Kommentar zum Ausrüster-Wechsel beim DFB - Reizwäsche
Von 2027 an wird die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr in Adidas-Trikots auflaufen. Eine Entscheidung, die enorme Kritik auslöste. Und die komplett richtig ist. Ein Kommentar von Ilja Behnisch
Wer hätte es gedacht, aber offenbar ist alles, was es braucht, damit sich Politiker der Ampelkoalition mal so richtig einig sind — ein Fußballtrikot. Natürlich nicht irgendeines, sondern das ruhmreichste Stück Stoff der Bundesrepublik, das Jersey der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
Das, so gab es der Deutsche Fußball Bund am Donnerstag bekannt, wird ab 2027 nicht mehr von der deutschen Firma Adidas bereit gestellt, sondern vom amerikanischen Unternehmen Nike. "Skandal", rief es alsbald aus allen Ecken. Und plötzlich sind sich nicht nur SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ("Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet.") und Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck ("Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht.") einig. Nein, selbst Christdemokraten üben den Schulterschluss mit dem politischen Gegner.
So sagte etwa Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein: "Der Weltmeister trägt Adidas und nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke." Womit er natürlich Recht hat. Der amtierende Weltmeister Argentinien wird tatsächlich von der Firma mit den drei Streifen ausgestattet. Warum Nike, der mit Abstand größte Sportartikel-Hersteller der Welt, eine "Fantasiemarke" sein soll, könnte der ehemalige hessische Sport-Minister Rhein ja bei Gelegenheit noch nachliefern.
Womöglich findet er dazu Inspiration beim bayrischen Minister-Präsidenten Markus Söder. Söder, ein Franke wie Adidas, schrieb auf "X": "Die Nationalelf spielt in drei Streifen - das war so klar, wie dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert. Die Erfolgsgeschichte begann 1954 mit dem unvergessenen WM-Sieg, der unserem Land wieder Selbstbewusstsein gegeben hat."
Der DFB ist auf das Geld angewiesen
Ja, mei, möchte man dem Preisträger des "Sparlöwen" 2013 entgegnen, fast richtig. Adidas-Gründer Adi Dassler war zwar als eine Art Zeugwart beim "Wunder von Bern" dabei. Die Trikots jedoch wurden hergestellt von G. & A. Leuze aus Pfullingen bei Reutlingen. Ein Familienunternehmen, welches später in den Besitz von Erima überging. Womit sich der Kreis schließt, wenn Robert Habeck sagt: "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen." Was erstaunlich ist, denn während der WM 1978, dem ersten Turnier, das der 1969 geborene Habeck bewusst wahrgenommen haben dürfte, trugen die DFB-Kicker: Erima.
Nun kann man die Trauer darüber, dass die Fußball-Nationalmannschaft, das Aushängeschild des deutschen Sports schlechthin, fortan nicht mehr von einer deutschen Firma ausgestattet wird, womöglich noch nachfühlen. Auch wenn man dann fragen dürfte, warum sie für Nutella (Italien) wirbt und nicht etwa für Nudossi. Oder warum sie Pasta (!) isst und nicht etwa Kartoffeln. Ebenso wie man fragen könnte, wo der Aufschrei war, als die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft mit "Bauer" (Kanada) oder die deutsche Basketball-Nationalmannschaft (amtierender Weltmeister!!!) mit "Peak" (China) anbändelte. Allerdings gibt es gute Gründe, weshalb der DFB sich nun gegen Adidas entschieden hat. Der gewichtigste: Das liebe Geld.
Die kolportierten 100 Millionen Euro, die Nike zukünftig jährlich an den DFB zahlen wird, liegen nicht nur irgendwie ein bisschen über den rund 50 Millionen Euro, die Adidas bisher gezahlt hat. Zusätzlich soll Adidas nicht mehr bereit gewesen sein, überhaupt 50 Millionen Euro pro Jahr zu zahlen. Und auch Volkswagen will künftig statt bisher 40 Millionen pro Jahr nur noch 18 Millionen pro Jahr überweisen, wie das ZDF erfahren haben will. Weshalb sich der DFB in einer Stellungnahme auch dazu veranlasst sah, für Karl Lauterbach und Co. zu erklären, was mit dem Geld denn so geschieht.
Endlich ein transparentes Verfahren
"Der DFB hat ein Alleinstellungsmerkmal: Er ist ein Sport-Fachverband, der seine Mitgliedsverbände und die Basis im Amateurbereich finanziert und nicht von ihnen finanziert wird. Er steckt das Geld in den Fußball. Damit Fußball ein Volkssport bleibt", hieß es in einer Stellungnahme auf "X".
Für den mit über sieben Millionen Mitgliedern größten Sportverband der Welt sind die Mehr-Einnahmen durch den neuen Vertrag in finanziell schwierigen Zeiten ein willkommener Segen. Anhänger des deutschen Fußballs dürften sich über den Wechsel zu Nike also freuen, zumal, wie Philipp Köster, Gründer und Chefredakteur des Fußballmagazins 11Freunde auf "X" schrieb, "nach langen, langen Jahren endlich ein transparentes Bieterverfahren abgehalten wurde und keine Deals in abendlichen Herrenrunden eingetütet wurden."
Sportlich hingegen könnte der historische Schritt durchaus nach hinten losgehen. Man frage nach bei Hertha BSC. Seit 1999 wird die "Alte Dame" nun schon von Nike ausgestattet. So gut wie unter Adidas (1977/78, 1992-94, 1996-99) und Puma (1979-1991) war der Hauptstadtklub aus Charlottenburg seither nie wieder. Andererseits: immer gut, wenn es einen Schuldigen gibt. Darauf können sich bestimmt auch die Politiker der Ampel-Koalition einigen.
Sendung: Fritz, 22.03.2024, 18:15 Uhr