Mehr Abschüsse als Ziel - EU-Vertreter stimmen für schwächeren Schutz von Wölfen

Mi 25.09.24 | 14:39 Uhr
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Symbolbild: Ein Wolfsrudel besteht aus erwachsenen Tieren und kleinen Welpen, die sich in einem waldigen Bereich bewegen. (Quelle: dpa/Wittek)
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Audio: Antenne Brandenburg | 25.09.2024 | Helga Schmidt | Bild: dpa/Wittek

Bislang dürfen Wölfe EU-weit nur abgeschossen werden, wenn sie auffällig sind und eine Gefahr für den Menschen und Weidetiere darstellen. Das soll sich nun ändern, indem der Schutzstatus von "streng geschützt" auf "geschützt" gesenkt wird.

Vertreter der EU-Staaten haben mit der Stimme Deutschlands eine Abschwächung des Schutzes von Wölfen auf den Weg gebracht. Das bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Brüssel. Die Bundesregierung ändert damit ihren bisherigen Kurs in der Wolfspolitik.

Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" gesenkt werden soll. Damit könnten Wölfe höchstwahrscheinlich leichter abgeschossen werden, auch wenn Details dazu noch nicht feststehen. Mit der Entscheidung von Mittwoch ist ein schwächerer Schutzstatus auch noch nicht bindend im EU-Recht verankert.

Erst wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.

Schutzstatus könnte grundsätzlich geändert werden

Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich.

Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ist es Deutschland wichtig, dass nur der Schutzstatus für den Wolf und nicht auch für andere Tiere geändert werde. Die EU-Kommission habe dies zugesagt. Zudem müsse aus deutscher Sicht eine Koexistenz von Wolf und Weidehaltung möglich sein.

Lemke sieht für Schutzstatusänderung ausreichende Grundlage

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht für eine Absenkung des Schutzes für den Wolf in Deutschland ausreichende Grundlagen. "Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist", teilte die Grünen-Politikerin in Berlin in Reaktion auf die Entscheidung mit.

Mit der Kursänderung reagiert die Bundesregierung auch auf eine Diskussion, die zunehmend aggressiv geführt wird. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften sich zuletzt, immer wieder protestierten Weidetierhalter. Die sogenannte Entnahme - in der Praxis die Tötung einzelner Tiere - ist gleichzeitig aufwändig. Entscheidungen über den Abschuss von Wölfen wurden teils durch Gerichtsentscheidungen verhindert.

Gesetzlich geschützt

Der Wolf ist eine gesetzlich geschützte Art laut Artikel 12 der EU-FFH-Richtlinie, also der Flora Fauna Habitat Richtlinie. Diese europarechtliche Vorgabe wird durch das Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt und der Wolf somit besonders und streng geschützt. Verboten ist jedes Nachstellen, Fangen, Verletzen oder Töten von Wölfen.

In Brandenburg wurden 2023 laut BUND rund 50 Rudel und 10 Paare registriert, eine genaue Zuordnung der Tiere insgesamt nach Bundesland ist laut BUND schwierig. Der brandenburgische Jagdverband schätzt die Zahl der in Brandenburg lebenden Tiere auf mehr als 1.000.

Wolf war ausgerottet

Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF überlebte der Wolf zwar im Osten und Süden Europas, wurde in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts aber ausgerottet. Die sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen Ländern unter Schutz gestellt wurde. Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2022/2023 knapp 1.400 Wölfe in Deutschland nachgewiesen. Das Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa rund 20.000 Tiere gibt.

Der Deutsche Bauernverband warnt vor steigenden Angriffen auf Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr als 4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag diese Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch. Dabei sind laut offiziellen Angaben auch die Ausgleichszahlungen für entsprechende Schäden in diesen Jahren deutlich gestiegen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.09.2024, 15:00 Uhr

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9 Kommentare

  1. 9.

    Zusammendfassend - bis auf den Wolf alles Lebewesen die dort nichts zu suchen haben! Und haben sie mal den Wolf gefragt ob er sich in ihrer Anwesenheit wohl fühlt? Sie sind wie die Städzter die ins grüne ziehen und sich über zu viel Natur beschweren. Und die LOBBYorganisation freut sich zusammen mit der WAFENLOBBY und den JägerINNEN.
    Sind die 4300 (was pro Wolf, wenn es denn alle durch Wölfe um's Leben kamen), was 3 pro Jahr pro Wolf machen würde einerseits - und wieviel Nutztiere laufen das Jahr lang frei rum (schlecht bewacht ob Traktordemo Biodiesel etc.)? Wieviels von den 4300 sind tatsächlich von Wölfen gerissen?? Wieviele Tiere kommen im Vergleich durch Autounfälle, Stürze, Nichtanwesenheit von personal bei Verletzungen ums Leben?? (Wieviel erfrieren, ertrinken?? !!) - und nur weil jemand mit ÖPNV auf dem Land lebt ist ein Experte - und man kann ja wegziehen - lebend !! ;-)

  2. 8.

    Der zu erwartende Beitrag! Erfreulicherweise hat nun aber auch die Politik inklusive der Grünen Bundesumweltministerin Steffi Lemke bemerkt, dass der bisherige Totalschutz für Wölfe angesichts der stabilen Bestandssituation nicht mehr erforderlich ist.

  3. 7.

    Sehr schön. Grüße an die üblichen Rotkäppchenhasser!

  4. 6.

    Welche widerwärtige Einstellung Lebewesen gegenüber . Die Menschen nehmen den Tieren mehr und mehr den Lebensraum weg und wenn man sich ängstigt oder die Tiere es wagen Futter zu erlegen soll ganz einfach abgeschossen werden. Geistig ganz einfach strukturiert und vor im Kindergarten Alter stecken geblieben: wer hat Angst vorm bösen Wolf……

  5. 5.

    Wahre Worte die leider von der in Großstädten wohnenden, weder fach- noch sachkundigen Wolfslobby wieder in ignoranter Weise abgetan oder gar ins lächerliche gezogen werden. Erfreulicherweise scheint die Politik hier einsichtiger geworden zu sein.

  6. 4.

    War zu erwarten.
    Es besteht anderes Interesse als sich selber mal einen Spiegel vorzusetzen.

  7. 3.

    Wir wohnen auf dem Land, 30 km von Potsdam. Beim Spaziergang ca. 1 km vom Dorfkern entfernt haben wir einen Wolf aus unmittelbarer Nähe gesehen. Was uns schon ängstigt, zumal auf dem Weg auch jüngere Reiter auf Pferden unterwegs sind. Jäger berichten von einem Wolfsrudel am Dorfrand. Traktoristen zeigen auf Videos, wie sie von Wölfen begleitet werden. Die Tiere haben keine Scheu. Wie viel Wolf müssen wir noch aushalten, bzw. muss erst noch was schlimmes passieren. Der Wolf muss ins Jagdrecht aufgenommen und konsequent bejagt werden. Schön reden und Wunschdenken hilft hier nicht mehr.

  8. 2.

    Angesichts der positiven Bestandsentwicklung wäre einer Herabsetzung des Schutzstatus für Wölfe sinnvoll und nachvollziehbar. Wohlgemerkt: Die Art bleibt nach wie vor geschützt, so dass die Furcht vor einer Ausrottung durch massenhaften Abschuss völlig unbegründet ist.

  9. 1.

    Sehr gut!

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