Fußball-Bundesliga - Was die Trainer-Gerüchte bei Union über den Zustand des Vereins aussagen

Do 02.05.24 | 17:53 Uhr
  32
Nenad Bjelica, Union Berlin
Audio: rbb24 Inforadio | 02.05.2024 | Jakob Rüger | Bild: IMAGO/Matthias Koch

Kurz vor dem wichtigsten Spiel der Saison rumort es beim 1. FC Union. Verschiedene Medien berichten, dass Nenad Bjelicas Tage bei Union bald gezählt sind. Das ist ein Hinweis auf tieferliegende Probleme im Verein. Von Till Oppermann

Nach dem öffentlichen Training am 1. Mai verbreitete zumindest die Medienabteilung des 1. FC Union Berlin eine klare Botschaft. "Es geht nur gemeinsam", hieß es unter einem Post auf Instagram. Vier Tage vor einem der wichtigsten Spiele der letzten Jahre ist diese Floskel nicht besonders kreativ. Aber sie stimmt: Im Abstiegskampf gegen Bochum wird Union nur bestehen können, wenn alle zusammen für das gemeinsame Ziel arbeiten.

In dieser Hinsicht kamen die Schlagzeilen vom Mittwochmorgen zur Unzeit. "Kicker" und "Sky" berichteten, dass Nenad Bjelicas Ende als Union-Trainer spätestens zum Saisonende längst beschlossen sei. Und zwar unabhängig davon, ob Union den Klassenerhalt schafft oder nicht.

Keine Wagenburg mehr

Die Reaktion des Vereins war typisch. Man wollte den Bericht "nicht kommentieren, dementieren oder bestätigen". Früher hätte das für Ruhe gesorgt. Union war in den letzten Jahren dafür bekannt, dass keine Interna nach außen dringen. Union gegen alle war das Credo der Führung, so schien es manchmal. Und alle machten mit.

Der Verein wurde deshalb als "Wagenburg" bezeichnet. Aber diese Zeiten sind vorbei. In dieser Saison erscheinen immer wieder Artikel über das Innerste des Klubs in der Presse. Wahr waren sie nicht immer. Bevor Union Bjelica als Nachfolger von Urs Fischer vorstellte, wurde im "Kicker" der Spanier Raul gehandelt. Trotzdem sorgten sie zuverlässig für Unruhe. In den Tagen nach Nenad Bjelicas Ohrfeige gegen Leroy Sane konnten Fans die Diskussionen rund um seine Zukunft im Verein quasi in Echtzeit mitverfolgen.

Spieler nicht bei der Sache

Selbst so kurz vor dem wichtigen Spiel gegen Bochum scheinen sich nicht alle in Köpenick auf den Sport konzentrieren zu wollen. Wer nach Hinweisen auf das Leck sucht, wird im "Kicker" fündig. Bjelicas Verzicht auf Videoanalysen würde der Kader kritisch sehen, steht da. Außerdem seien nicht alle Spieler mit Bjelicas "altmodischem Führungsstil" einverstanden.

Da muss man nicht mehr als eins und eins zusammenzählen, um zu schlussfolgern, dass unzufriedene Spieler zumindest eine Station auf dem Weg der Informationen in die Medien sind. Teile des Kaders, der zu Anfang der Saison für die Champions League zusammengestellt wurde und nun gegen den Abstieg spielt, sind fortgesetzt mehr mit der eigenen Karriere beschäftigt als mit Union.

Gute Argumente gegen Bjelica

Argumente gegen Bjelica gibt es derweil einige. Seit seinem Amtsantritt vor sechs Monaten haben die Köpenicker zwar die drittwenigsten Gegentore der Liga bekommen. In diesem Kalenderjahr haben sie aber gleichzeitig die wenigsten Tore der Liga erzielt. In den letzten neun Spielen gelang Union nur ein Sieg. Der zwischenzeitliche Vorsprung von neun Punkten auf den Relegationsplatz schrumpfte in dieser Zeit auf zwei Zähler zusammen.

Laut "Kicker" werde Bjelica deshalb auf lange Sicht nicht zugetraut, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Dass das noch vor der abschließenden Saisonanalyse im Fußball-Fachmagazin steht, legt nahe, dass Union deutlich größere Probleme hat als einen Trainer in der Kritik.

Ein Verein wie jeder andere

Dirk Zingler versteht Union als eine große Familie. Diese Sicht der Dinge ist spätestens seit dieser Saison überholt. Denn sein Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert hat nicht nur zu viele Spieler gekauft, die sportlich nicht hielten, was sie versprachen. Vor allem charakterlich ist die Mannschaft nicht mehr so homogen wie in den Jahren nach dem Aufstieg.

Für die Konkurrenz ist das eine gute Nachricht. Nachdem die Unioner in den vergangenen Jahren gleich mehrere Fußballmärchen schrieben, sind sie im fünften Bundesligajahr endgültig Teil des normalen Geschäfts. Sollte der Klassenerhalt glücken, muss Zingler viele wichtige Entscheidungen treffen. Sollte der Trainer weiter so eine schwache Position haben, die Kaderplanung wieder schief gehen und die Mannschaft weiter aus zu vielen Einzelkämpfern bestehen, könnte mit der nächsten Bundesliga-Saison nur ein weiteres kompliziertes Kapitel auf den Verein warten.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Union spiele die sechste Bundesligasaison. Die laufende ist jedoch die fünfte. Wir haben die Angaben korrigiert.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2024, 12:15 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 03.05.2024 um 16:33 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

32 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 32.

    Also,daß Interesse,ihrerseits, muss ja schon groß sein.Sonst würden sie den Artikel des Bundesliga Vereins ja nicht lesen.

  2. 31.

    Steffen Baumgart !!!! Klassenziel beim HSV nicht erreicht.....bei Köln auch nicht....

  3. 30.

    Das ist irgendwie typisch
    Bei Erfolgen wird gejubelt und wenn es mal nicht läuft, dann sind schnell die Schuldigen gefunden und werden verdammt.
    Dabei haben genau diese Führungspersonen immer gewarnt, dass nach einem solchen Aufschwung eine Delle kommen wird. Und so ist es gekommen.
    Nein, genau diese Führung ist jetzt weiter gefragt, mit den Erkenntnissen aus den Fehlern den Verein wieder zum Erfolg zu führen.

  4. 28.

    Nach einigen Fehlverpflichtungen im Bereich der Spieler, nun eine komplette Fehlbesetzung als Cheftrainer.
    Man kann nicht immer gewinnen.
    Klassenerhalt und nächstes Jahr wieder mit vernünftigen ehrenwerten Trainer Pokalsieg und gesichertes Mittelfeld :-)
    U.N.V.E.U

  5. 27.

    Als wenn das irgend jemanden wirklich interessiert wo dieser drittklassige Verein in Zukunft unter welchem Trainer auch immer spielen wird.

  6. 26.

    Vielleicht sollte sich die Vereinsführung von Union mal Gedanken machen, ob sie noch die Richtigen sind

  7. 25.

    Ein insgesamt guter Artikel, der sich wohltuend von denen z.B. des Kickers abhebt. Insofern vielen Dank, Till Oppermann! Nicht ganz so stimmig scheint mir freilich dessen Einschätzung, von einer „großen Familie“ könne „spätestens seit dieser Saison“ nicht mehr geredet werden. Ähm, haben denn große Familien keine Probleme? Definiert sich die Union-Familie denn essentiell über den Profikader und dessen Qualität? Nach Jahren, in denen es nur aufwärts ging, können wir Unioner es uns und skeptischen Journalisten zeigen, dass es kein substanzloses Gefasel ist, wenn von einer solidarischen Union-Familie die Rede ist. Eisern Union!

  8. 24.

    Berlin ist beim Profifußball eben doch Entwicklungsgebiet und wird es immer bleiben. Das ist auch gut so.

  9. 23.

    Daß Union in den letzten Jahren ein Fußballmärchen geschrieben haben soll, ist imo etwas übertrieben.
    Das ist ein Verein aus einer Großstadt mit Historie. Warum soll(te) der sich nicht mal in der Bundesliga etablieren ?
    Ruhnert hat zweifellos im Sommer-Transferfenster auf die falschen Pferde gesetzt, aber maßlos Geld hat er auch nicht verpulvert. Da gibt es zahlreiche negativere Beispiele im "Westen"
    Die mahnende Saison ist eigentlich gut und wichtig für eine weitere Konsolidierung, d.h. Kader mit hungrigen Perspektispielern besetzen und einen Trainer dazu, der sie begeisten und entwickeln kann. Bjelica wird das nicht können,
    dazu fehlt ihm die Aura und (habe es nicht beobachten können) die Trainingsmethodiken. Kann mir schon vorstellen, daß er das Team nicht unbedingt motiviert bzw. mitnimmt.

  10. 22.

    Totalitären Führungsstil? Nennen Sie doch mal Beispiele?

  11. 21.

    „Ich hoffe auf Jürgen Klopp - ganz im Ernst!“

    Dann gehen sie schon mal sammeln. Auch der „Familien-Verein“ Union wird langfristig durch die Geldmaschinerie im Fußball zerfressen.
    Das darin bewegte Geldvolumen hat längst jeden Raum von „Gut und Böse“ verlassen und wird auch diesen Verein vollständig kommerzialisieren.

  12. 19.

    Hr. Z. hatte viel für den Verein geschafft. Mit seinem totalitären Führungsstil aber auch viel kaputt gemacht. Er hat sich so leider überlebt.
    Jetzt sollten neue ran.

  13. 18.

    Ich hatte vor fast 8 Monaten an gleicher Stelle die Vermutung geäußert, dass die Sommertransfairs das Zeug haben, nicht nur das Gehaltsgefüge in Ungleichgewicht zu bringen.
    Jetzt steht der Union vor einem Scherbenhaufen und hat (hoffentlich in der 1. Liga) die Chance auf 'Schadensbegrenzung/Neuanfang'.
    Dazu sind aber einige wichtige Korrekturen (auch im Kader) notwendig.
    Rückbesinnung auf die eigenen Werte, vor allen Dingen auf den ursprünglichen 'Köpenicker Weg'.
    Ich wünsche viel Erfolg.

  14. 17.

    Die Champions League, so toll das Erlebnis auch war, hat der Mannschaft nicht gut getan. Die Zusammensetzung hat sich nicht zum Guten verändert, im Gegenteil. Die DNA, was das Team immer ausgemacht hat, der Kampfgeist, die Zielstrebigkeit und Effektivität sind verloren gegangen. Und nun? Back to the roots mit modernem Antlitz. Zurück zu alten Tugenden, ergänzt um eine moderne Spielweise ala Stuttgart.

  15. 16.

    „ Dieser Trainer passte nie zu Union.“
    Da kann ich Ihnen nur zustimmen.
    Ich hoffe auf Jürgen Klopp - ganz im Ernst!

  16. 15.

    Der FCU hat zehn Jahre in der 2. BL. gespielt und ist schon vorm Aufstieg in '19 ins Risiko gegangen, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Das hat nach einigen Anläufen ja auch geklappt und dann kamen sofort fette Jahre in der BL., die mw. etwas zu viel Enthusiasmus bei den Verantwortlichen ausgelöst haben.

  17. 14.

    Dass Bjelica als "Feuerwehrmann" und quasi Gegenpol zum Trainertyp Urs Fischer geholt wurde und keine Dauerlösung sein wird, war doch schon bei seiner Vorstellung klar. Er ist eben ein "Schleifer alten Typs", der die Mannschaft an die Kandarre nehmen sollte, da UF mit dem neu zusammengestellten Kader offensichtlich nicht mehr zurecht kam. Dieser Kader wurde in der Stunde des den Verein quasi überrollenden Erfolgs erstellt und man schielte damit zu sehr aufs dicke-Äppel-pflücken, was deutlich schief gegangen ist. Blöd eben, dass die Info gerade jetzt vor dem wichtigen Spiel gegen Bochum an die Presse durchgestochert wurde.

  18. 13.

    Natürlich. Fußballmärchen kommen gut an. Aber Freude empfinden, wenn's gut läuft, ist doch auch was schönes, oder? Ansonsten gebe ich Ihnen Recht. Insbesondere die Einkaufspolitik Ruhnerts wurde zu Recht schon vor Saisonbeginn kritisiert, aber letztlich musste der Trainer gehen, der diesen, sorry, Haufen nicht zusammen bringen konnte. Intern aber bleibt Ruhnert unangetastet.

Nächster Artikel