Berliner Staatsanwaltschaft - Vorwurf der Bestechlichkeit: Anklage gegen ehemalige Senatorin Kalayci erhoben

Mo 19.08.24 | 13:58 Uhr
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Archivbild: Dilek Kalayci (SPD), Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, spricht am 27.04.2021 bei einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des Berliner Senats. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Audio: rbb24 Abendschau | 19.08.2024 | Sebastian Büchner | Bild: dpa/Christophe Gateau

Für die ehemalige Berliner Senatorin Dilek Kalayci könnte es eng werden: Gegen sie hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Im Fokus steht der Werbevertrag an eine Agentur. Auch dem Inhaber der Agentur wird eine Straftat vorgeworfen.

  • Berliner Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Kalayci und einen Werbe-Unternehmer
  • Agentur soll Kalaycis Hochzeit kostenlos organisiert haben
  • Im Gegenzug laut Anklageschrift lukrativer Werbevertrag an Agentur
  • Ermittler werfen Kalayci Bestechlichkeit und dem Agenturchef Bestechung vor
  • Kalayci weist die Vorwürfe zurück
  • Kalayci war von 2016 bis 2021 Gesundheitssenatorin, die Taten sollen zwischen 2019 und 2021 begangen worden sein
  • ob es zum Prozess kommt, muss das Landgericht Berlin nun entscheiden

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen die frühere Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) Anklage wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit erhoben. Das teilte die Behörde in einer Pressemitteilung mit. Zuvor hatte der Tagesspiegel [Bezahlschranke] berichtet. Neben ihr beschuldigt die Staatsanwaltschaft auch einen 58 Jahre alten Inhaber einer PR- und Werbeagentur der Bestechung.

Es geht laut Staatsanwaltschaft um Geschäfte zwischen den beiden in der Zeit von Februar 2019 bis Oktober 2021.

Kalaycis Hochzeitsfeier im Fokus

Im Frühjahr sollen Kalayci und der Werber nach Ansicht der Ermittler vereinbart haben, dass seine Agentur die Planung und Organisation der Hochzeitsfeier der damaligen Senatorin übernehmen solle. Die Agentur habe auch die Feier organisiert, diesen Dienst aber nie abgerechnet. Kalayci habe auch keine Rechnung verlangt, heißt es in der Mitteilung. Es gehe um Leistungen in Höhe von über 11.200 Euro, so die Staatsanwaltschaft.

Laut der Mitteilung sollen beide Parteien davon ausgegangen seien, dass Kalayci im Gegenzug Zuwendungen ihrer Senatsverwaltung an die Agentur positiv beeinflussen werde. So soll sie gefördert haben, dass eine Werbekampagne zur Bewerbung der Pflegeberufsausbildung an die Agentur ging. Diese habe dafür 267.830 Euro erhalten, heißt es. Der Agenturchef soll dabei einen geschätzten Gewinn von über 9.450 Euro für sich und weitere 7.423 Euro für seine Agentur erzielt haben.

Zur Erklärung der Anklageerhebung gegen beide sagte Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner der rbb24 Abendschau: "Das sind quasi wechselseitige Vorwürfe."

Kalayci weist Vorwürfe zurück

Die ehemalige Senatorin weist über ihren Anwalt sämtliche Vorwürfe zurück: Dieser erklärte in einer Mitteilung, Kalayci versichere, "dass sie, bis ihr der Vorwurf bekannt geworden ist, stets davon ausging, dass die Leistungen der Werbeagentur ordnungsgemäß abgerechnet und vollständig bezahlt worden sind."

Seine Mandantin habe weder Kenntnis davon gehabt, dass es eine nicht abgerechnete Leistung gab, noch hätte sie so etwas hingenommen, so der Anwalt weiter: "Frau Kalayci hat auch zu keinem Zeitpunkt gegen ihre Dienstpflichten verstoßen."

Entscheidung über Zulassung der Anklageerhebung steht noch aus

Geht es nach der Staatsanwaltschaft, kommt es zum Prozess vor dem Landgericht Berlin. Eine Strafkammer muss nun prüfen, ob sie die Sichtweise der Anklagebehörde teilt und die Anklage zulässt. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.

Kalayci war jahrelang Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und zwischen 2016 und 2021 Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Zuvor war sie bereits von 2011 bis 2016 Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen.

2020 hatte sie angekündigt, nicht mehr zur Wahl anzutreten. Ein Jahr später begannen dann die Ermittlungen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.08.24, 19:30 Uhr

64 Kommentare

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  1. 64.

    Warum bin ich nicht überrascht ?

  2. 63.

    "Die Parteien spülen zunehmend Leute nach oben, die zwar straff auf Linie sind, aber als politisches Führungspersonal leider ungeeignet, weil weder charakterfest genug, noch kompromissfähig, dafür aber vorteilsbedacht."

    Sie reden von ihrer eigenen "Partei" oder? Die gerne Geld aus dem Ausland annehmen um Landesverrat zu begehen.

  3. 62.

    Man kann aber der Berliner Staatsanwaltschaft nun mal nicht anlasten, dass die Brandenburger Wähler möglicherweise politische Vergehen in Berlin für ihre Wahlentscheidung heranziehen könnten. Es ging um den Vorwurf, dass dies extra vor der Wahl lanciert worden sei und das ist nun mal falsch, weil in Berlin keine Wahl ist. Wenn man danach geht, dass es Auswirkungen auf andere Bundesländer hat, dürfte man gar keine Anklagen mehr erheben. Irgend eine Wahl ist schließlich immer vor der Tür.
    Dass Kalayci, so die Vorwürfe sich als korrekt erweisen, der Politik insgesamt geschadet hat, bezweifle ich nicht einmal. Da ist sie aber leider heutzutage in guter Gesellschaft. Die Parteien spülen zunehmend Leute nach oben, die zwar straff auf Linie sind, aber als politisches Führungspersonal leider ungeeignet, weil weder charakterfest genug, noch kompromissfähig, dafür aber vorteilsbedacht.

  4. 60.

    Auf dem Punkt gebracht.
    Ist es Nachlässigkeit, Unaufmerksamkeit, die zu einer vergessen Abrechnung, von einem fünfstelligen Betrag, führt oder liegt ein Szenario vor, den Staat, als Beute anzusehen.
    In Bayern meinem sie die CSU? Obwohl dort alles nach Gesetz geht. Und der e.V. Alles mit c s u l e u t e n besetzt hat. Die Unabhängigkeit der Justiz bewahrt man bestimmt.
    Gerade im Amt, ob jetzt beim Sport - Verein, in der kommunal Politik oder landes bzw Senats Politik ist Sorgfalt besonders geboten, um den Anschein eines Verdachts erst garnicht entstehen zu lassen. Ob die Abrechnung drei Tage nach der Veranstaltung versandt wird oder drei Wochen könnte ein Weg sein. Irgendwann soll ein Projekt auch als fertig abgerechnet und abgeschlossen gelten.

  5. 59.

    Finde ich gar nicht und ich gebe Paula recht. Es ist eine Selbstbedienungslisigkeit, die zum Himmel stinkt.

    Hier wird über die Abschaffung der Mütterrente diskutiert und die Politiker können ihren Hals nicht vollbekommen.

    Wie will man Kindern und Jugendlichen Moral beibringen, wenn soetwas täglich vorgelebt wird. Die meisten Fälle werden doch gar nicht aufgedeckt.

  6. 57.

    Nö, dit stimmt nicht, weil die Relevanz dieser Anschuldigungen für den Brandenburger Wahlkampf daraus ergibt, daß im Vorfeld ein Schaden für die SPD entsteht und diese Vermutungen, reihen sich ein in den gegenwärtigen Trend, auf die SPD, aber auch auf die Grünen, im Mainstream einzudreschen!

  7. 56.

    Name:
    "Antwort auf [Steffen] vom 19.08.2024 um 15:40
    "Ach kommen Sie, wenn es gegen den politischen Gegner geht, sind Sie doch auch nicht gerade zurückhaltend und abwartend."
    Schön gesagt. Mehr muss man zu Immanuel auch nicht wissen oder schreiben. So parteiisch wie die meisten hier und es schlicht nicht wahrhaben wollen."

    Wo bin ich parteiisch für eine Partei?

    Ich bin parteiisch für Rechtsstaat, Demokratie und gegen Korruption, aber nicht für eine Partei!

  8. 55.

    Dagmar:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 19.08.2024 um 14:09
    Doch!!!"

    Doch! Sie haben unrecht!

    Dagmar:
    "Ihre Verteidigungsversuche gegenüber Politikern macht es für mich deutlich."

    Wo habe ich strafbares Handeln von Politikern verteidigt? NIRGENDWO!

    Dagmar:
    "Auch bin ich davon überzeugt, das viele Teile der Bevölkerung vieles als Straftat bewerten bzw. deuten würden, was Politiker teils so abliefern."

    Es kommt nicht darauf an, was "viele Teile der Bevölkerung" (was auch immer das sein soll) wie bewerten, sondern darauf, was es tatsächlich ist. (Viele VerQuerdenker halten es schon für eine Straftat, wenn Politiker nicht genau das machen, was sie persönlich wollen!)

  9. 54.

    Es gibt in Berlin keine Wahl und für die Wahl in Brandenburg ist der Vorgang irrelevant. Da gab es schon weit offensichtlichere Veröffentlichungen und Vorwürfe, die wirklich passend zu den entsprechenden Wahlen erhoben wurden.

  10. 53.

    Allerdings, gehe ich mal davon aus, daß der Zeitpunkt politisch gewollt ist, so kurz vor der Wahl! Und noch etwas, jeder sollte sich fragen, ob er iselbst mmer korrekt gehandelt hat!?

  11. 52.

    Da hat die arme Frau gar nicht mitbekommen,dass es wohl keine Rechnungen für ihr Fest gab. Seltsam.
    Manche Ausreden widern mich nur noch an.

  12. 51.

    Angesichts der Fülle wird da nichts mehr einzeln und individuell durchgesehen, so ist das Ganze - unabhängig von Parteien und Gruppierungen - eher ein Beispiel dafür, dass ab einem spezfiischen Maß von persönlicher Anschauung keine Rede mehr sein kann. Allenfalls Stichproben sind und wären möglich.

    In einem Ministerium macht deshalb die Staatssekretärsebene die inhaltliche Arbeit, es gibt Menschen zur Buchhaltung und mehr oder minder fußt das Ganze dann auf einem gewachsenen Vertrauen - oder nicht.

    Es gibt Szenarien, den Staat und die Verwaltung als Beutegut zu betrachten - bspw. in Bayern seitens der CSU, in Hamburg jz. lang seitens der SPD - oder ab & zu Köpfe bereitzustellen, die das Ganze immer wieder aufmischen können. Berlin ist ein ganz spezifisches Biotop, u. a. auch durch die Mauerzeiten. Beiderseits. So ein "Klima" wirkt weiter, auch wenn die betreffenden Menschen ggf. schon lange nicht mehr leben.

  13. 50.

    "Ach kommen Sie, wenn es gegen den politischen Gegner geht, sind Sie doch auch nicht gerade zurückhaltend und abwartend."

    Schön gesagt. Mehr muss man zu Immanuel auch nicht wissen oder schreiben. So parteiisch wie die meisten hier und es schlicht nicht wahrhaben wollen.

    Schönen Abend!

  14. 49.

    "Sie versichert, dass sie (...) stets davon ausging, dass die Leistungen der Werbeagentur ordnungsgemäß abgerechnet und vollständig bezahlt worden sind." Nanu!

    Spätestens bei Durchsicht der eigenen (privaten!) Kontoauszüge hätte dem Brautpaar doch auffallen müssen, dass ein nicht ganz unwesentlicher Posten der Kosten für die (private!) Hochzeit noch offen war, oder etwa nicht? Wer sonst hätte denn aus Sicht der Senatorin diese (private!) Abrechnung erhalten und bezahlen sollen?

  15. 48.

    Das mag sein, das nicht alle Politiker so sind, ich jedoch traue wirklich keinem einzigen. Angefangen bei Bezirkspolitikern bis zum Senat.

  16. 47.

    Owei! Die arme Frau, nun schon zum dritten Mal. Wie oft denn nun noch?

  17. 46.

    Gibt es wenigstens ein kleines Trinkgeld für ein derartiges Elaborat von der Partei?
    Hoffen ist beschämend, nur Wissen zählt.

  18. 45.

    Ach kommen Sie, wenn es gegen den politischen Gegner geht, sind Sie doch auch nicht gerade zurückhaltend und abwartend. Das ist auch okay, aber kritisieren Sie es denn nicht bei Anderen.
    Im Übrigen ist eine gewisse Pauschalisierung durchaus nachvollziehbar, wenn man sich das politische Spitzenpersonal der letzten Jahre mal so anschaut. Das sind alles nur noch Parteisoldaten, denen es um den eigenen Vorteil geht und die weder mit Steuergeldern sparsam umgehen, noch bei Verfehlungen den Anstand haben, ihren Posten zu räumen. Diese Politiker schaden unserer Demokratie, weil sie sich als Feudalherren und Erzieher verstehen, nicht als Dieser des Volkes. Das Parteibuch ist dabei egal.

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