Einreiseverbot - Stadt Potsdam nimmt langen Rechtsstreit mit Rechtsextremist Sellner in Kauf

Mo 15.04.24 | 16:38 Uhr
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Archivbild - 23.02.2024, Sachsen, Chemnitz: Martin Sellner, rechter Aktivist aus Österreich, spricht bei einer Kundgebung der Identitären Bewegung. (Quelle: dpa/Sebastian Willnow)
Bild: dpa/Sebastian Willnow

Im Streit um ein bundesweites Einreiseverbot gegen den früheren Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, will die Stadt Potsdam einen möglicherweise Jahre dauernden Rechtsstreit in Kauf nehmen. "Wir wollen uns dem stellen und weitermachen. Wir gehen diesen Weg", sagte die Potsdamer Sozialbeigeordnete Brigitte Maier (SPD) am Montag in Potsdam. Die Ausländerbehörde der Stadt hatte im März ein bundesweites Einreiseverbot erlassen, gegen das Sellner aber juristisch vorgeht.

Drohbriefe und -mails gehen bei der Stadt ein

Der Anwalt der Stadt Potsdam, Jan Thiele, sagte: "Wir sehen gute Erfolgsaussichten, sehen aber auch, dass es rechtliches Neuland ist." Die Beigeordnete Maier berichtete zudem, es gingen Drohbriefe und E-Mails aus der rechten Szene bei der Stadt und an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) ein, Sicherheitsvorkehrungen seien erhöht worden.

Hintergrund für das Vorgehen der Stadt mit einem Einreiseverbot ist ein Vortrag Sellners bei einem Treffen radikaler Rechter in einer Potsdamer Villa im November 2023. Sellner hatte dort nach eigenen Angaben über die sogenannte Remigration gesprochen. Er versteht darunter, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln massenhaft das Land verlassen müssen, auch Menschen mit deutschem Pass.

Verbot wird vorerst nicht vollstreckt

Mit einem Bescheid von Mitte März stellte die Stadt Potsdam fest, dass Sellner für drei Jahre sein Recht auf Freizügigkeit in der Bundesrepublik Deutschland aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verliert. Er darf Deutschland demnach nicht betreten. Sellner geht mit einem Eilantrag am Verwaltungsgericht Potsdam dagegen vor. Das Einreiseverbot wird bis zu einer Entscheidung zunächst nicht vollstreckt. Laut dem Anwalt der Stadt beruhe das auf einer freiwilligen Absprache mit dem Gericht. Der rechte Aktivist hatte im März erklärt, er wolle vorerst nicht nach Deutschland einreisen, geplante Auftritte seien gestrichen.

Wann das Verwaltungsgericht im Eilverfahren entscheidet, ist laut eines Sprechers der Justizbehörde nicht absehbar. Eine rund 50 Seiten lange Stellungnahme der Stadt sei vergangene Woche beim Gericht eingegangen. Der Anwalt der Stadt, Thiele, sagte dazu: "Ich glaube, wir müssen ein bis zwei Monate rechnen."

Nach einem Gerichtsbeschluss könnte auch noch die nächste Instanz, das Oberverwaltungsgericht, angerufen werden. Würde dann ein Hauptsacheverfahren eingeleitet, kann ein Prozess zwei bis drei Jahre dauern, wie der Vertreter der Stadt sagte.

Klare Grenze setzen

Die Sozialbeigeordnete Maier, die früher Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde in München war, sagte, die Stadt wolle mit dem Einreiseverbot eine klare Grenze setzen. Sellner vertrete "ein ganz klar völkisches Menschenbild" und einen "verfassungswidrigen Volksbegriff". Seine Vorstellung der Remigration treffe alle Migranten, selbst die mit deutschem Pass. Der Bescheid der Stadt beziehe sich auf die gesamte Biografie von Sellner, längst nicht nur auf das Treffen in der Potsdamer Villa im November 2023, so Maier.

"Wir haben den Lebenslauf von Sellner seziert", sagte Rechtsanwalt Thiele. Es seien Verfassungsbehörden der Länder und des Bundes sowie auch in Österreich angefragt worden. "Die Verfassungsschutzbehörden haben uns gut unterstützt", sagte Maier weiter. Es sei eine Abwägung vorgenommen worden zwischen dem Recht auf Freizügigkeit im Verhältnis zum Schutz des Staates. Potsdams Oberbürgermeister Schubert hatte vor Wochen gesagt: "Um Grundrechte und Grundgesetz zu schützen, müssen die Institutionen ihre Mittel nutzen."

Sellner hatte das Einreiseverbot im März als "völlig überschießend" kritisiert. Der Bescheid lege Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung dar, doch werde hier das "Grundgesetz komplett verzerrend ausgelegt", meinte der Österreicher. Er hatte angekündigt, sowohl ein juristisches Eil- als auch ein Hauptsacheverfahren gegen das Einreiseverbot anzustrengen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.04.2024, 16 Uhr

32 Kommentare

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  1. 32.

    Habe ich das? Wo lesen Sie das denn heraus? Weil ich in einem anderen Thread etwas drastisch formuliert habe, dass ich Rechtsextremismus "hasse"? Sie sind ja witzig...

  2. 31.

    Ja und was bleibt dann übrig? Ein kleines, braunes Häufchen Elend. Danke!

  3. 30.

    Stellt Euch mal vor, Sellner kommt und keiner geht hin...!?

  4. 29.

    Döner ist nach Umfragen unter Jugendlichen ein klassisches deutsches Gericht. Angeblich werden jeden Tag 300 Tonnen verzehrt.

  5. 28.

    Sellner ist am Thema interessierten Menschen durchaus schon länger bekannt und er scheint bei der AfD auch nicht wenige Freunde zu haben. Denn sonst würde man ihn wohl nicht immer wieder zu irgendwelchen Treffen als Vordenker- und Vorzeige-Aktivisten einer bestimmten neurechten Ideologie einladen. Dass der Mann ein selbstverliebter Schwätzer ist steht ausser Frage. Aber er ist gewissermaßen auch ein Posterboy für den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Nachwuchs, auf den auch die AfD setzt.

    Ganz witzig fand ich sein Zusammentreffen mit Mo Asumang innerhalb ihrer sehr empfehlenswerten Dokureihe "Mo Asumang und . . .", als er dort u. a. seine Abneigung gegen DÖNER zu erklären versuchte, der ja kein traditionell europäisches Gericht ist und dementsprechend nicht schmecken kann und abzulehnen sei. :D

  6. 27.

    Wenigstens haben Sie schon zugegeben, dass Sie zu den Menschen gehören, die hassen, obwohl Hass in dieser Gesellschaft eigentlich geächtet ist. Aber ist sie eben, die Bigotterie !

  7. 26.

    "Das "Aussieben" von Extremisten mag eine Aufgabe eines Rechtsstaates wie Russland sein. Da besteht auch die Deutungshoheit für Extremismus beim Staat."

    Äh, Sie haben aber mitbekommen, dass in Russland ein Extremist Staatsoberhaupt ist...?

  8. 25.

    Da könnte was dran sein. Sie meinen der berühmte ,,Schrei nach Liebe''? Aber gefährlich isser schon mit seinen unterbelichteten Anhängern.

  9. 24.

    Das ist im Grunde so ein kleiner Wicht, der nur Liebe sucht. Hat er als Junge vermißt. Alte Geschichte, die sich immer wiederholt. Aber gut daß er hier nicht mehr reinkommt.

  10. 23.

    Also was Sie so alles wissen, ist schon respektabel. Aber warum nutzen Sie immer verschiedene Nicknames ? Das haben Sie doch gar nicht nötig.

  11. 22.

    "Bis vor wenigen Wochen war dieser Mensch praktisch niemandem bekannt. "

    Ihre Versuche Rechtsextremisten zu verharmlosen werden immer absurder. Sellner ist unter Rechtsextremisten extrem gut vernetzt.

    Selbstverständlich gefällt es denen nicht wenn Sellner und seine Aktivitäten in die Öffentlichkeit kommen. Das ist die Absicht hinter ihren Kommentaren, vom Ablenken mal abgesehen.

  12. 21.

    Wie schon viele geschrieben haben ist Herr Sellner EU-Bürger, damit hat er weitergehende Rechte, anders in den Staaten die Sie nennen. Da ist Herr Sellner vollwertiger Ausländer. Daher wird das Verfahren aussichtslos sein. Oder glauben Sie das Berlin Victor Orban Einreiseverbot gibt?

  13. 20.

    Namesklau ist für andere verwirrend!

    Das "Aussieben" von Extremisten mag eine Aufgabe eines Rechtsstaates wie Russland sein. Da besteht auch die Deutungshoheit für Extremismus beim Staat.

    In demokratischen Staaten wird hoffentlich nicht ausgesiebt. Menschen die so etwas fordern, sind genauso wenig Demokraten wie die, welche sie Aussieben wollen.
    Dafür braucht man eine Gesinnungspolizei, das wurde früher von den Linken im Verfassungsschutz vermutet, heute sind es die Rechten.

  14. 19.

    Aber letztlich ist es die Pflicht unseres Rechtstaates rechtsradikale Extremisten auszusieben und insofern richtig. Seine Anhängerund dieser Typ können sich in Österreich oder Russland treffen. Deutschland ist tabu.

  15. 18.

    Anstatt ständig Zeichen zu setzen, die sowieso keiner beachtet, sollte man lieber eine pragmatische und Ergebnis orientierte Politik betreiben. Das permanente sich Abarbeiten an irgendwelchen unbedeutenden rechtsextremen Personen, ist wegen der Unwichtigkeit sinn-und nutzlos und kostet nur unnötig Steuergelder. Im Prinzip nur Ablenkungsmanöver. Die eigentlichen Probleme werden nicht gelöst, sondern weiterhin vorsätzlich ignoriert. Das wird sich wahrscheinlich noch als fatale Fehlentscheidung herausstellen.

  16. 17.

    "Sellners Äußerungen und Handeln sind juristisch betrachtet nicht geeignet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden. "

    Ihre ständigen Versuche Rechtsextremisten und deren Taten zu verharmlosen kann man zu Recht als legendär und sie als notorischen Wiederholungstäter bezeichnen.

    Sellner propagiert rassistische, völkische und antisemitische Positionen. Mehrere Staaten haben gegen Sellner Einreiseverbote verhängt, darunter die USA und das Vereinigte Königreich.

    Die Chancen für die Stadt Potsdam sind also als durchaus realistisch einzuschätzen.

  17. 16.

    Ist doch gut - nun macht Sellner unfreiwillig seinen Selbstversuch und merkt wie es ist, als Ausländer stigmatisiert zu werden, denn genau das diskutierte er ja beim Nazitreff in Potsdam.

  18. 15.

    Die Frage ist doch, wer Sellner zum Märtyrer macht. Bis vor wenigen Wochen war dieser Mensch praktisch niemandem bekannt. Der hatte gerade mal 30.000 Follower auf X, wie er selbst zugab. Erst die Interpretationen der Presse nach dem Correctiv-Artikel, in dem keineswegs Deportationspläne unterstellt wurden und die daher der freien Meinungsäußerung unterliegen, haben diesem Herrn eine Bedeutung gegeben, die er niemals hatte. Jede einzelne nun noch folgende Maßnahme gegen ihn verstetigt diese Fehldeutung auch noch. Der Typ ist zum Märtyrer gemacht worden und kommt vor lauter Lachen nicht mehr in den Schlaf.

  19. 14.

    Man muss kein "Fan" von Sellner sein um Wahlkampf mit Steuergeldern zu kritisieren. Mag sein das derzeit viel und laut nach Einschränkung von Freizügigkeit und Meinungsfreiheit gerufen wird. Viele Medienmacher solidarisieren sich eher mit linken und grünen politischen Standpunkten. Aber letztlich sind wir EU-Bürger und müssen unsere Rechtsprechung an die Regeln anpassen die für alle Bürger in der EU gelten. Wir sind weder die Schweiz, noch Großbritannien , wobei letzteres ein Einreiseverbot als EU Mitglied gegen Sellner verhängt hatte, wohl wissend das dieses nicht mehr nach EU-Recht überprüft werden wird. Zudem sonnt sich der Rechtspopulist gerade in der medialen Aufmerksamkeit.

  20. 13.

    "Nichts was Sellner sagt oder schreibt verstößt gegen EU-Recht. "

    Ich bin ja mal gespannt was die Fans von Sellner uns noch so auftischen werden. Der Weg zum Märtyrer ist bestimmt nicht mehr weit.

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