Denkmalschutz für 80er-Jahre-Häuser - Schutz für Plattenbauten der Spandauer Vorstadt - "Zeugnisse ihrer Zeit"

Mi 23.10.24 | 19:50 Uhr
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Archivbild: 19.04.2009, Berlin, Deutschland - Plattenbauten an der Kreuzung Weinmeisterstrasse Ecke Alte Schoenhauser Strasse in der Spandauer Vorstadt. (Quelle: dpa/Muhs)
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Video: rbb|24 | 23.10.2024 | Stefan Oberwalleney | Bild: dpa/Muhs

In den 80ern entdeckten Städteplaner im Osten die historische Substanz der Innenstädte wieder. In Bau- und Kriegslücken wurden Plattenbauten gesetzt. Sie werden jetzt geschützt. Berlins Landeskonservator nennt sie eine "politische Aussage der damaligen Zeit".

Das Berliner Landesdenkmalamt hat in den 1980er Jahren errichtete Plattenbauten in der Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte unter Denkmalschutz gestellt.

In dieser Zeit sei die behutsame Erneuerung der historischen Teile von Städten international zum Leitbild einer neuen Bau- und Planungspraxis geworden, erklärte der Direktor des Landesdenkmalamts Berlin, Christoph Rauhut, am Montag: "Nur in Berlin haben wir das
große Glück, dass sich herausragende Bauprojekte aus Ost und West an einem Ort erhalten haben." Dieses gemeinsame Erbe zu erhalten und zu vermitteln, sei eine besondere Aufgabe und Verantwortung.

Diese Bauten sind gewissermaßen auch eine politische Aussage der damaligen Zeit.

Christoph Rauhut, Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamts Berlin

Neubauten aus Platten, aber: "Sie nehmen Rücksicht auf den Bestand"

Dem rbb sagte Rauhut: "Die 80er Jahre: Damals entdeckte man die Geschichte der Stadt wieder, auch in der DDR war das programmatisch, man entdeckte auch die Spandauer Vorstadt wieder." Die Plattenbauten, die dort dann errichtet wurden, seien nicht etwa monoton, sondern eben sehr unterschiedlich, erklärt der Landeskonservator.

Mit diesen Bauten hätten die Städteplaner versucht, sich "ins Historische einzufügen": "Mit Erkern, mit Vor- und Rücksprüngen, mit Giebeln." Dies dokumentiere auch die Leistungen, die hier damals aufgebracht worden seinen. "Diese Bauten sind gewissermaßen auch eine politische Aussage der damaligen Zeit." Die Vielfalt dieser Plattenbauten füge sich - das sei die Besonderheit dieser Bauten - in das historische Gefüge ein. "Sie nehmen Rücksicht auf den Bestand. Diese Bauten sind ein Zeugnis ihrer Zeit."

Plattenbauten füllten die Baulücken aus der Kriegszeit

Die nun durch den Denkmalschutz mit besonderer städtebaulicher Bedeutung gewürdigten Plattenbauten wurden nicht wie in Hellersdorf oder Marzahn großflächig auf der "grünen Wiese" errichtet, sondern schlossen zwischen 1984 und 1989 zahlreiche Baulücken in der Spandauer Vorstadt mit neuen Wohn- und Geschäftshäusern. Die Baulücken stammten meist noch aus dem Zweiten Weltkrieg.

Ausgeführt wurden die von vielen so genannten "Altstadtplatten" durch Planungskollektive, Baukombinate und oft auch mit Baumaterialien aus den DDR-Bezirken, die zum Auf- und Ausbau Ost-Berlins verpflichtet waren. Ähnliche Lücken-Plattenbauten wurden auch in anderen Innenstädten der DDR, wie in Halle, Leipzig oder Suhl errichtet.

Unterschiede in der Bauweise der 80er zwischen Ost- und Westberlin

Die Plattenbauten entstanden dabei auf dem historischen Gebäudegrundriss und dienten dazu, dass die Jahrzehnte zuvor bereits geschlossenen Straßenräume in weiten Teilen wiederhergestellt wurden. Viele dieser Neubauten in Ostberlin erhielten auch Ladengeschäfte, Serviceeinrichtungen oder Restaurants im Erdgeschoss, also Angebote, die in den neuen Gebäuden der gleichzeitig stattfindenden Internationale Bauausstellung im damaligen Westteil der Stadt weitgehend fehlten.

Berlin Mitte, ehemalige Spandauer Vorstadt, Linienstraße. (Quelle: IMAGO/Jürgen Ritter)
Bild: IMAGO/Jürgen Ritter

Die Neubauten in der Spandauer Vorstadt vermitteln bis heute anschaulich die in den Bezirken erarbeiteten Lösungen und zeigen dabei unterschiedliche Entwurfshaltungen und Konstruktionsweisen. In ihrer Gesamtheit belegen sie anschaulich den neuen gesellschaftlichen, politischen und planerischen Stellenwert der Innenstadt als historisch, kulturell und sozial geprägtem Raum. Diese Häuser wurden etwa nur in der Berliner Traufhöhe (also die Höhe der Regenrinnen als Grenze zwischen Giebel und Dach) von 22 Metern errichtet und fügten sich so in die Nachbargebäude ein.

Archivbild: Neubauten in der Linienstraße am 26.06.1991. (Quelle: dpa/Rolf Zöllner)
Bild: dpa/Rolf Zöllner

Die nun mit dem Denkmalschutzsiegel versehenen insgesamt 28 Gebäude befinden sich in

  • der Münzstraße,
  • der Torstraße,
  • der Linienstraße,
  • der Neuen Schönhauser Straße
  • der Alten Schönhauser Straße und
  • der Dircksenstraße
Karte Denkmalgeschützte Plattenbauten Spandauer Vorstadt.(Quelle:rbb)
Bild: rbb

Sendung: radioeins vom rbb, 21.10.2024, 21:00 Uhr

96 Kommentare

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  1. 96.

    Mal ganz unter uns: meinen Sie nicht auch, dass immer mehr Sichtbares aus und von unserem ehemaligen Leben verschwindet? Der Palast ist ja nur ein Beispiel, aber eben vieles Andere auch. Jetzt erhält man ein paar runtergekommene Plattenbauten per Denkmalschutz... Fühlt sich merkwürdig an.
    Gute Nacht. ;-

  2. 95.

    Indes: Es gibt weder ein Schloss in Potsdam, noch ein Schloss in Berlin. Aber es gibt Gebäude - hier der Landtag, dort das Humboldt-Forum mit einem recht weitgespannten, für alle offenen Programm - die die Proportionen und die Gestaltung der früheren Schlösser, die mit der jeweiligen Stadtgeschichte untrennbar verbunden sind, aufnehmen.

    Kein Venedig ohne Rialtobrücke und Markusturm, kein Budapest ohne Kettenbrücke und Parlament, kein Lissabon ohne Se-Kathedrale und Commercio, kein Potsdam oder Berlin ohne den Ausgangspunkt bedeutender historischer Gestaltung.

  3. 93.

    Haben Sie denn die von Hunderttausenden besuchten Großdemonstrationen zum Erhalt des vom Abriss bedrohten Fernsehturms nicht mitbekommen? Deshalb steht dieser Turm immer noch da. Jetzt geht es noch darum, dass die Berlin-(Touristik / Veranstaltungs-)Zeitschriften ihn nicht weiter boykottieren und immer nur den Westberliner Funkturm als Berlin-Symbol abbilden.

    ;-

    (Abseits der Ironie: Ich kenne keine einzige Forderung, den Fernsehturm oder maßgebliche Bauten der DDR-Zeiten abzureißen; sei es nun das Kino International, die Karl-Marx- und Frankfurter Allee, seinerzeit Stalinallee oder die großen Wohnbaukomplexe Marzahn-Hellersdorf, Hohenschönhausen bis hin zum Allende-Viertel in Köpenick. Die Abrisse konzentrieren sich auf Dasjenige, was im Zuge gewandelter Auffassung von Stadt systemübergreifend abgerissen worden wäre. D. h. gleich, wer es gebaut hat oder hätte.)

  4. 91.

    Deswegen „nach allgemeinen Sprachgebrauch“. Und ja ,es ist kompliziert…….

  5. 90.

    Ach der Fernsehturm ist auch schon weg?, Siehste, wusst ich gar nicht, war lange nicht da...

  6. 88.

    Ich würd mir wünschen, dass generell mehr DDR-Architektur erhalten bleibt. S. auch Abriss des Generalshotels in Schönefeld. EInfach, um ein authentisch historisch gewachsenes Stadtbild zu kultivieren und keine ganze Ära "wegzuwischen".

  7. 87.

    Na ja, mir fällt hier als Gegenbeispiel "Manne" ein, über den vor zwei Tagen oder so berichtet wurde und der keine Sanierung für sein Geburtshaus WOLLTE. Heißt natürlich bei weitem NICHT, dass es nicht auch andere Meinungen/Haltungen gibt, hab auch totales Verständnis für IHRE Einstellung!!

  8. 86.

    Toll, noch mehr Häuser die nie mehr energetisch saniert werden können.

  9. 85.

    Auf'm Stadtplan ist Norden eigentlich immer oben. Ganz einfach zu merken, die Buchstaben stehen nicht auf dem Kopf. Einfach mal umdrehen. Aber von mir aus gesehen, ist es tatsächlich so. Spandau liegt im Osten, die Spandauer Vorstadt aber noch weiter östwärtig. Verflixt ist das kompliziert.

  10. 84.

    Das haben Sie sehr schön gesagt und die durchaus angedachte Komponente, dass so ein Wohngebiet so angeordnet wird, dass sich geschlossene 'Räume ' ergeben, in denen "soziale Folgeeinrichtungen platziert" wurden, knüpft an die schon vorbildliche Wirkungen der Werkssiedlungen an, die man aus dem 1. Jahrzehnt des 20.Jh. kennt. Von diesen Werkssiedlungen erreichten die in Lauta (heute Sachsen) und die Gartenstadt 'Marga' in Südbrandenburg aufgrund ihrer Geschlossenheit und für das in höheren Zahlen benötigte mittlere Personal in den sich entwickelnden größer werdenden Tagebauen(weil man inzw. positive Erfahr. mit der Filterbrunnenentwäss. machte), den Denkmalschutzstatus. 15890 ('Hütte') war dann sozialist. Planstadt. So ist das eben. Und der Klimaschutz kommt heute noch dazu. Also ganz so däml. waren unsere Vorfahren Architekten dann doch nicht. Nicht selten f. jüdische Auftraggeber! Siehe Eisenwerkssiedlung Finow-Eberswalde. Heute gefragte Wohngebiete. WB 64 war gefragter als P II,

  11. 83.

    Wußte bis zu Ihrem Einwurf nicht, daß Spandau nach allgemeinen Sprachgebrauch im Osten liegt. Wieder was dazu gelernt.

  12. 82.

    >"Nichts ist an solchen Gebäuden besonders."
    Doch schon. Weil diese so unterschiedlich die Möglichkeiten des sozialistischen Typenbaus in die Zeitgeschichte einordnen. Ich frage mich auch immer, was an denkmalgeschützten Häusern der Gründerzeit so besonders ist. Davon gibts auch überall in Deutschland Tausende. Und diese stehen auch unter Denkmalschutz.

  13. 81.

    >"Erstens ist die Architektur der DDR nicht die der Gesellschaft gewesen"
    Doch. So unverständlich dies für Sie ist: Die DDR war eben auch eine Gesellschaft in sich. Mit vielen Millionen Menschen, die dort gelebt und in Häusern gebaut in dieser Zeit gewohnt haben und heute noch in diesen Häusern leben. Und richtig leben! Nicht nur einfach wohnen! Leben oder nur wohnen ist ein Unterschied im Empfinden der Bewohner. Das ist auch deutsche Geschichte. Wollen Sie vielen Millionen Menschen ihr zuhause absprechen oder entwerten?
    Ich mag meine 22 cm Stahlbeton IW64 hier im Wohnkomplex der kurzen Wege: 500 Meter bis zum Kindergarten, 500 Meter bis zur Schule, 300 Meter bis 500 Meter zu den 4 Supermärkten, Ärztehäuser um die Ecke 300 bis 500 Meter, Kinokomplex 400 Meter, Kneipe/Clubs bis 600 Meter, ÖPNV mittendurch, Arbeit 800 Meter. Und das nicht in Berlin, sondern einer Kreisstadt als Mittelzentrum im Land Brandenburg. So geht ökologisches und ökonomisches Leben heute.

  14. 79.

    Solche Gebäude gibt es zu Hauf, besonders schützenswert finde ich sie nicht. Im Zweifel schadet es sogar, weil Sanierungen oder energetische Instandsetzungen unrentabel werden und die Gebäude verfallen. Wer entscheidet sowas?

  15. 78.

    In meinen Augen eine unglaubliche Ossi-liebt-DDR Aktion. Nichts ist an solchen Gebäuden besonders.

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