Palast der Republik - Längst abgerissen - aber gestritten wird bis heute
Für die DDR-Führung war der Palast der Republik ein Prestige-Objekt, für viele Bürger Teil ihres Alltags. Im Westen blickte man eher ideologisch auf das Gebäude. Die Diskussion um den Abriss hat in drei Jahrzehnten nie aufgehört. Von Julian von Bülow
- Wegen Asbestbelastung wird der Palast 1990 geschlossen
- Denkmalschutz-Vorstoß 1992 abgeschmettert, 1993 Einigung auf Abriss
- 2008 ist der Abriss vollendet, Eröffnung des Humboldt-Forums 2020
- Debatte über PdR und Stadtschloss nach wie vor kontrovers
Parlamentssitz, Theater, Bowlingbahn, Restaurant, Ausstellungs-, Konzert- und Parteitagshalle - der Palast der Republik war vieles. Asbestverseucht war er auch. Darüber diskutierte 1990 die DDR-Volkskammer, veranlasste die Palast-Schließung und sinnierte bereits über einen Abriss. Damit begann eine Debatte, die Berlin und Bonn über viele Jahre beschäftigt - bis heute.
Die Meinungen darüber, was man mit dem 1976 fertiggestellten Gebäude hätte machen sollen, gehen Jahrzehnte nach Wiedervereinigung und Palast-Abriss immer noch stark auseinander. Das zeigt auch die Diskussion im Vorfeld der Eröffnung der "Palast der Republik"-Ausstellung am Freitag im Humboldt-Forum - dem Nachfolge-Bau auf dem ehemaligen Palast-Gelände.
Sollte man das historische Berlin wieder aufbauen?
Dass irgendetwas mit dem Palast geschehen muss, ist nach der Wiedervereinigung allen klar angesichts der Asbestbelastung. Noch im Sommer 1992 heißt es von der Bundesregierung, der das Gebäude nun gehört: "Von maßgeblicher Bedeutung für diese städtebauliche Neuordnung ist die Frage, ob der ehemalige Palast der Republik erhalten und in eine neue städtebauliche Konzeption integriert werden soll. In diesem Zusammenhang sind weitere Überlegungen anzustellen." Dafür soll es einen Architekturwettbewerb geben.
Im gleichen Jahr gründet sich der Förderverein zur Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses. Dessen erster Grundstein wurde 1443 gelegt, nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schloss jedoch stark beschädigt. 1950 entschied die DDR-Spitze, das Gebäude zu sprengen. 40 Jahre später steht nun der Abriss des Palasts der Republik im Raum.
"Die Debatte um den Palast der Republik ist seitdem geprägt gewesen von eher historisierend argumentierenden Personen, die das historische Bild Berlins wiederherstellen wollten. Auf der anderen Seite waren Menschen, die diese Wiederherstellung als nicht zeitgemäß empfinden und nicht daran glaubten, dass man damit ein historisches Bild wiederherstellen kann", sagt Elke Neumann. Sie kuratierte 2019 eine Ausstellung zum Palast der Republik in der Kunsthalle Rostock und lebt in Berlin.
Palast der Republik in Bildern
Harsche Kritik an Denkmalschutz-Vorstoß
Der Berliner Landeskonservator Helmut Engel dachte 1992 laut darüber nach, ob man den Palast nicht unter Denkmalschutz stellen sollte. Doch daran gab es scharfe Kritik. Die FDP forderte seinen Rücktritt. "Er scheint den Aufgaben, die ihm durch die Wiedervereinigung zugekommen sind, nicht gewachsen zu sein. Denn wie geht man mit den Baudenkmälern einer Diktatur um? Hier geht es um ein System, das der Bevölkerung aufgezwungen wurde und sich seine Denkmäler selbst gesetzt hat", sagte der Berliner Abgeordnete Wolfgang Mleczkowski (FDP) damals dem Sender Freies Berlin. Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus-Rüdiger Landowsky sagte, er betrachte den Denkmalschutz für Gebäude aus dem "realexistierenden Sozialismus" als "Sabotage an der Hauptstadtgestaltung".
Für solche Aussagen hat Wolf-Rüdiger Eisentraut kein Verständnis. Er war 1972 leitender Architekt für den Mittelteil des Palastes und das Theater im Palast der Republik. "Der Palast wurde nachträglich symbolisch als DDR-Symbol aufgeladen, was er überhaupt nicht war", betont er gegenüber rbb|24. Es sei ein Haus für Veranstaltungen und Kultur gewesen. Nach dem Mauerfall sei es aber diskreditiert mit den Worten Asbest, billiges Essen und Polithaus. Die SED und FDJ nutzen den großen Saal allerdings regelmäßig für Veranstaltungen, zudem war auch die Volkskammer im Haus untergebracht.
Wolfgang Thierse (SPD), war 1990 Volkskammer-Abgeordneter und saß anschließend im Bundestag. Er erinnert sich gegenüber dem rbb: "In dem großen, modernen Veranstaltungssaal fand immer die Fernsehsendung 'Ein Kessel Buntes' statt." Es habe im Palast Restaurants mit gutem und vergleichsweise günstigem Essen gegeben und Telefonzellen, in denen man gut mit Westverwandten telefonieren konnte. "Es gab Anlass für viele Menschen zu sagen, das ist ein wichtiger Ort", sagt Thierse heute. "Aber ihn im Nachhinein gewissermaßen hochzustilisieren zu einem Objekt von ostdeutscher, von DDR-Identität, das fand ich immer übertrieben, dagegen habe ich mich gewehrt." Heute ist er Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Berliner Schloss.
Amerika-Gedenkbibliothek im Palast der Republik?
Nach dem Denkmalschutzvorstoß 1992 bringt der Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin (CDU) die Idee ins Spiel, der Palast könne doch für die Amerika-Gedenkbibliothek genutzt werden. Zudem sei eine Sanierung günstiger als ein Abriss. Doch das Gebäude gehört nicht der Stadt Berlin, sondern dem Bund in Bonn. Und der wollte einen Architekturwettbewerb.
Und so einigen sich am 23. März 1993 Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und die Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP): Der Palast der Republik wird abgerissen. An dessen Stelle soll ein Neubau für das Außenministerium sowie ein Konferenzzentrum entstehen. Doch zuerst muss der Asbest weg. Die Bauarbeiten dazu beginnen aber erst 1998. Währenddessen streiten Politik, Palast- und Stadtschlossbefürworter, was denn nun auf dem Gelände passieren und wer das wie bezahlen soll.
Palast-Bootfahrten in Berlin-Mitte
Im Jahr 2000 riefen Bund und Berlin eine Expertenkommission ins Leben, die Empfehlungen zur Gestaltung des Areals machen sollte. Die legte sie 2002 vor: Die Fassade des Stadtschlosses sollte rekonstruiert werden und darin ein Museum entstehen. Der Bundestag folgte der Empfehlung und besiegelte im selben Jahr den Abriss des Palasts der Republik.
Der Asbest wurde entfernt, übrig blieb der Rohbau des Palastes. Darin gab es eine Zwischennutzung. "Die war geprägt von vielen Kulturinitiativen. Es gab große Ausstellungen in den leeren Räumen, es gab Theaterveranstaltungen und im Keller konnte man Boot fahren", sagt Kuratorin Elke Neumann. Dazu kam parallel die Ideenfindung und die Finanzierungsfindung für das Humboldt-Forum. "Das und die Asbestbeseitigung haben für einen sehr langen Prozess gesorgt", so Neumann.
Der Palast der Republik lebt im Humboldt-Forum weiter
Für Architekt Eisentraut ist es schmerzhaft. "Die obsiegende Gesellschaft hat den kulturellen Wert der Unterlegenen vernichtet", sagt er. So ein ganz klares Schwarz und Weiß und Ost und West zwischen Wiederaufbau des Palasts und Errichtung des Stadtschlosses habe es nicht gegeben, sagt Kunsthistorikerin Neumann. Es waren in der Debatte auch Ostdeutsche präsent, wie etwa Wolfgang Thierse. Er sagt zum vermeintlichen Übertrumpfen des Westens über den Osten: "Mit dieser Lesart kann ich nichts anfangen. Die Asbestbelastung war der Anlass für die Schließung des Palastes."
Dass über den Palast der Republik noch heute diskutiert werde, sei ein Zeichen dafür, dass er besonders war, sagt Neumann. Im Humboldt-Forum seien ursprünglich eigentlich keine Sammlungen gedacht gewesen, die dem Humboldt-Forum selbst gehören. Als zuletzt in Spandau das Lager von Überresten vom Palast der Republik aufgelöst wurde, habe das Humboldt-Forum Inventarstücke übernommen und damit nun doch eine Sammlung. "Insofern lebt er sozusagen im Humboldt-Forum weiter, was ich auf eine Art auch irgendwie sehr charmant finde", sagt Kunsthistorikerin Neumann, "und was sehr viel über so verschiedene Zeitschichten von Palast der Republik und Humboldt-Forum sagt."
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.05.2024, 19:30 Uhr
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