stadtverordneten nur zum Teil auf Verständnis stößt. In keiner anderen Stadt in der Region gebe es solche Probleme zwischen Verwaltung und den freien Trägern, kritisiert etwa Sebastian Steineke (CDU): "Dass es immer wieder Bedenkenträger in der Stadt gibt, die nicht bereit sind Vergleiche zu schließen oder aufeinander zuzugehen, das ist sehr bedauerlich", sagte der Abgeordnete dem rbb.
Die Befürchtung: Der Streit wird weiter vor Gericht ausgetragen. "Die Kommunikation ist schlecht, die Transparenz ist schlecht, und das ist glaube ich zentral. Wenn die Stadt da nichts ändert, wird es immer wieder große Probleme geben", sagt Steineke.
Bürgermeister warnt vor Überforderung
So weit wollen es die Stadtverordneten aber nicht kommen lassen. Einstimmig haben sie beschlossen, dass die Verwaltung zeitnah auf die freien Kitaträger zugehen und eine Finanzierungsrichtlinie erarbeiten soll. Sie soll festlegen, was Neuruppin bereit ist zu zahlen bzw. zahlen kann. Dabei sollen auch die Stadtverordneten beteiligt werden, auf Vorschlag von Siegfried Wittkopf (Fraktion BVB/Freie Wähler/WIN): "Wenn das Verhältnis so über Jahre gestört ist, benötigt es uns vielleicht als Schlichter."
Ob das gelingt, ist fraglich. Zwar signalisieren sowohl die Verwaltung als auch die freien Träger Gesprächsbereitschaft. Eine Besserstellung der freien Einrichtungen zu den städtischen Kitas dürfe es aber nicht geben, macht Bürgermeister Nico Ruhle im Gespräch mit dem rbb klar: "Da müssen wir sehr sensibel mit umgehen. Gleichbehandlung ja, da bin ich sehr dafür. Aber eine Überforderung darf es weder in die eine noch in die andere Richtung geben."
Stillstand bei der Feuerwehr?
Aber nicht nur bei der Kitafinanzierung sehen die Stadtpolitiker Nachholbedarf, sondern auch bei der Feuerwehr. Seit Jahren wird in Neuruppin über einen Neubau der Hauptwache diskutiert, die am jetzigen Standort zu klein ist und längst nicht mehr den Vorgaben der Versicherer entspricht.
Im Sommer 2022 fiel der Beschluss, entsprechende Flächen an der sogenannten Holländer Mühle unweit des Fachmarktzentrums an der Bundesstraße 167 zu kaufen. Geschehen ist aus Sicht der Stadtverordneten seitdem aber nicht viel, und auch die Feuerwehr kritisiert die Verzögerungen. "Wir brauchen die neue Wache eher gestern als heute", sagte Stadtbrandmeister Reinhard Jachnik.
Die Verwaltung verweist immer wieder auf ein fehlendes Verkehrsgutachten, das auf der Sondersitzung schließlich präsentiert wurde. Das Ergebnis: Ja, der Standort könne für die Anfahrt der Einsatzkräfte gut angebunden werden. Allerdings brauche es zusätzliche Flächen für die Verbreitung der Neustädter Straße. "Das sind Dinge, die hätte man im Vorfeld vor einer Standortentscheidung schonmal klären müssen", sagt der Stadtverordnete Christian Juhre (Fraktion Pro Ruppin).
Kommende Woche soll es nun entsprechende erste Gespräche mit den Eigentümern zum Flächentausch geben. Ziel der Verwaltung müsse es sein, das Verfahren zu beschleunigen, denn es gebe einen Verzug von 19 Monaten, kritisiert Juhre: "Dinge wie Baukosten steigen ja immens in den nächsten Jahren." Schon jetzt wird mit rund 22 Millionen Euro an Kosten gerechnet, wobei noch nicht klar ist, wie diese finanziert werden sollen.
Neuer Umgang mit Politik gefordert
Für viele Stadtverordnete sind die beiden Fälle symptomatisch für das Handeln in der Fontanestadt. Es brauche mehr Informationen, mehr Transparenz und klare Leitlinien, ist immer wieder zu hören. "Es fehlt uns ein Durchsetzungsvermögen, also dass man als Bürgermeister vorangeht, die Leitlinien setzt und sagt, wie man es sich auch vorstellt", sagt etwa CDU-Stadtpolitiker Sebastian Steineke.
Ähnlich sieht es der Stadtverordnete Siegfried Wittkopf (BVB/Freie Wähler): "Wir müssen die Verwaltung kontrollieren, auch ob unsere Beschlüsse umgesetzt werden. Die Kontrolle nimmt man uns, man hat ein Informationssystem, das an uns vorbeigeht."
Bei der Rathausspitze scheint der Frust der Stadtverordneten zumindest angekommen zu sein. Bürgermeister Nico Ruhle will das Handeln der Verwaltung auf den Prüfstand stellen. "Wenn die Frage ist, hätte man anders oder besser informieren können, dann nehme ich das selbstkritisch mit", sagte er dem rbb. Allerdings sieht er auch die Stadtverordneten in der Pflicht, sich teils besser auf Themen und Sitzungen vorzubereiten. "Es ist gut allseits zu schauen wie kommen wir zu einem Wissensstand, der eine vernünftige Debatte möglich macht", fügt Ruhle hinzu.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.01.2024, 12:30 Uhr
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