BrandenburgTrend | Analyse - Das Woidke-Feuerwerk ist verpufft

Di 10.12.24 | 18:00 Uhr | Von Hanno Christ
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Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow)
Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Nachdem sich der Pulverdampf der Landtagswahl verzogen hat, ordnen sich die Kräfteverhältnisse in Brandenburg. Die neue Koalition von SPD und BSW trifft auf viel Skepsis. Die alte von SPD, CDU und Grünen hätte sogar wieder eine Mehrheit. Von Hanno Christ

Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen im September bei der Landtagswahl. Wer würde stärkste Kraft werden in Brandenburg: Wie bislang immer schon die SPD - oder tatsächlich erstmals die AfD? Ministerpräsident Woidke ging damals volles Risiko und verknüpfte den Wahlsieg mit seiner politischen Zukunft. Die "Entweder ihr wählt mich gegen die AfD oder ich schmeiße hin"-Strategie führte zu einer enormen Polarisierung und ließ andere Parteien unter die Räder geraten.

Die CDU erzielte das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte im Land, die Bündnisgrünen – eben noch in der Regierung – flogen in hohem Bogen aus dem Parlament. Auch die Linke kam erstmals in Brandenburg nicht mehr in den Landtag. Sie wurde allerdings wohl eher vom neuen Bündnis Sahra Wagenknecht kannibalisiert als von der Woidke-Ansage.

Kenia-Koalition hätte wieder eine Mehrheit

Der noch im September aufsehenerregende Woidke-Effekt hingegen ist verpufft. Er ist zwar immer noch der bekannteste und beliebteste Politiker im Land. Im Brandenburg-Trend des rbb wird aber deutlich, welchen parteipolitischen Flurschaden die All-in-Taktik der SPD womöglich angerichtet hat und das Parlament zu einer Vier-Parteien-Kammer hat schrumpfen lassen.

Wären am Sonntag wieder Wahlen, hätte die alte Regierungskoalition sogar die Chance auf ein zweites Leben: Die CDU erholt sich im Windschatten des CDU-Höhenfluges im Bund langsam vom Nackenschlag des Landtagswahlergebnisses, die Grünen wären knapp im Landtag. Die AfD zieht wieder an der SPD vorbei und ist mit 30 Prozent klar vor der SPD.

Alle Debatten um ein etwaiges AfD-Verbotsverfahren ziehen an der Klientel der Partei spurlos vorbei. Die AfD ist und bleibt eine politische Größe im Land – und könnte den Regierenden das Leben immer schwerer machen. Fraglich ist, inwiefern das Ampel-Aus im Bund und die möglichen Neuwahlen auch die Brandenburger Zahlen beeinflussen.

Deutliche Skepsis gegenüber SPD-BSW-Koalition

Gegenüber dem neuen Regierungsbündnis spiegeln die Zahlen des BrandenburgTrends wenig Aufbruchsstimmung wider. Im Gegenteil: Der Regierung von SPD und dem BSW begegnen die Wähler mit großer Skepsis: Nur 30 Prozent der Befragten halten die neue Koalition für gut, 61 Prozent für schlecht.

SPD und BSW hatten mit teils vollmundigen Ankündigungen eines Politikwechsels vorgelegt, nun müssen sie wohl viele Taten folgen lassen. Eine neue Partei mit einer dominanten Führungspersönlichkeit allein macht noch keine neue Politik.

Der Blick in den Koalitionsvertrag von SPD und BSW offenbart: Große Sprünge macht wohl auch die neue Regierung nicht, dafür sorgt allein schon der knappe Etat. Vieles wird fortgeführt. Das wird den Wählern nicht verborgen bleiben. Dazu kommt: In die drei BSW-Ministerien ziehen ausschließlich Menschen, die noch nie den großen Apparat eines Ministeriums geführt haben.

BSW-Anhänger finden Regierung gut

War das BSW im Wahlkampf noch eher voll darauf aus, nach der Wahl als starke Opposition auf den Tisch zu hauen, fand es sich danach in einer Sturzgeburt als Regierungspartei wieder. BSW-Anhänger scheinen mit dem raschen Rollenwechsel gut leben zu können: 81 Prozent begrüßen den Gang in die Regierung.

Wesentlich verhaltener dagegen sind die Anhänger des größeren Regierungspartners SPD: Gerade mal 44 Prozent finden das Bündnis mit dem BSW gut. Da ist noch viel Luft nach oben. Es wirkt fast, als trauere man dort einer Regierung mit der CDU nach und gar einem Weiter-so zusammen mit den Grünen.

Anhänger von CDU, Bündnisgrünen und der AfD werden alles andere als warm mit der neuen Konstellation. Hier ist die Ablehnung besonders groß - und wohl auch die Skepsis gegenüber einer Partei, die bekannt ist für den starken Einfluss der Bundesspitze um Sahra Wagenknecht.

Uneinigkeit bei Bundeswehr-Unterstützung

Im Wahlkampf, in den Sondierungen und in den Koalitionsverhandlungen hat das BSW immer wieder seine andere, auch ablehnende Haltung gegenüber Bundeswehr und eine weitere Aufrüstung deutlich gemacht - und die SPD damit in eine Zwickmühle manövriert. Woidke hatte sich stets für das Engagement der Bundeswehr stark gemacht und für die Aufwertung der Brandenburger Bundeswehr-Standorte geworben z.B. für den Militär-Stützpunkt Schönewalde/Holzdorf im Süden des Landes.

Abgesehen von Sicherheitsaspekten: Die Bundeswehr gehört zu den größten Arbeitgebern in Brandenburg, ihre Hubschrauber sind bei Flutkatastrophen und Waldbränden stets willkommene Hilfe. Da würde es nicht ins Bild passen, wenn die SPD Unterstützung versagen würde. Die geplante Stationierung von Abwehrraketen aber sorgt bereits für Zwist in der neuen Koalition. Ein BSW-Abgeordneter hat bereits angekündigt, Woidke nicht zu wählen. Offen ist, ob noch weitere dazukommen.

Die Zahlen des Brandenburg-Trends spiegeln eine gespaltene Haltung in der Brandenburger Bevölkerung wider: 48 Prozent unterstützen den Ausbau des Militär-Stützpunktes, 41 Prozent lehnen ihn ab. So uneins wie die Brandenburger Befragten hier sind, so gespalten ist wohl auch die neue Koalition. Der Zwist um ihre Marschrichtung in dieser Frage wird die Regierung sicher noch länger begleiten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 10.12.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

10 Kommentare

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  1. 10.

    Woidke wird rs nicht leicht haben !

  2. 9.

    Es wuerde im MoMa ja der Bahnausbau von Herren W. versprochen.
    Mal sehen, wann da was kommt...

  3. 8.

    Hell- und Dunkelbraun ruinieren das Land und die Wähler der SPD machen fleißig mit - echt kurios!

  4. 7.

    ...die Ablehnung besonders groß -"
    Nein, wirklich? Wer hätte das gedacht, dass Anhänger eine Regierung ablehnen/skeptisch ggü. stehen, der "ihre" Partei nicht angehört. Alles andere wäre ja mehr als wunderlich. Und, dass lt. Brandenburg-Trend 60 % skeptisch sind: Kunststück, hatte nicht allein die AfD um die 30 % bei der Wahl errungen? (Zwar sind - wg. der Nicht-Wähler - "Wähler" und "Bürger" zahlenmäßig nicht identisch; gleichwohl kann die "Skepsis" wohl kaum überraschen.)

  5. 6.

    ...fähigkeit (vorzugsweise mit guten Argumenten/Fakten), Rückgrat (auch bei unbequemen Entscheidungen), extreme physische + mentale Belastbarkeit bei enormen, oft konfliktträchtigem Arbeitspensum, um nur die ALLERwichtigsten zu nennen
    - "...großen Apparat eines Ministeriums": als sehr erfahrenes, ganz kleines Rädchen eine Anmerkung von meiner Seite => ein Ministerium ist kein Apparat. Derlei Bezeichnungen zeugen lediglich von fehlendem Wissen über das komplexe, reale "Innenleben", was mit der Bedienung von Klischees kompensiert wird. Und fatalerweise Unterkomplexität sowie behördenmäßiges Arbeiten suggeriert + Klischees weiter verfestigt. Hier bitte ich den RBB in Zeiten von großem Politikverdruss, Verlust von Vertrauen in die Demokratie und ihre staatlichen Institutionen um mehr kenntnisreiches Bewusstsein um die Verantwortung von Medien(berichterstattung/-analysen).
    3. "Anhänger von CDU, Bündnisgrünen und der AfD werden alles andere als warm mit der neuen Konstellation. Hier ist...

  6. 5.

    1. "Große Sprünge macht wohl auch die neue Regierung nicht, dafür sorgt allein schon der knappe Etat." Richtig, die fetten Jahre (Merkel-Ära) sind vorbei. Die Etats von Bund, Ländern + Kommunen sind nicht nur lapidar "knapp", sie haben vielmehr mit verheerenden Mindereinnahmen zu kämpfen. Das ist nun wirklich durch alle Medien (Print, Radio, digital) gegangen, einschl. RBB. Wenn Bürger (Wähler) trotzdem große Sprünge erwarten sollten(?), leben sie in einem Paralleluniversum oder "verarbeiten" derlei Informationen nicht. Ich kann auch nicht Flachs zu Gold spinnen, um mir bestimmte Wünsche zu erfüllen. Gern dürfen Journalisten aber "falsche Erwartungen" einordnen als lediglich einen bekannten Befund wiederzugeben. Andererseits hat jede neue gewählte Regierung in gewissem Umfang durchaus die Möglichkeit, innerhalb des (knappen) Etats die Prioritäten bei Ausgaben und Investitionen anders zu setzen. Dieser Hinweis fehlte nun leider.
    2. "Dazu kommt: in die drei Ministerien ziehen...

  7. 3.

    Jetzt hätte. Am Wahlabend nicht. Punkt.

  8. 1.

    Ich begrüße den Ausbau des Militär-Stützpunktes ausdrücklich.
    Früher war Brandenburg, dass Land der Frühaufsteher (Eigenwerbung), jetzt das Land der Raketen und Windräder.
    Hat doch etwas, oder?
    Ich bin gespannt, ob Woidke auch dann seine Wahl als Ministerpräsident annimmt, wenn offensichtlich die AfD für ihn gestimmt hat. Kommt das auch ein Anruf aus dem Willy Brandt Haus und die Wahl wird dann wiederholt?

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