Fußball - Namhafte Zweitligisten: Die Tradition in der Krise

Sa 10.08.24 | 13:10 Uhr | Von Shea Westhoff
  18
Hertha-Choreo beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (Imago/IMAGO / Jan Huebner)
Bild: IMAGO / Jan Huebner

Ist es die beste zweite Liga aller Zeiten? Diesmal wohl wirklich. Bundesliga-Gründungsmitglieder, Europapokal-Sieger, gefühlte Spitzenklubs - alles dabei. Fußball-Romantiker freuen sich. Was hat das zu bedeuten? Von Shea Westhoff

Mmmh, lecker, 2. Liga. Wer ein romantisches Faible für Fußball hat, kann ja fast nicht anders, als bei der aktuellen Konstellation ins Schwärmen zu geraten. HSV, Schalke, Hertha, Braunschweig, der 1. FC Köln, Düsseldorf, Nürnberg, Karlsruhe: So viele klangvolle Namen, die fest verankert sind in der deutschen Fußball-Kultur.

Der Run auf die Arenen darf auch in dieser Spielzeit als gesichert gelten. Bereits in der vorigen Saison gab es Spieltage, an denen das Unterhaus mehr Besucher in die Stadien lockte als die Bundesliga.

Fans der Zweitligisten dürfen sich sogar doppelt freuen: Ihnen bleiben die ungeliebten Erstliga-Auswärtsfahrten an die Aller oder ans Elsterbecken erspart. (Ihnen sagt die Aller nichts? Das Elsterbecken auch nicht? Eben.)

Doch leider ist das eine verkürzte Darstellung. Denn die Situation der historisch etablierten Vereine ist in Deutschland eigentlich dramatisch. Es scheint, sie werden sukzessive aus dem Kreis der Sportelite verdrängt. Stattdessen übernehmen zunehmend kleinere, pfiffig wirtschaftende Vereine sowie von Unternehmen gelenkte Klubs die Bundesliga.

Warum tun sich Traditionsvereine trotz breiten Fan-Rückhalts so schwer? Und was bedeutet das für den deutschen Fußball?

Das Szenario

Ein Blick auf die Zweitliga-Tabelle von vor 20 Jahren gibt einen Hinweis, was den großen, noch verbliebenen Traditionsvereinen blühen könnte. Schon damals tummelten sich illustre Fußball-Adressen im Unterhaus - übrig geblieben sind die wenigsten. MSV Duisburg, Alemannia Aachen, 1. FC Saarbrücken, 1860 München, Rot-Weiß Oberhausen, Rot-Weiß Erfurt, Rot-Weiss Essen, Eintracht Trier, Erzgebirge Aue - Vereine mit breiter Basis und in Teilen üppig befüllten Trophäenschränken. Heute spielen sie im besten Fall noch drittklassig.

Es wirkt, als wäre die erste Schicht an Traditionsvereinen bereits vom Gipfel abgetragen. Und nun wartet die nächste Riege, die bislang nur halt etwas widerspenstiger war.

Christoph Breuer, Ökonom an der Kölner Sporthochschule, verweist allerdings darauf, dass es sowieso gar nicht möglich ist, dass alle Traditionsvereine erstklassig spielen. "Es gibt in Deutschland deutlich mehr als 18 solcher Klubs", sagt er. "Daher ist es nur konsequent, dass nicht alle in der ersten Liga spielen können." Trotzdem: "Es lässt sich beobachten, dass sich Traditionsteams schwer tun."

Fehlende Innovationsfreude

"Bei Nicht-Traditionsteams ist die Orientierung auf Innovation typischerweise stärker ausgeprägt", sagt Breuer. Auf der fachlichen Ebene lasse sich beobachten, dass es eher die Neulinge und weniger etablierte Klubs waren, die frühzeitig auf wissenschaftliche Unterstützung in der Scoutingabteilung, Gegnerbeobachtung und neue Trainingsmethoden gesetzt hätten.

Erschwerend kommt hinzu, dass historisch tiefer verwurzelte Vereine dazu neigen, in der Führungsetage eher auf die Lichtgestalt mit Klub-DNA zu setzen als auf den smarten Geschäftsmann.

Komplizierte Strukturen

"Erfolgreiche Nicht-Traditionsvereine ähneln häufiger einer zweckrationalen Organisation, die alleine die Maximierung des sportlichen Erfolgs zum Ziel hat", sagt Breuer. Hingegen sei das Organisationsziel bei einigen Traditionsteams diffuser.

"Traditionsvereine ähneln häufig politischen Organisationen, die unterschiedliche Stakeholder befrieden müssen", sagt Breuer. Zum Beispiel die Bedürfnisse einer breiten Fanbasis samt Ultra-Gruppierungen.

Solche Klubs lassen sich in ihren Entscheidungsprozessen mit einem schwerfälligen Dampfer vergleichen, der weniger gut auf die wechselhaften Bedingungen einer schnelllebigen Branche reagieren kann als ein wendiges Speedboot, um im Bild zu bleiben.

Fußball verändert sich, der Druck wächst

Die Klubs sind aber gezwungen, sich stets zu modernisieren und neu zu erfinden, wenn sie sich in einem Ligasystem behaupten wollen, das durch den Auf- und Abstieg von ständigem Druck geprägt ist.

Zudem gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Qualifikationsplätzen für das europäische Geschäft, auch dadurch verschärft sich der Wettbewerb. "Der Druck ist gewachsen, weil immer mehr Geld ins System gekommen ist, und sich insbesondere die europäischen Klubwettbewerbe überproportional kommerzialisiert haben", sagt Breuer. Dadurch entstehe auch in den nationalen Ligen eine zunehmende finanzielle Ungleichheit.

"Klubs, die sich regelmäßig von den finanziellen Fleischtöpfen Europas ernähren, können sich im Zweifelsfall auch Management-Fehler erlauben, weil genügend Geld da ist, um das aufzuwiegen", sagt Breuer.

Abwärtsspirale

Zweite Liga, Fußball-Romantik? Höchstens vorübergehend. "Der sportliche Abstieg bedeutet vor allem ein Risiko, weil sich im Jahr des Abstiegs die Ausgaben nicht schnell genug den verminderten Einnahmen anpassen lassen", so Breuer. "Traditionsvereine, die in den letzten Jahren abgestiegen sind, wie Schalke 04 oder zuletzt der 1. FC Köln, haben dann ruckzuck 30 bis 40 Millionen Euro weniger Einnahmen." Das abzufedern gleicht einer Mammutaufgabe.

Die zweite Liga vereint für Fußball-Romantiker unwiderstehliche Vereinsnamen, die auch in dieser Saison an manchen Spieltagen mehr Zuschauer anlocken werden als die Bundesliga. Trotzdem ist klar: Die Spitzen-Traditionsvereine werden alles dran setzen, um der Liga schnell wieder zu entkommen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.08.2024, 09:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

18 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 18.

    Das eine schließt das andere nicht aus. Es gibt mehr Möglichkeiten sich mit Fußball zu beschäftigen. Wenn ich selbst spiele ist das was anderes als wenn ich gucke, beim Zuschauern will ich unterhalten werden und gute Leistung sehen. Wenn es mir um Vereinsleben usw. geht, werde ich aktiv im Verein sein. Und natürlich generiert besserer Fußball mehr Geld. Leistung zahlt sich immer aus.

  2. 17.

    Sowohl der Artikel als auch die meisten Kommentare gehen am Thema 8oder Problem9 vorbei.
    Tradition war gestern, Erfolg ist heute. Deshalb gibt und gab es schon immer Vereine, die damals groß waren und heute in unteren Ligen spielen. Wenn keine neuen, innovativen Vereine den Sprung schaffen würden, hätte die Liga seit über 100 Jahren das gleiche Gesicht. Dann würde übrigens auch Union nicht erste Liga und international spielen.
    Das Problem ist vor allem die sehr ungleiche Verteilung der finanziellen Mittel, aber Profisport funktioniert leider nicht ohne Geld.
    Wem es genügt ausschließlich Fußball mit großen Namen und Legionären zu sehen, die zugegeben, den schöneren oder besseren Fußball spielen, wenn sie denn willens sind, der soll es tun. Ich bleibe lieber bei meinem Traditionsverein, auch wenn die Bäume hier nicht in den Himmel wachsen.

  3. 15.

    Die Erfolge von Traditions Vereinen liegen in der Vergangenheit. Wenn sie es nicht schaffen mit der Transformation des Fußballs Schritt zu halten, wird man über kurz oder lang sagen „ wisst ihr noch damals… „ .
    Abgesehen davon ist Tradition nicht an eine Liga geknüpft. Man kann Traditionen selbst im Amateurfußball pflegen. In dem Sinne den Traditionsverein keine Angst vor der Zukunft!
    Und ganz nebenbei entstehen so neue Traditionsvereine. Man könnte sogar behaupten, dass dieser Prozess noch mehr Traktion produziert. Demzufolge handelt es sich doch um einen Gewinn für alle.

  4. 14.

    Der "Kritische B...." hätte sich vor seinen Auslassungen zur "spitzenfußballose(n) Halbmillionenstadt Leipzig" (Zitat)
    a)über die Rechtschreibung von "...fußballlose",
    b)die Einwohnerzahl Leipzigs und
    c)den richtigen Verein, von dem RB das Startrecht
    übernommen hat, informieren sollen!
    RB Leipzig übernahm zur Saison 2009/10 das Startrecht des SSV MARKRANSTÄDT in der fünftklassigen Oberliga Nordost.
    Übrigens wird in Leipzig seit dem Aufstieg von RB in die 1. Bundesliga 2016 (wieder) Spitzenfußball gespielt!
    Unabhängig davon, wie Sie das einschätzen!
    Allein die Trainer, die RB trainiert haben, dürften für das "Konstrukt" sprechen. Drei von denen trainieren jetzt die Nationalmannschaften von Belgien, Österreich und der BRD.

  5. 13.

    Es wird mehr als Zeit, den zweiten Liegen Europas einen internationalen Wettbewerb zu schaffen. Das würde dem Niveau und der Klasse der Ligen gerecht werden.

  6. 12.

    Die kleinen Stadien von Augsburg, Mainz, Union, Hoffenheim, Heidenheim, Pauli, Kiel, Leverkusen, Wolfsburg lassen sich vergleichsweise schlecht vermarkten im weltweiten Vergleich und die 2.Liga gewinnt zunehmend an Attraktivität, was sich auch in höheren TV-Beteiligungen widerspiegeln sollte.

    Falls sich die Traditionsvereine selbst in der Lage sehen sollten, eine clevere Selbstvermarktung zu realisieren, könnte über eine vermarktungstechnische Abspaltung von der 1.BL etwas lauter nachgedacht werden.

  7. 11.

    Die Kund*innen ("Fans") der Zweitligisten sind das Rückgrat für die Millonengehälter völlig überbezahlter Sportler und deren Beratungsagenturen. Umso mehr Leute man mit dem Schrott veralbert, umso mehr kann man sich am Ende auszahlen. Immer noch das sicherste Schneeballsystem.

  8. 10.

    Ja und? Spielen trotzdem guten Fußball, oder gerade deswegen? Außerdem ist das 1. BL. Hier wird die 2. BL besprochen, und da sind wirklich gute Teams dabei. Es wird wohl zunehmend schwerer, wieder aufzusteigen.

  9. 9.

    Die Red Bull GmbH kontrolliert mit Segen des DFB u. in Widerspruch zu 50+1 seit 2009 in der spitzenfußballosen Halbmillionenstadt Leipzig eine Außenstelle ihrer Fussball"BSG" nach Übernahme der Spielgenehmigung v.SSV Markleeberg.
    Nach dem Vereinsrecht widerspricht die rigorose Beschränkung der Mitgliederzahl (früher 17! von RB abhängigen Mitgliedern-aktuell etwas über 1000-eine beeindruckende Zahl für einen Bundesligisten!) dem Vereinsrecht. Der Vereinsname ist eine kaschierte Werbebotschaft.

  10. 8.

    Bin auch eher Fußballfan als Vereinsfan. Mich interessieren besonders internationale Spiele. Da bin ich halt auf Erfolg und Leistung aus. Die zweite Liga ist seit letzter Saison aber auch interessanter geworden. Ich hab mehrere Vereine, die ich mindestens beobachte. In jedem Fall bin ich gespannt, wie sich Pauli in der Ersten Liga schlagen wird. Fand den bisherigen Trainer klasse. Ich also relativ offen. Aber Leistung ist schon wichtig.

  11. 7.

    Für mich sind Liga 1-3 interessant und bei bestimmten Mannschaften auch die Regionalliga . Und ich würde mich nicht als Fanboy bezeichnen, da mich diverse Klubs interessieren: Union, Hertha, Rostock, HSV, Greifswald, Altglienicke…

  12. 6.

    Bin genau anderer Meinung, nur die oberste Liga ist interessant. Sie können sich gerne einen Verein in den unteren Ligen suchen.

  13. 5.

    Hier sind noch mehr erwähnenswerte Vereine vergessen worden. Egal ob West oder Ostverein.
    Zum Beispiel der 1. FC Magdeburg
    Oder der 1. FC Kaiserslautern, der 4 malige Deutsche Meister der als einziger Aufsteiger Meister wurde. USW.

  14. 4.

    Die Frage die man sich als Fan von einem dieser Vereine stellen muss ist meiner Meinung nach: Will man zumindest die letzten Werte in einem Verein behalten oder will man das maximal ausschlachten und verkaufen um dann potentiell in der ersten Liga oder international zu spielen?
    Ich bin persönlich dafür, dass man nicht seine Werte verkaufen sollte (obwohl das bei den Profivereinen schon mehr oder weniger zu spät ist) und lieber in einer unterklassigen Liga spielt.
    Das Rad ist bereits überdreht und ich würde mich freuen wenn sie es wieder etwas zurück drehen. Alle die maximalen Profit für „besseren“ Fußball haben wollen, sollen sich einen Verein wie Manchester City oder PSG suchen.

  15. 3.

    Vergessen wurden wieder einmal die ganzen traditionsreichen Ostmannschaften, die teilweise nur noch in der 4. Liga rumdümpeln.
    Verstehe nicht warum nicht als erste Maßnahme einfach mal die erste und zweite Liga auf 20 Mannschaften aufgestockt werden !?
    Ansonsten ist eins klar, auch wenn alle Traditionsmannschaften perfekt wirtschaften würden wären einige nicht mehr dabei, sonst müsste man die Ligen sogar auf 30 oder 40 Mannschaften aufstocken.

  16. 2.

    Nein, darüber sollte nicht nachgedacht werden. Leider gibt es bereits einige Mannschaften, für die Ausnahmen gelten. Eine dauerhafte Bindung der Fans lässt sich so jedoch nicht erreichen. Es sind dann Unternehmen ohne Tradition und Herz.

  17. 1.

    Vielleicht muss da nochmal über die 50+1 nachgedacht werden, ob sie noch zeitgemäß ist.

Nächster Artikel