Kommentar zur Debatte im Brandenburger Landtag - Erbärmlich, krank und korrupt - sind immer die Anderen
Eine Landtagsdebatte im Brandenburger Parlament wurde am Donnerstag zu einem Schlagabtausch über die Demokratie. Die AfD hatte eine Debatte zum "Parteienstaat" beantragt. Ein Kommentar von Thomas Bittner
Die Brandenburger AfD wollte am Donnerstag in einer Landtagsdebatte über das sinkende Vertrauen in die Demokratie reden. Dazu gibt es ganz sicher Anlass. Denn das gesellschaftliche Miteinander wird derzeit einem gewaltigen Stresstest unterzogen. Alle spüren den hohen Veränderungsdruck, der Streit um die richtige Reaktion ist allgegenwärtig. Auf den Straßen und in den Parlamenten geht es hoch her.
Doch die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag hatte nicht wirklich vor, Ideen für demokratische Lösungen zur Debatte zu stellen. Sie wollte ihre Konkurrenten als Teil eines "Parteienstaates" diffamieren, den sie abschaffen will. Und sich selbst als Opfer darstellen, das mundtot gemacht werde. Von "parteipolitischer Monopolbildung bei der Willensbildung" war im Antrag die Rede.
Dies ist ein schräger Blick auf die politische Landschaft. Parteienmonopol? Ausgerechnet in dieser Zeit, in der sich oftmals gleich drei Parteien in einer Regierung zusammenraufen müssen, in der sich mehr Parteien als je zuvor die Parlamentssitze teilen, in der sich auch neue Parteien gründen? Dass Hans-Christoph Berndt das Land Brandenburg einen Weg in Richtung Vor-Gorbatschow-DDR einschlagen sieht, ist eine Verzerrung historischer Tatsachen.
Sprache ist verräterisch
Man muss bei der AfD genau zuhören. Wenn eine nach Wahlen und Koalitionsbildung zustande gekommene Regierungsmehrheit zu Entscheidungen kommt, nennt AfD-Fraktionschef Berndt das "erbärmliche Macht". Wenn ein Gesundheitsministerium per Haushaltsbeschluss zusätzliches Personal für die Krankenhausplanung zugesichert bekommt, bezeichnet er das als "Korruption". Wenn der Fraktionsvorsitzende einer konkurrierenden Partei die AfD kritisiert, spricht AfD-Geschäftsführer Hohloch von "geistigem Abwasser". Wenn der Verfassungsschutz prüft, wo die freiheitlich-demokratische Grundordnung angegriffen wird, erklärt man das als "krankes Denken". Wenn die Bundesinnenministerin ein Paket gegen Rechtsextremismus vorschlägt, wird das als "Putschplan" gegeißelt.
Die Sprache ist verräterisch. Erbärmlich, krank und korrupt sind immer die Anderen. Es ist die Verunglimpfung der demokratischen Institutionen, das Infragestellen ihrer Legitimation, mit der die AfD Zweifel an der Demokratie säen will.
Was Wahrheit und was Lüge ist, entscheidet die AfD
Und immer wieder blinkt durch, wie die AfD agieren würde, wenn sie selbst die Macht hätte. Die Landesregierung solle die Lügen öffentlich-rechtlicher Sender "abstellen", fordert sie. Und reagiert damit auf die Berichterstattung über das Treffen mit Rechtsextremisten in einem Potsdamer Gästehaus. Was Wahrheit und was Lüge ist, entscheidet in einem solchen Kosmos natürlich die AfD. Von Staatsferne und Pressefreiheit ist im Antrag nichts zu lesen.
Geld für Demokratie-Projekte will die Partei streichen, es werde mit der AfD "keine Steuergelder für linksradikale Vereine" geben. Wer als linksradikal gilt, das beurteilt in einer AfD-Welt natürlich auch die Partei.
Die AfD konnte ihre Positionen in der Landtagsdebatte in aller Öffentlichkeit präsentieren. Ihr schlug Widerspruch aus allen Fraktionen entgegen, egal ob Regierung oder Opposition. Aus einer geplanten Aktuellen Stunde wurde wegen der lebhaften Diskussion ein ganzer Debatten-Vormittag. Mundtot war dabei niemand.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.02.2024, 16 Uhr