Berlinale-Filmtipp | "Faruk" (Panorama) - Der alte Mann und die Regisseurin
Asli Özge hat einen Film über ihren 90-jährigen Vater gedreht - oder auch nicht. "Faruk" ist ein anregendes Hybrid aus Doku und etwas ganz eigenem, getragen von einem wirklich tollen Hauptdarsteller. Özges Vater. Echt jetzt. Von Fabian Wallmeier
Kein bisschen widerwillig steht er da. Faruk Özge, mehr als 90 Jahre alt, hat den Oberkörper frei und folgt den Anweisungen seiner Tochter. Tanzen soll er für den Film. Und er tanzt. Zaghaft, das Alter sichtbar in den Knochen, aber immer freier.
Asli Özge hat einen Film über ihren Vater gemacht. Anlass ist der drohende Auszug aus seiner Wohnung in Istanbul. Das Haus soll abgerissen und neu gebaut werden. Faruk kämpft, mal charmant, mal bestimmt, das Erstaunen über sein hohes Alter immer auf seiner Seite. Er will das Beste für sich herausschlagen.
Verschmitzter, manchmal schlitzohriger 90-Jähriger
Faruk Özge trägt den Film mühelos. Ein verschmitzter, manchmal schlitzohriger alter Mann, der unbeeindruckt durch sein komplizierter werdendes Leben tapert. Eine Traumszene zeigt ihn, wie er nackt einer jungen Frau nachstellt.
Ansonsten aber bleibt "Faruk" eher im Realistischen: Faruk führt lange Diskussionen, mit Nachbarn und Aktivist:innen, in Anwaltskanzleien und Besprechungszimmern, um seine Zukunft nach dem Verlust der Wohnung zu sichern.. In der anrührendsten Szene steht er in einiger Entfernung und schaut hilflos, aber gefast dabei zu, wie das Haus in Schutt und Asche gelegt wird.
Verblüffende kleine Gemeinheit am Ende
Auch wenn hier tatsächlich Vater und Tochter agieren: "Faruk" ist kein Dokumentarfilm. Mit seiner Hybridität spielt der Film geschickt. Özge ist zugleich Tochter und Regisseurin - und Darstellerin von beiden Rollen. Die Tochter ist immer mal wieder für lange Zeit weg auf Reisen im Ausland, die tatsächliche Regisseurin bleibt. Und für das Ende des Films hat sie sich eine besondere, verblüffende kleine Gemeinheit ausgedacht. Die wird hier aber natürlich nicht verraten.
"Faruk" ist in seiner Klarheit und Freude am Spiel mit dem Hybriden ein echtes Vergnügen. Das ist nicht zuletzt deshalb erstaunlich, weil Asli Özges voriger Film "Black Box", das Psychogramm einer Berliner Mietergemeinschaft im polizeilich verordneten Lockdown, so thesenhaft und ungelenk daherkam. Schön, dass sie mit "Faruk" eine so tolle neue Form gefunden hat.
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