Foto-Ausstellung | "Black in Berlin" - Menschen nicht nur betrachten, sondern ihnen begegnen

Eine Ausstellung gegen das Gefühl des Alleinseins als Schwarzer in Berlin. Der Fotograf Yero Adugna Eticha zeigt im "f³ - Freiraum für Fotografie" intensive Porträts von Afro-Schwarzen Deutschen und der Diaspora in Berlin. Von Marie Kaiser
"Ich lebe seit 25 Jahren in Deutschland und die ganze Zeit, die man hier wohnt oder lebt, fühlt man sich mehr oder weniger alleine. Alleine als Schwarzer." Das sagt der Fotograf Yero Adugna Eticha kurz vor der Eröffnung seiner ersten Einzelausstellung "Black in Berlin" im Kreuzberger "f³ - Freiraum für Fotografie". Der gebürtige Äthiopier hat an der renommierten Ostkreuz-Schule Fotografie studiert und ist gerade dabei seinen Master an der Universität der Künste in Berlin zu machen.
Mit Black Lives Matter fing alles an
Die Idee zur Ausstellung entstand durch die weltweite Black-Lives-Matter-Bewegung. Auch in Berlin wurde nach dem Tod von Breonna Taylor und George Floyd durch die Gewalt von weißen Polizisten in den USA demonstriert. 2020 war Yero Adugna Eticha am Alexanderplatz auf einer Silent Demo, bei der sich 15.000 Menschen versammelten, darunter auch viele Schwarze, die in Berlin leben. "Das war ein ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Und da habe ich mir das erste Mal die Frage gestellt: Wo wart ihr denn alle? Also warum hab ich euch vorher nicht getroffen?", erklärt Yero Adugna Eticha.
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl wollte er als Fotograf weitergeben und möglichst viele der Afro-Schwarzen Deutschen und Schwarzen in der Diaspora, die er auf den Demos trifft, porträtieren. Doch schnell merkt er, dass die Demonstrationen für ihn nicht der richtige Ort sind, um zu fotografieren. Yero Adugna Eticha beginnt insgesamt 3.500 Flugblätter in Berlin zu verteilen und die Menschen in sein Studio in Moabit einzuladen. "Jedes einzelne Flugblatt habe ich persönlich demjenigen gegeben, der mir ähnlich ist. Also Schwarzdeutscher oder Afrodeutscher oder aus der Afro-Diaspora. Jeder Siebente hat sich bei mir gemeldet und ist in mein Studio gekommen. So sind insgesamt 530 Porträts entstanden."
Afrika ist kein kleines Dorf
Im "f³ - Freiraum für Fotografie" ist jetzt eine Auswahl von 50 schwarz-weiß Fotografien zu sehen, die von einer großen Nähe und einem Vertrauen zwischen dem Fotografen und den Porträtierten zeugen. Unter jedem Porträt stehen die Namen der Fotografierten. Noella, eine junge Frau mit Afro, großen silbernen Creolen-Ohrringen und Sommersprossen auf der Nase schaut mit ganz intensivem Blick in die Kamera.
Von einem jungen Mann namens Vertal ist nur der in die Luft gereckte Arm, der Ansatz der Stirn und das Haar zu sehen. Er ist in Bewegung, vielleicht gerade dabei zu tanzen. "Ich will ihre Individualität sichtbar machen. Denn oft begegnet mir in Berlin noch das Vorurteil, Afrika sei kein Kontinent, sondern ein kleines Dorf. Da sind 200 Leute und jeder kennt sich. Ich wollte zeigen, wie individuell verschieden Schwarze Menschen in Berlin sind. Unter den 530 Fotografierten gab es Opernsänger oder Schauspieler oder Musiker, Schriftsteller, über vierhundert unterschiedliche Berufe. Das war schön, zu sehen, dass wir überall sind."
Viel Zeit für den Menschen
Beim Betrachten der Bilder wird spürbar, wieviel Zeit sich Yero Adugna Eticha genommen hat, die Menschen kennenzulernen, bevor er auf den Auslöser gedrückt hat. Es entsteht nicht das Gefühl, diese Menschen einfach nur zu betrachten, sondern ihnen zu begegnen.
Auf einem Foto ist die Mutter Nuwella mit ihren beiden Söhnen Egon und Eugene zu sehen. Alle drei haben die Augen geschlossen und scheinen zu träumen. Vor der Brust hat Nuwella die Hände verschränkt und umschließt zärtlich die Hände der Jungen.

Die erste schwarze Moderatorin bei der Tagesschau
"Wenn ich den Leute Zeit gebe, dann haben sie auch das Gefühl, mir vertrauen zu können. Sie sind manchmal eine Stunde, manchmal aber auch vier Stunden bei mir im Studio gewesen. Als erstes biete ich ihnen Kaffee, Tee oder Wasser an. Und dann habe ich die Menschen gebeten, ihre Träume aufzuschreiben oder aufzumalen. Ich hab das Gefühl gehabt, die Leute haben aufgehört zu träumen, weil das Leben ist so eng geplant. Ich wollte sie wieder zum Träumen bewegen", verrät Yero Adugna Eticha.
Eine Auswahl der Träume hängt nun als eine Art Collage an einer Wand in der Ausstellung. "Bundeskanzlerin werden" steht da, "Die erste schwarze Moderatorin bei der Tagesschau werden", "Farbenblinde Gesellschaft", aber auch "Mein Träum wäre, ruhig streiten.".
Ein ausgeprägtes Gespür für Komposition
Wer sich die Fotografien in Yero Adugna Etichas erster eigener Fotoausstellung "Black in Berlin" anschaut, dem fällt nicht nur die Ruhe und das Vertrauen auf, mit dem Yero Adugna Eticha fotografiert. Sondern auch sein ganz ausgeprägtes Gespür für Komposition und ungewöhnliche Bildausschnitte. Etwa im Porträt von Ashley, die auf einer Fußbank steht und den Oberkörper wie bei einer Entspannungsübung nach vorne hängen lässt. Zu sehen sind nur ihre Arme, der Rücken, der Nacken und der Hinterkopf mit zum Boden baumelnden Rastazöpfen. Ein Tattoo zieht sich wie eine gerade Linie entlang der Wirbelsäule, ein anderes als Kreis um den Oberarm.
Auf einem anderen Foto verschwindet das Gesicht des vornehmen Sir Dama in Anzug, Krawatte, Strohhut und mit Tabakspfeife fast vollständig hinter einer weißen Rauchwolke. Nur die Augen bleiben klar erkennbar und blicken direkt in die Kamera. Zu vielen der Porträtierten hält der Fotograf weiterhin Kontakt. Und für Yero Adugna Eticha ist das Foto-Projekt "Black in Berlin" nach 530 Porträts auch noch nicht abgeschlossen. "Ich will einfach weiter Leute kennenlernen", sagt Yero Adugna Eticha.

Sendung: Radioeins, 28.02.2024, 08:40 Uhr
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