Kommentar - Das Klima lässt sich nicht bequatschen

Mi 31.07.24 | 14:48 Uhr | Von Jan Menzel
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Eine Baugenossenschaft hat am 12.06.2023 durch einen Architekten an den Wohnungen der Eigentuemer in einem Neubau am Suedkreuz Vorhaenge aus Spezialstoff gegen die Sonne anbringen lassen. (Quelle: Picture Alliance/Wolfram Steinberg)
Audio: Radioeins | 31.07.2024 | Jan Menzel | Bild: Picture Alliance/Wolfram Steinberg

Beim Klimaschutz hatte der schwarz-rote Senat viel versprochen. Ein dafür geplantes, milliardenschweres Sondervermögen kommt aber nicht zustande. Nun braucht es neue Ideen und Finanzierungswege. Nur: Vom Senat kommt so gut wie nichts. Von Jan Menzel

Klimaschutz bei Schwarz-Rot ist wie Kofferpacken. Endlich Urlaub, endlich geht’ s los und man fragt sich: Hab' ich wirklich alles dabei und nichts vergessen? Der Senat hat leider etwas sehr Wichtiges vergessen, als er sich in die Sommerpause verabschiedet hat: den Klimaschutz.

Sondervermögen für die Rettung des Klimas ist geplatzt

Es ist noch gar nicht lange her, dass die Fridays-for-Future-Bewegung regelmäßig demonstrierte und die Letzte Generation täglich Straßenkreuzungen in Berlin blockierte. Nicht, dass ich Brei auf Gemälden oder strafbare Handlungen begrüßen würde. Aber damals war die Erregung bei vielen, die jetzt in Senat und Koalition Verantwortung tragen, groß. Lauthals wurden Strafen gefordert und Klima-Protestierer quasi zu Terroristen erklärt. Heute sind diejenigen, die seinerzeit treuherzig erklärten, sie wollten doch auch etwas für das Klima tun, aber doch bitteschön nicht so, merkwürdig still.

Dabei sah es zwischendurch so aus, als würde ausgerechnet eine schwarz-rote Koalition beim Klimaschutz das bewerkstelligen, woran die Grünen sich in ihrer Regierungszeit die Zähne ausgebissen haben. Bis zu zehn Milliarden Euro in einem Sondervermögen nur für die Rettung des Klimas; das war das Versprechen, das war die Hoffnung, doch die ist geplatzt. Dafür kann der Senat freilich nichts.

Aber: Warum passiert beim Klimaschutz seit einem halben Jahr nichts, obwohl so viele Ideen und andere Finanzierungswege lange auf dem Tisch liegen?

Verkehrs- und Klimaschutzsenatorin Ute Bonde wurde zurückgepfiffen

Schlimmer noch: Kaum im Amt wurde die neue Verkehrs- und Klimaschutzsenatorin Ute Bonde gleich wieder von der eigenen Fraktion zurückgepfiffen, als sie laut darüber nachdachte, wie der Autoverkehr in Berlin vielleicht ein bisschen reduziert werden könnte. Viel zu lange blockiert die CDU auch die längst überfällige Anpassung der Parkgebühren für Anwohner. 10,20 Euro kostet die Vignette im Jahr. Ein Witz. 100 oder 150 Euro wären immer noch günstig und weit von einer sozialen Härte entfernt.

Gerade jetzt, wo Berlin tief in der Haushaltskrise steckt, wären diese Einnahmen hoch willkommen. Mit dem Geld könnten mehr schattenspendende Bäume gepflanzt, Versickerungsflächen für Starkregen angelegt oder Radwege gebaut werden. Stattdessen schmäht der Regierende Bürgermeister Kai Wegner Anwohner, die sich für Kiezblocks vor ihrer Haustür stark machen. Radlobbyisten sehen ihre schlimmste Albträume wahr werden, weil der Senat sich anschickt, das lang versprochene Netz von Radschnellverbindungen klammheimlich auf die lange Bank zu schieben.

Dinge anpacken, die nichts kosten, aber wirken

Nun kann es ja durchaus sein, dass das Geld nicht für alle Öko-Klima-Träume jetzt und sofort reicht. Aber dann wäre es doch gerade wichtig, die vielen lokalen Initiativen, nicht auszubremsen sondern zu motivieren. Der Senat sollte Dinge anpacken, die nichts kosten, aber unmittelbar wirken. Tempo 30 ist da ein gutes Beispiel. Teure Straßenprojekte wie die Verlängerung der Autobahn A100 oder die TVO passen dagegen weder finanziell noch klimapolitisch in die Landschaft.

Ein Senat, der den Klimawandel ernst nimmt, müsste erklären, Überzeugungsarbeit leisten und gerade bei den Bürgern werben, die sich vom Klimaschutz überfordert fühlen. Rumwurschteln, Aussitzen, Verschleiern und Auf-die-nächste-Wahl-schielen ist einfach zu wenig. Der Klimawandel ist da, er ist unerbittlich und er lässt sich nicht bequatschen.

Sendung: Radioeins, 31.07.2024, 10:00 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

56 Kommentare

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  1. 56.

    Es muss in der Tat viel unternommen werden. Jedes Bisschen hilft, so sind auch die kleinen Schritte wichtig und niemand muss zum komplett fehlerfreien Leben kommen. Dort auf Trinkwasser aus dem Supermarkt verzichten, hier auf unnötige Verpackungen, an anderer Stelle auf unnötige Wege mit dem Auto. Es braucht Investitionen in Radwege, den Ausbau des Nahverkehrs, Regulierung des individuellen Personennahverkehrs, Abfallwirtschaft, Wasser- und Abwasserwirtschaft, Entsiegelung von Flächen, umweltschonende Textilienherstellung, biodiversitätssensible, regionale, saisonale Landwirtschaft, auch entgegen rechtsextremer Umtriebe oder globalisierter Märkte. Wenn alle Länder so wirtschafteten wie Deutschland, bräuchte es laut Global Footprint Network drei Erden, bei der Niederlande vier, Dänemark oder USA fünf, Island 15 bis 25 und bei Indien weniger als eine - Wissensaustausch muss gezielt und spezifisch sein. Geld liegt auf der Straße, man muss nur investieren.

  2. 55.

    Bleiben sie entspannt. Warten sie bitte drauf bis der Trend aus Japan hier Fuß gefasst hat. Elektrisch betriebene Koffer - mit "Mitfahrgelegenheit".
    Sonderlich lange wird das bestimmt nicht dauern.

  3. 54.

    Herr Menzel stellt einen Zusammenhang her, zwischen Klima und Anwohnerparkgebühren. Werden die nicht erhöht, bleibt das Klima auf der Strecke...
    Da braucht es kein Physikstudium und es fehlen die Worte...
    Diese missionarische Art ist es, die nervt.

  4. 52.

    "Dienstleister, wie Handwerker oder Lieferverkehr, die Frau der Altenpflege, all die Berufe und Menschen die vor Ort sein müssen."

    Denkt irgendjemand der Autofahrer, die nicht zu diesen Gruppen gehören, denn daran, dass sie für diese wichtigen Fahrten die Straßen verstopfen? Und am allerwichtigsten dabei sind dann natürlich die unnötigen Verzögerungen von Notfalleinsätzen. Von den Umweltfaktoren mal völlig abgesehen.

  5. 50.

    Oh je, wir reden hier über den motorisierten Individualverkehr, nicht von Gewerbe…
    Würden nur diejenigen die Straßen nutzen, bei denen eine Notwendigkeit besteht, würde niemand mehr im Stau stehen, denn die Menschen stehen nichtig Stau, sie sind der Stau:-)

  6. 49.

    Das ist vollkommen realitätsfremd. Lieferdienste, Handwerker etc. schlagen es alles bei den Preisen drauf und dann zahlen es wieder alle. Sein Auto als Anwohner vor seiner Tür abzustellen sollte eigentlich sogar kostenfrei sein.

  7. 48.

    Wir freuen uns schon sehr darauf, weil wir dadurch besser an den Flughafen und Dresden angebunden werden.

    Sie fahren also zweimal täglich zum Flughafen und nach Dresden?

  8. 47.

    Herr Jan Menzel: Es gibt Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind. Es ist unverschämt, wenn Sie schreiben:
    "(...) längst überfällige Anpassung der Parkgebühren für Anwohner. (...)" Nur weil Sie kein Auto anscheinend besitzen oder diese verabscheuen. Nicht jedes Haus hat eine Tiefgarage oder ein günstiges Parkhaus im Kiez.

  9. 46.

    Jedem den Berlin mit seiner Mobilität nicht gefällt steht es frei auf das Land zu ziehen.

    Gute Idee! Denn dort ist man auf ein Auto angewiesen, in der Stadt nicht.

  10. 45.

    Aufgrund der jetzt schon hohen Nebenkosten des Wohnkonsums wäre eine Verteuerung des Anwohnerparkens keine gute Idee. Berlin sollte leistbar bleiben. Auch eine Zweitwohnungssteuer sollte für beruflich bedingte Wohnsitze von unverheirateten Paaren entfallen. Hier liegt aktuell eine Übervorteilung Verheirateter vor.

  11. 44.

    hhm, wenn sie dann 100 Euro für die Lieferung eines Haushaltgerätes oder als Anfahrtspauschale eines Handwerkers bezahlen müssen, wäre ich auf ihren Kommentar gespannt.
    Wer fährt dann morgens in die Stadt? Wer es nicht vermeiden kann.
    Dienstleister, wie Handwerker oder Lieferverkehr, die Frau der Altenpflege, all die Berufe und Menschen die vor Ort sein müssen.
    Sollen sie doch Fahrrad , ggf Lastefahrrad fahren. Die paar Tage Starkregen und im Winter, die Kälte müssen sie halt aushalten. Und wer es nicht mehr kann, das Fahrrad fahren, der muss halt draussen bleiben.
    Denkt jemand eine Wärmepumpe, das Material, die Leute die Noteinsätze machen müssen, fahren mit dem Fahrrad durch die Stadt?

  12. 43.

    Das Verbot dieser Dinger, die oft verkehrswidrig unterwegs sind und hohe Unfallzahlen verursachen wäre eine sinnvolle Maßnahme.

    Oh, oh... ich höre jetzt schon den Aufschrei der Automobillobby...

  13. 40.

    Ich finde die Stadtautobahn super.
    Hätten wir diese nicht, wären die normalen Straßen in der Innenstadt viel voller.
    Die Stadtautobahn bündelt Verkehr, der sowieso stattfindet, und holt diesen aus Wohngebieten heraus.
    Ich kenne ja die Taktik von Autogegnern.
    Die wollen Autofahren total unbequem machen und überall blockieren, wo es nur geht.
    Dies ist aber keine seriöse Politik und bringt auch nichts außer nich mehr Unfrieden zu schaffen.
    Wir sollten noch viel mehr Autobahnen bauen.
    Überall dort, wo man viel Verkehr von den Hauptstraßen holen kann.
    Und dann könnte man auch viel mehr Gegenden und Nebenstraßen beruhigen.

  14. 39.

    Es gibt doch einen ganz einfachen Lösungsweg: Wer sich die Zusatzkosten nicht leisten kann, muss dann ebend auf das geliebte Spielzeug verzichten. Und wer es beruflich braucht, hat auch Einnahmen dafür um das bezahlen zu können. Mimimi - Seniorenmobile können von Parkgebühren befreit werden.

  15. 38.

    Ein PKW kostet rd. 700 Euro im Monat. Parkgebühren von 150 Euro IM JAHR --> viel Geld? Wirklich ein Witz, diese Behauptung. Ich will mal eher sagen irgendetwas zwischen Besitzstandswahrung und Egotrip...

  16. 37.

    Na, bin auf den Aufschrei gespannt, wenn es bedeutend weniger Autos gibt gäbe und dadurch Steuern wegfielen, dann politisch über Besteuerung vorn Radleuren nachgedacht würde.

    Welcher Aufschrei? Sie meinen eher Bestürzung wenn sich herausstellt wie hoch der MIV subventioniert wurde und noch immer wird.

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