US-Wahlnacht in Berlin - "Es ist eine so große Enttäuschung für mein Land. Es ist wie ein Albtraum."

Mi 06.11.24 | 13:17 Uhr | Von Tim Schwiesau
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US-Wahl vom Aspen-Institut (Quelle: rbb24)
rbb24
Video: rbb|24 | 06.11.2024 | Material: Hari Sas und Emma Geprägs | Bild: rbb24

Die US-Wahl wurde auch in Berlin gespannt verfolgt – und gefeiert. In der ganzen Stadt haben sich in der Nacht Politik, Wirtschaft, Kultur, Amerikaner und sonstiges Partyvolk getroffen. rbb|24 war dabei.

0:30 Uhr in der Landesvertretung Baden-Württemberg

Ausgezählt ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Die ersten Wahllokale in Georgia (Swing State), Indiana, Kentucky, South Carolina, Vermont und Virginia schließen erst in 30 Minuten. Letzter Staat: Alaska um 7 Uhr Berlin-Brandenburger Zeit.

Muffins, vegetarische Maultauschen, Trump-Aufsteller

Das Aspen Institut – eine US-amerikanische "Denkfabrik" – hat in die Landesvertretung Baden-Württembergs am Tiergarten eingeladen. Rund 1.200 Menschen sollen hier sein. Kurz vor 23 Uhr kommt eine Mail: "Bitte erstmal nicht mehr kommen. Wir sind voll." Vorherrschende Kleidung: Sakko, schickes Kleid. Peek & Cloppenburg statt H&M. Hier wird deutlich mehr Deutsch als Englisch geredet. Es gibt Sekt und – wir sind in der Vertretung Baden-Württemberg – Tannenzäpfle. Der Ausschank dauert relativ lang für eine Party.

Die Zeit kann man sich aber mit bunten Donuts, Brezeln oder Muffins eines deutschen Discounters vertreiben. Für den größeren Hunger gibt’s – wir sind immer noch in BaWü – vegetarische Maultauschen. Die Mutigen trauen sich, mit Pappaufstellern von Donald Trump fotografieren zu lassen. Der Griff nach Kamala Harris geht deutlich leichter von der Hand. CNN scheint Medienpartner zu sein, auf übergroßen Screens laufen die vertrauten Gesichter von Anderson Cooper, Dana Bash oder Kate Bolduan (wer sich noch an die lange Auszählung 2016 erinnert – das sind die Leute, die wir damals häufiger gesehen haben als unsere Lebenspartner). Davor spielt eine ziemlich gute Jazzband.

US-Wahl vom Aspen-Institut (Quelle: rbb24)

Hofreiter, Klöckner, Staatssekretärin im AA

Auch die Politik treibt sich hier herum: Anton Hofreiter (Grüne) ist zu sehen, außerdem Julia Klöckner (CDU), oder der Berliner Ex-Senator Thomas Heilmann (CDU). Auf der Bühne in einem Innenraum spricht unter anderem Katja Keul, Grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Was glauben die Leute, wer gewinnt? Harris. Harris. Trump (aber Wunsch Harris). Trump. Harris (aber skeptisch, ob das klappt). Manch einer versteht, warum die Amerikaner Trump wählen. Knapp wird es allemal.

Ella Streng ist 23 Jahre alt und Amerikanerin, sie studiert an der FU. "Ich denke, dass ich hier einen neutraleren Blick haben kann. Weil die Dinge für Amerikaner so persönlich sind. Ich finde es wirklich wertvoll, die USA aus deutscher und europäischer Perspektive kennenzulernen, weil ich das Gefühl habe, eine umfassende und weniger voreingenommene Sicht auf die amerikanische Geschichte und Politik zu erhalten."

US-Wahl vom Aspen-Institut (Quelle: rbb24)

Über 21.000 US-Bürger in der Region

Felipe Valdez, 41 Jahre alt, ist vor sechs Jahren nach Berlin gekommen, um für ein Startup zu arbeiten. Er hat via Briefwahl seine Stimme für Kamala Harris abgeben. Seine Mutter kommt aus Kolumbien, die Großeltern des Vaters aus Mexiko. Warum viele Amerikaner mit Migrationsgeschichte Donald Trump wählen, kann er nicht nachvollziehen. "Es ist ein heikles Thema, aber die Schaffung eines Weges für hart arbeitende Einwanderer, die illegal in die USA gekommen sind, aber einfach nur ein besseres Leben für sich und ihre Familie wollen, ist definitiv etwas, das ich unterstütze. Auch aus humanitärer Sicht."

Mehr als 21.000 US-Bürger wohnen in Berlin und Brandenburg. 20.110 leben nach Angaben des Statistischen Landesamts in der Hauptstadt, 18.636 von ihnen sind 18 Jahre und damit wahlberechtigt (Stand 12/23). In Brandenburg wohnen 1.378 US-Amerikaner, 1.245 davon durften an der Wahl teilnehmen.

02:20 Uhr. Die ersten Staaten sind ausgezählt. Laut CNN gewinnt Trump in Kentucky und im Swing State Georgia. Harris in Vermont oder Deleware. Trump führt mit 95 Wahlleuten, Harris hat 35. Wer 270 Wahlleute holt, wird Präsident:in. Aber die Nacht ist lang. Auf zum nächsten Ort.

US-Wahlparty im Babylon (Quelle: rbb24)

3:45 Uhr Babylon Berlin

Eigentlich laufen hier tagsüber Filme wie "Der Himmel über Berlin", "A guardia di una fede" oder "Metropolis". Doch in dieser Nacht haben sie MSNBC auf die Leinwand im im Berliner Kino Babylon geworfen. Die "Democrats abroad" veranstalten hier ihre Wahlparty. Im Foyer grüßen Kamala Harris und Vize Tim Walz aus Pappe.

Gegen 4 Uhr läuft der Film: "Too close to call". In vielen Staaten ist es zu knapp, um die Wahlmänner an Donald Trump oder Kamala Harris zu geben. Laut New York Times hat Trump gerade knapp "70 percent chance of winning". Doch die Frauen am Counter sagen: "Zu früh, das schon abzuschenken. Ist alles drin."

Der Kinosaal ist luftig gefüllt. Auf rund 40 Plätzen lümmeln Körper. Es ist duster. Es riecht nach süßem und salzigen Popcorn in Kombination mit einem deutlichen Bieraroma. Wie nach einem Actionfilm liegen Popcorn und Flaschen an den Sitzen. Ab und zu brandet Jubel auf, wenn ein Demokrat eine Umfrage für sich entscheiden konnte (um Senat und Repräsentantenhaus geht’s heute Nacht auch).

US-Wahlparty im Babylon (Quelle: rbb24)Die ARD-Wahlparty läuft in einem Nebenraum des Babylon. Zwei nette Menschen schauen sich das an.

Wie ist die Stimmung? Scott und Bruce sind schon einigermaßen angezündet und halten noch ein volles Bier in ihren Händen. Beide kommen aus Texas und wohnen seit knapp drei Jahren in Berlin. Scott macht es wütend, dass Menschen ihre Stimme nicht nutzen. "Wenn Trump gewinnt: Wir sind hier in Sicherheit. Aber in den USA kann alles passieren" und erinnert an das Waffengesetz, das einem erlaube, Waffen zu tragen, die sonst nur das Militär tragen sollte. Am meisten Angst mache ihnen, dass die ganzen Lügengeschichten nicht aufhören - und Trump dennoch so weit komme.

Albert studiert seit neuestem Geschichte und Politik in Berlin. "Eine zweite Trump-Präsidentschaft wäre auch für Europa gefährlich. Bei der ersten war er nicht vorbereitet. Jetzt schon. Die Auswirkungen wären wohl drastischer." John ist Kanadier. "Ich hoffe, dass Harris gewinnt, aber mein Bauch sagt mir, dass es Trump wird." Markus aus München ist gegen 5:00 Uhr auch nicht mehr zuversichtlich. "Die Hoffnung schwindet."

Ein Mann aus den USA sagt: "Alles steht auf dem Spiel, wenn Trump gewinnt. Das gefährdet die Demokratie." Sarah am Empfang ist "müde, aber noch optimistisch". Klar, im Moment sei die Karte noch "rot", aber die blaue Welle komme noch.

US-Wahlparty im Babylon (Quelle: rbb24)

Madison aus Maryland freut sich, dass Harris ihren Bundesstaat gewonnen hat und dass das Recht auf Abtreibung nun in der Verfassung stehe. "Und jetzt versuche ich auch für die Gesamtwahl optimistisch zu sein." Auch Eric benutzt mehrfach das Wort "optimistisch". Und überhaupt schwebt hier bei den Demokraten im Babylon durchaus noch Optimismus und Hoffnung durch die Hallen. Volle Zuversicht aber nicht mehr - nicht um 5:00 Uhr. Aber Cameron, stellvertretender Vorsitzender der Democrats, gibt nicht auf: "Die westlichen Staaten kommen noch."

Im Foyer quatschen fünf, sechs Leute miteinander in tiefstem amerikanischen Slang. Der Ess- und Getränkecounter hat offen. Es wird fleißig Bier, Wein und salziges Popcorn herausgegeben. Immer wieder gehen Leute, doch es kommen auch immer wieder neue.

Trumps "chance of winning" gibt die New York Times um 5:40 Uhr mit 89 Prozent an.

Blaue und rote Demokratenballons platzen. Das Babylon schließt.

US-Wahlnacht im Café Plume (Quelle: rbb24)

07:05 Uhr Café Plume in Neukölln

Laut CNN und New York Times scheint der Sieg von Trump sicher, gerade hat er Swing State Georgia geholt und Harris wiederum ihren Auftritt bei den Demokraten abgesagt.

In der Bar riecht es nach frischen Franzbrötchen aus dem Ofen und Espresso, der pur, aber auch im Espresso Martini verabreicht wird. Exakt zehn Menschen verfolgen hier die CNN-Wahlsendung. Warum gucken die das um diese Uhrzeit noch? Und wie ist die Stimmung – in drei Worten?

Hartley: "Not so good."

Krista: "Enttäuscht. Traurig. Hoffnungslos." Sie kommt aus den USA und konnte eh nicht schlafen. "Es ist eine so große Enttäuschung für mein Land. Es ist wie ein Albtraum."

Ibrahim: "Hin und her gerissen. Traurig." Was in den USA passiert, tangiere die ganze Welt.

Tommy: "Überrascht. Traurig. Gespannt." Die Nacht hat er sich für und mit einem US-amerikanischen Freund um die Ohren geschlagen.

Indra: "Sprachlos. Ich bin nicht sehr schockiert, aber enttäuscht. Ich bin noch nicht bereit zu akzeptieren, was in den nächsten Jahren kommt."

Ein Gast fragt: "Kann ich noch zwei kleine Bier haben, bitte?"

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.11.2024, 7:50 Uhr

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Beitrag von Tim Schwiesau

158 Kommentare

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  1. 158.

    Welche seriösen Medien konsumieren Sie? Vielleicht ist das Ihre Wahrnehmung, aber ich empfinde eher eine sehr klare und ehrliche Berichterstattung. Wer das auch noch zerredet, hat viel von Trump gelernt. Das äußern von Unwahrheit ist eben nur Unwahrheit, wenn jemand aber Unwahrheit glauben will, obwohl er es besser weiß, ist für mich niemand, dem ich vertrauen könnte. Ich mag ehrliche Menschen und geradlinige Menschen und Menschen mit Gewissen.


  2. 157.

    "Wieviele Wissenschaftler, Experten, Politiker im bzw. für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben dieses Ergebnis öffentlich Prognostiziert?"
    Antwort: wenige!
    Das Ergebnis ist ein gutes Beispiel dafür wie weit Wunschdenken und Realität voneinander entfernt sind!

  3. 156.

    Eine Antwort auf "Drei" ist zwecklos. Sein einziges Bestreben ist es, Menschen zu provozieren. Das hat er vorhin fast wortgleich auch schon bei jemand anderem versucht, der zweifelsohne eine gute Antwort parat hatte. Aber letztendlich ist dieser Mensch nichts weiter als als ein Provokateur und Troll ;-). Danke für Ihre Kommentare, ich finde Sie richtig gut.

  4. 155.

    Offenbar haben Sie nicht registriert, dass es fast ausschließlich hieß, das wird knapp. Selbst Meinungsforscher in den USA haben keine sichere Prognose abgegeben. Ich frage mich, wie Sie zu der Einschätzung gekommen sind.

  5. 154.

    Schön zu lesen das Präsident Selenskyj Hoffnungen auf einen „ gerechten Frieden“ hat. Er hat’s verstanden. Er wird ihn bekommen. Thank you, Mister President!

  6. 153.

    Nein kann er nicht. Das ist das schöne am amerikanischen Wahlsystem. Insgesamt zwei Legislaturperioden, dann ist endgültig Schluss für Meister Trump!

  7. 152.

    ...eigentlich total egal wer Präsident der USA ist.
    Wir bräuchten jetzt nur Politiker die ein Arsch in der Hose haben, anständiges Rückrad...und endlich mit diesen ganzen Phrasen aufhören anstatt mal Fakten zu sagen, Ideen anzugehen.

    Dann kann der Trump tun was er will...

    Wir hier, sind Wer! Wir sind Was!

  8. 151.

    "Wie Sie sich hier arrogant über 70.000.000 US-Wähler echauffieren und ihnen oberflächliche Minderintelligenz attestieren spricht NICHT für Sie."

    "Danke für Ihre Offenbarung eigener Defizite."

    "Darüber hinaus dürfen Sie davon ausgehen, dass unter den 70.000.000 Wählern auch Bürger mit höherem Bildungsabschluss und IQ als Sie sein werden."

    "Darauf würde ich wetten."

    Was machen Sie hier eigentlich, außer andere Foristen versuchen zu provozieren? Haben Sie auch irgendein sachliches Argument? Wenigstens irgendein sachliches Argument zur eigentlichen Wahl? Und dann fast noch wortgleich wie bei dem letzten Foristen, jetzt nur noch mit einem Zusatz und natürlich anderem Nick "Zwo (101), Drei".

  9. 149.

    "Das sind m.M. nach die Ursachen, weshalb Menschen rechts oder ungebildete Pöbler und Lügner wie Trump wählen. Der Bürger glaubt Versprechen, dass diese alles besser machen. Der Verstand, sofern vorhanden, setzt dann eben aus."

    Für mich eine völlig falsche Argumentation. Ebenso das, was Sie über die "Ostwahlen" von sich geben. Exakt solche Phantomdiskussionen um Bildungsstand ignorieren das reale Problem. Ist auch super bequem diese ausgrenzende Argumentation. Nur dumm, dass die vermeintlich Ungebildeten immer mehr werden und in vielen Teilen Europas bereits das Sagen haben. All dies ist ein Zeichen und ein Resultat dessen, was passiert, wenn Politik nicht mehr auf die Bürger hört, denen sie zu 100% zu dienen hat. Viele Politiker vergessen dies in ihrer Ideologieblase, in welcher sie existieren. Exakt dies zeigt sich bereits in Europa. Und es wird noch deutlich an Tempo gewinnen. Exakt so lange, wie die Ursachen dafür existieren. Und dies ist nicht der Bildungsstand der Menschen!

  10. 148.

    Der andere konnte nur vom Zettel ablesen. Kennen Sie den noch?

  11. 147.

    Ein höherer Bildungsabschluss schließt nicht aus, naiv zu sein, Bildung und Intelligenz sind 2 unterschiedliche Paar Schuhe.

  12. 145.

    Allein die Art der Rhetorik beleidigt meinen Intellekt. Ein Greis, der sich braune Farbe ins Gesicht schmiert und dann in einem naiven Tonfall erzählt, dass Einwanderer meine Haustiere essen, ist für mich bemitleidenswert, ich würde ihn meiden, wo es nur geht, aber ihn bejubeln und wählen? Wer ist so einfältig?

  13. 144.

    Wieviele Wissenschaftler, Experten, Politiker im bzw. für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben dieses Ergebnis öffentlich Prognostiziert?
    Ich registriere nur verdutzte, verwunderte, irretierte Reaktionen.
    Oder gibt es da doch einen der nun äußern kann (darf): Seht ihr, ich habs doch gesagt!

  14. 143.

    Die Diskussion hatten wir heute auch. Das geht wie bei der AfD und dem BSW munter weiter.

  15. 142.

    Sie meinen, es hat etwas mit Intelligenz zu tun, wenn man Trump wählt? Das bezweifle ich.

  16. 141.

    „Das zieht bei "einfach gestrickten Wählern".“

    Wie Sie sich hier arrogant über 70.000.000 US-Wähler echauffieren und ihnen oberflächliche Minderintelligenz attestieren spricht NICHT für Sie.

    Danke für Ihre Offenbarung eigener Defizite.

    Darüber hinaus dürfen Sie davon ausgehen, dass unter den 70.000.000 Wählern auch Bürger mit höherem Bildungsabschluss und IQ als Sie sein werden.

    Darauf würde ich wetten.

  17. 140.

    Ja, treffend beschrieben. Simpel gestrickte Leute mit simplen Parolen ködern, bei denen man nicht lange nachdenken muss. Die Bild-Zeitung hat ihre (ehemals) hohe Auflage genau diesen simplen Überschriften zu verdanken. Einfach Gehirn ausschalten und simple Sprüche konsumieren. Und ein paar cheauvinistische Parolen dazu. Ohne Rücksicht auf Verluste.

  18. 139.

    Das machten die schon vor Jahren.
    Kommentarmäßig empfinde ich die auch immer schlimmer (postionierter), öffentlich-rechtlich halt.
    Und der ehemals coole Volker ist in der Abendschau auch eher nicht zu ertragen, also umschalten!

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