20 Jahre Podcast - "Podcasts erfüllen ein menschliches Grundbedürfnis"

Di 27.08.24 | 06:19 Uhr
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Audio: radio3 | 07.08.2024 | Bild: rbb

Ob Politik, Wirtschaft, Verbrechen oder Psychologie – es gibt kaum ein Thema, das nicht in einem Podcast behandelt wird. Das Audio-Format ist seit rund zwei Jahrzehnten erfolgreich. Im Interview verrät Experte Sven Preger, was einen Podcast wirklich gut macht.

rbb: Herr Preger, früher wurde oft geunkt: Die Hörer haben nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Lange Radiobeiträge, Hörspiel-Features und ähnliches haben keine Zukunft. Dann kommt - Wumms, der Podcast. Wie erklären Sie sich diese Erfolgsgeschichte?

Sven Preger: Ich glaube tatsächlich, dass man dieses goldene Zeitalter des Audios so nicht vorhergesehen hat. Man hat das Bedürfnis nicht erkannt, dass Menschen einerseits Geschichten wollen und vor allem, dass Menschen bereit sind, damit viel Zeit zu verbringen.

Entscheidend ist, dass ich die Geschichten auf meinem Smartphone überall hin mitnehmen kann, egal wo ich bin. Das ist einfach für viele Menschen ein Stück Abtauchen vom Alltag, Eintauchen in fremde Welten. Podcasts erfüllen ein menschliches Grundbedürfnis.

Zur Person

Sven Preger ist Storytelling- und Podcast-Experte und aktuell nominiert für den Deutschen Radiopreis mit dem investigativen Podcast Tatort Kunst [deutschlandfunk.de]. Seit Ende letzten Jahres leitet er das Podcast-Team der "Neuen Zürcher Zeitung".

Was macht einen guten Podcast aus?

Wichtig ist, einen Platz im Alltag der Menschen zu finden. Wo passt es in die Routine? Also: Wie regelmäßig biete ich es an? Wann biete ich es an? Passt die Tonalität? Dazu kommt die Frage: Ist klar, was ich bekomme? Bei einer morgendlichen Radiosendung ist mir als Hörer oder als Hörerin wahrscheinlich klar, was ich da bekomme. Genau das brauche ich beim Podcast auch, und es muss zu dem passen, was ich haben will.

Dann muss es natürlich so präsentiert oder so erzählt sein, dass es mich wirklich mitnimmt. Da spielt dann Storytelling eine Rolle, aber auch Hosting und Ansprache. Also die Faktoren, die Podcast so gut kann, wie kein anderes Medium: Intimität und Nähe. Das alles muss zusammenkommen, um bemerkt und dann auch gemocht zu werden.

Intimität und Nähe werden auch dadurch hergestellt, dass es meistens diesen persönlichen Zugang über einen Host gibt. Wie wichtig ist der oder die Host?

Da ist eine wichtige Unterscheidung notwendig. Persönlicher Zugang heißt nicht immer Betroffenheit. Das ist ein häufiges Missverständnis, dass zum Beispiel ein Podcast über politischen Alltag am besten gehostet wird von einer Person, die in diesem Alltag verortet ist. Das ist nicht falsch, aber das ist eigentlich nicht gemeint. Ich kann auch als jemand, der nicht betroffen ist, sehr persönlich, sehr nahbar und zugleich reflektiert über etwas sprechen. Es geht eher darum, dass meine Persönlichkeit als Host erfahrbar wird. Wie humorvoll bin ich? Was denke ich über etwas? Gut begründet natürlich, denn es geht ja um ein journalistisches Produkt. Die journalistischen Standards darf man nicht vernachlässigen, nur weil ich "ich" sage. Aber es geht um Ansprache, Reflexionsfähigkeit, Humorfähigkeit, um die Frage, wird eine Person wirklich erkennbar. Da spielt die Host-Figur eine immense Rolle.

Welche Stoffe taugen für einen Podcast und welche nicht?

In den letzten Jahren haben Themen wie Liebe, Beziehung, Psychologie, Alltagspsychologie unheimlich gut funktioniert. Was außerdem sehr gut funktioniert, sind serielle Stoffe.

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House of Podcast - :

20 Jahre Podcast - 20 Shows, zahlreiche Panels und die Geburtstagsparty: Drei Tage lang wird im rbb gefeiert, debattiert und Networking betrieben.

"House of Podcast" findet vom 30. August bis 1. September im Haus des Rundfunks in der Masurenallee statt. Tickets gibt es hier.

Haben Sie Podcast-Tipps?

Ich orientiere mich gern am internationalen Markt und mochte den Podcast "Stuff the British stole", grob übersetzt: 'Dinge, die die Briten geklaut haben' mit Mark Fennell aus Australien als Host. Sie sind ins British Museum in London gegangen, später auch an andere Orte, und haben gefragt, wo kommen die Ausstellungsstücke eigentlich her? Damit haben sie die Dekolonialisierungsgeschichte der Briten auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise erzählt. Das waren Museumswelten, verbunden mit spannenden Geschichten. Das ist die ideale Mischung aus unbekannter Welt und Spannung, die sich sehr gut seriell erzählen lässt. Weitere Tipps: "The Trojan Horse Affair" oder der Podcast "Serial" zu ungeklärten Kriminalfällen, der hat gerade wieder eine neue Staffel rausgebracht.

Was ist wichtig für die weitere Entwicklung?

Ein großes Problem auf dem Podcast-Markt ist aus meiner Sicht, zu kopieren. Davon muss man weg. Man darf nicht sagen, das eine war erfolgreich, davon machen wir noch sieben Dinge, sondern man muss weiterhin nach guten, originären Ideen suchen, um innovativ und neu zu bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte radio3 vom rbb. Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung.

Sendung: radio3, 07.08.2024, 8:20 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Nein, Podcasts sind in der Regel keine anglisiert-umbenannten Hörspiele, wie Sie hier felsenfest behaupten. Hörspiele gleichen - übersetzt - eher Spielfilmen während Podcasts meist einen non-fiktionalen Charakter aufweisen und sich aus der Radio-Dokumentation über das sog Bloggen entwickelt haben; also eher dem Dokumentarfilm entsprechen.

    Schon witzig, wie fast alle Kommentare hier dem Thema Podcast ablehnend gegenüberstehen, und das offenbar ohne sich damit überhaupt mal beschäftigt zu haben. So nach dem Motto: Wat der Bauer nich kennt . . .

  2. 9.

    Podcasts haben irgendwie etwas von Radiowerbung "Geht ins Ohr, bleibt im Kopf." Genauso wie bei "Powerpoints" kann man den größten Schrott in sich logisch verpacken und unters Volk streuen. Hier wundert mich die kurze Aufmerksamkeitsspanne auch nicht - es wird konsumiert, selten hinterfragt. Bei einer "Printversion" oder einem entsprechenden Onlineangebot ist dagegen schon mehr Sorgfalt gefragt. Der Leser kann deutlich einfacher recherchieren, nachhaken.
    So wie hier bspw. die Dekolonialisierungsgeschichte der Briten. Kann sich das irgendjemand vorstellen, das dies in DE möglich wäre, mit diesem typischen britschen Humor und ohne folgenden Megashitstorm?
    I am stretched.

  3. 8.

    Podcasts sind Hörspiele. So, wie heute Haushaltsführung hipp und neudeutsch "Carearbeit" genannt wird.

  4. 7.

    Das ist Werbung für eine Sache die angeblich jeder hört...Ist das denn so?
    Was ich nicht verstanden habe ist, warum ein Podcast Erfolg ist? Die Begründung, nicht die Unterstellung, von Erfolg ist erklärungsbedürftig. Sehr sogar... Wegen mir auch mit Einschaltquoten.

  5. 5.

    Gibt es eigentlich noch Hörspiele? Oder muss man die denn jetzt nennen?

  6. 4.

    Ich verstehe auch nach zwanzig Jahren noch nicht, was am Podcast anders ist als an einem längeren Radiobeitrag und warum das so hochgejubelt wird, als hätte es sowas in der Art noch nie zuvor auf der Welt gegeben...

  7. 3.
    Antwort auf [Helle] vom 27.08.2024 um 17:57

    >"Was ich nicht verstanden habe ist, warum ein Podcast Erfolg ist?"
    Ich denke, dass der Podcast unter diesem modernen Begriff nur ein Erfolg ist. Erfolgreich sind schon immer Formate, die einem was erzählen oder vorlesen. Schon deshalb, weil der Mensch doch ein wenig zu faul zum Lesen langer Druckartikel ist. Praktisch auch: Unter Kopfhörern oder Stöpsel im Ohr kann man sich auch unterwegs berieseln lassen, wenn eine Zeitschrift oder ein Pad vor der Nase zu lesen unpraktisch wäre.
    Witzig nur, dass Leute im Alltag z.B. in der Bahn, im Bus oder selbst im Cafe mit riesen Kopfhörern Podcasts über Einsamkeit hören, in denen ihnen aber nicht gesagt wird, dass mit Kopfhörern im Alltag man selber für andere als abgeschirmt wirkt ohne Möglichkeit der Geste oder Ansprache und dies unweigerlich zu Einsamkeit führt. ;-)

  8. 2.

    20 Jahre angeblich erst alt? Gebabbel auf die Ohren kenne ich noch aus meiner Kinderzeit wesentlich länger her als 20 Jahre. Damals hieß das noch Märchenplatte von LITERA und holte mich da ab, wo ich gerne Geschichten hörte: Beim Einschlafen im Bett. ;-)

  9. 1.

    Ich hab noch nie in meinem Leben Podcast,s gehört und wüsste auch nicht, warum ich das tun sollte. Bedient für mich nur völlig uninteressante Themen oder die Informationen sind anderweitig einfacher zu beziehen.

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