Interview | Potsdamer Start-Up "neuro11" - "Das Ziel ist es, den optimalen Gehirnzustand im Wettkampf abrufbar zu machen"

Zwei Mal gewann der FC Liverpool in dieser Saison ein Finale im Elfmeterschießen. Trainer Jürgen Klopp dankte im Anschluss auch einem Potsdamer Start-Up. Mitgründer Fabian Steinberg erklärt, wie seine Firma "neuro11" dem Klub hilft.
rbb: Herr Steinberg, der FC Liverpool ist einer der erfolgreichsten Fußball-Vereine in Europa. In dieser Saison hat das Team von Jürgen Klopp beide englischen Pokale gewonnen, wurde Vizemeister und stand im Finale der Champions League. Klopp hat nach dem Pokalsieg ein kleines Geheimnis verraten, als er erzählte, dass er mit dem Potsdamer Start-Up "neuro11" zusammenarbeitet. Was macht Ihre Firma genau?
Fabian Steinberg: Wir sind ein Start-Up von Sport- und Neurowissenschaftlern sowie BWLern mit Erfahrung im Profifußball. "neuro11" wurde damals an der Universität Bonn mit der Vision gegründet, der erste seriöse Ansprechpartner für Neurowissenschaften im Spitzensport zu sein. Es geht darum, im Themenfeld Gehirn und Sport Trainings zu entwickeln, aber auch Beratungen und Schulungen anzubieten.
Womit beginnt Ihre Arbeit, wenn Sie zu den Vereinen oder Spielern kommen?
Zunächst klären wir über unsere Ziele und Methoden auf. Wir befragen die Athleten und machen eine erste kleine neuropsychologische Analyse. Unser Schwerpunkt ist dann, die Gehirnaktivität auf dem Platz mit Elektroden zu messen - das vor allem in kritischen Situationen, also zum Beispiel bei Standards. Dabei ist es sehr wichtig, dass wir dem Sportler genau erklären, was und warum wir es machen. Das steigert die Akzeptanz und Motivation. Wir erklären ihnen also, wie das Gehirn funktioniert, insbesondere in kritischen Situationen während des Spiels. Es geht darum, die individuelle Leistung eines Spielers zu verbessern - sogar in den höchsten Bereichen, wie zum Beispiel beim FC Liverpool.
Wie werden die gewonnen Daten denn ausgewertet?
Zunächst einmal machen wir eine individuelle Diagnostik. Wir messen also die Gehirnaktivität und schauen, wann der Spieler auf dem Platz und in kritischen Situationen in einem optimalen Gehirnzustand ist. Aber wir schauen natürlich auch, wann er diesen Zustand nicht erreicht und warum. Diesen idealen Zustand versuchen wir dann im Training durch Übungen und Gespräche herbeizuführen. Das Ziel ist es, den Gehirnzustand, der mit optimaler Leistung zusammenhängt, auch im Wettkampf abrufbar zu machen.
Womit hängt ein optimaler beziehungsweise weniger guter Gehirnzustand zusammen?
Nehmen wir als Beispiel eine Drucksituation während eines Spiels: Da ist der Spieler natürlich in einem besonderen psychischen Zustand, der sich durch eine spezifische Gehirnaktivität äußert. Bei Laien kann man das vielleicht an einem noch einfacheren Beispiel festmachen. Wenn man Minigolf spielt, macht es wahrscheinlich schon einen Unterschied, ob man allein oder vor einem Zuschauer spielt. Man wird automatisch nervöser, man befindet sich in einer Drucksituation. Dadurch kann die Gehirnaktivität bereits beeinträchtigt sein. Das messen wir also und bringen dem Sportler dann bei, in einen anderen Zustand zu kommen. Wichtig ist dabei - wie bei jedem Training - die Regelmäßigkeit. Wir bieten aber auch punktuelles Training vor wichtigen Spielen oder Turnieren an.
Wie haben die Sportler auf diese neue Methode reagiert?
Das ist sehr unterschiedlich. Einige sind sehr offen, andere weniger aufgeschlossen. Das hängt auch sehr von der Persönlichkeit des Sportlers ab. Was wir aber nach vielen Rückmeldungen gemerkt haben, ist, dass unser Training fast allen Spielern in schwierigen Situationen auf dem Platz geholfen hat. Insbesondere nach Endspielen war das Feedback der Spieler sehr positiv. Wenn sie lernen, in den entscheidenden Situation im Wettkampf ihre Gehirnaktivität so zu trainieren und ihre Gedanken so zu sortieren, dass sie die optimale Leistung bringen, war unser Training erfolgreich.
Sie haben Ihr Programm direkt bei Topklubs wie dem FC Liverpool angeboten. Warum sind Sie nicht erst einmal ein paar Klassen tiefer gestartet, sondern direkt in der Champions League eingestiegen?
In der Entwicklungsarbeit haben wir natürlich auch auf niedrigem Niveau getestet. Wir mussten schließlich sicherstellen, dass unser Training funktioniert. Wir waren aber schon während der Entwicklung davon überzeugt, dass unser Training insbesondere auf der höchsten Leistungsebene Wirkung zeigen kann. Da wollten wir uns letztlich auch beweisen.
Wir haben uns also bei Jürgen Klopp vorgestellt und ihm erklärt, warum wir glauben, dass wir seine Profis verbessern können. Er und seine Mitarbeiter fanden das sehr spannend. Seitdem arbeiten wir regelmäßig mit dem Klub zusammen. Durch den Erfolg haben wir jetzt die Aufmerksamkeit und Akzeptanz zum Beispiel auch von Vereinen aus der Bundesliga.
Können sich alle Vereine Ihr Programm leisten?
Es ist schwierig, das in konkreten Zahlen zu beziffern. (lacht) Das passen wir natürlich auch an. Ich bin aber überzeugt, dass zum Beispiel ein Verein wie Hertha BSC unser Angebot stemmen kann. Wir glauben auch, dass das Geld, das man in uns investiert, durch unsere Arbeit auch wieder reingeholt werden kann - wegen verbesserter Leistungen bei den Spielern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Nikolaus Hillmann, rbb Sport. Das gesamte Interview können Sie durch einen Klick ins Titelbild nachhören.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.06.22, 16:15 Uhr