Flüchtlingsunterkunft in Berlin - Gibt es regelwidrig beschäftigtes Sicherheitspersonal in Tegel?
Wird das Sicherheitspersonal in der Geflüchtetenunterkunft in Tegel zum Teil unter dem Mindestlohn bezahlt? Das berichten zumindest Informanten dem rbb. Einer erzählt von einem Security-Jobangebot von einem Subunternehmer, dieser wollte am Ende des Monats einen Teil des Lohns zurück. Von Ute Schuhmacher
Mitte Mai wird Pascal Müller* auf einen größeren Sicherheitsauftrag aufmerksam. Per Whatsapp-Status sucht eine Sicherheitsfirma viel Personal für die Bewachung der Geflüchtetenunterkunft in Berlin-Tegel. Es geht um insgesamt 5.000 Stunden pro Monat.
Die näheren Konditionen zu dem Jobangebot sind allerdings nur im persönlichen Gespräch zu bekommen, nicht am Telefon. Kein Wunder, denn die haben es in sich: Zwei Euro von den geleisteten Arbeitsstunden will das Unternehmen, das den Auftrag anbietet, am Ende eines jeden Monats in einem Umschlag zurückgezahlt bekommen - ohne Quittung. Aber nicht nur das: Mit dem Angebot ist es unmöglich, legal Tarif- oder Mindestlohn zu zahlen.
Angeboten sind 19,50 Euro Stundenlohn - abzüglich der zurück verlangten zwei Euro sind das 17,50 Euro. Meldet ein Unternehmen einen Arbeitnehmer legal an, müssen Sozialabgaben abgeführt werden, Urlaub und Krankheit müssen einberechnet werden, "dazu kommt als Firma eine Haftpflichtversicherung", sagt Müller. "Da kommt man mindestens über 20 Euro, um überhaupt die Rechnung bezahlen zu können. Das heißt, jeder, der dort nach dem Angebot arbeitet, kann gar nicht seriös bezahlt werden." Denn für Beschäftige der Sicherheitsbranche, die in einer Geflüchtetenunterkunft wie Tegel arbeiten, wären inklusive Zulage 15,25 Euro an Tariflohn fällig. Der aktuelle Landesmindestlohn liegt bei 13,69 Euro. Auch der wäre für ein Sicherheitsunternehmen wie das, in dem Müller arbeitet, nicht zahlbar, wenn er vom Auftraggeber lediglich 17,50 Euro bekommt.
Goldschürferstimmung in Tegel
Das Jobangebot von Mitte Mai war nach Aussage des Security-Experten kein Einzelfall, sondern ein ganz alltägliches Angebot. "Da verdienen sich grade viele Leute eine goldene Nase und da reden wir wirklich von organisierter Kriminalität", sagt Müller. "Mitarbeiter, die dort eingesetzt werden, kriegen zwischen sieben und zehn Euro, in der Regel schwarz."
Pascal Müller ist sich dennoch sicher, dass zumindest ein Teil der Sicherheitskräfte in Tegel nach Tarif bezahlt werden. Einige, die der rbb vor Ort in Tegel befragt, bestätigen eine korrekte Bezahlung. Andere wollen sich nicht äußern.
Ein Bewohner aus der Flüchtlingsunterkunft berichtet jedoch, er habe mit mehreren Sicherheitsmitarbeitern gesprochen. "Sie haben mir erzählt, dass sie fast alle auf einem Minijob arbeiten, fast jeden Tag", sagt der Mann. Das andere Geld bekämen sie schwarz.
Unter anderem dem Vorwurf der Schwarzarbeit geht seit vergangenem Dezember auch der Berliner Zoll nach. Anfang Dezember hatte das Landeskriminalamt gemeinsam mit Zoll und Ordnungsämtern die Sicherheitsleute in Tegel überprüft. Damals mussten 55 Security-Mitarbeitende sofort ihren Dienst beenden. Ihnen fehlte entweder die Qualifikation oder sie konnten keine Zuverlässigkeitsüberprüfung vorlegen. Seit Dezember wertet der Zoll die Unterlagen dieser Kontrolle aus, eine zeitaufwändige Arbeit, weil die Geschäftsunterlagen von allen Subunternehmen geprüft werden müssen, sagt der Sprecher des Berliner Hauptzollamts, Michael Unglaube. Ein Ergebnis gibt es aber inzwischen: "Insgesamt konnten bis zu 40 Subunternehmen noch angetroffen werden." Der Zoll werte die Unterlagen weiter aus. "Um mögliche Schwarzarbeit oder Verstöße gegen Tarif- und Mindestlohn zu finden", sagt der Sprecher vom Zoll. Das dauere, weil die Geschäftsunterlagen von allen Subunternehmen geprüft werden müssen.
Auch wenn noch geprüft wird - eine Veränderung hat die Kontrolle im Dezember bereits gebracht: Sicherheitsmitarbeitende in Tegel verfügen jetzt in der Regel über eine Bewacher-ID. Die bekommt nur, wer eine Bewacherschulung absolviert hat. Das löse aber nur einen kleinen Teil des Problems, sagt Sicherheitsexperte Pascal Müller. Denn für einen Auftrag wie in Tegel brauche es viele hundert Sicherheitsmitarbeitende. Und weil die Aufträge kurzfristig vergeben werden, kann ein Unternehmen allein die Menge an Mitarbeitenden kaum spontan stellen. "Keiner hat hunderte Leute rumsitzen." Also sucht sich die Firma, die den Auftrag bekommt, Subunternehmer.
Den Auftrag für Tegel hat derzeit die Firma Teamflex Solutions von der Messe Berlin. Laut Emanuel Höger beschäftigt Teamflex in Tegel aktuell 14 Subunternehmen. Denen sei nach Angaben von Höger per Vertrag verboten, weitere Subunternehmen zu beschäftigen. Vertraglich festgeschrieben sei auch die Bezahlung: "So ist die Zahlung des Tariflohns fester Bestandteil unseres Vertrags mit dem Dienstleister", schreibt der Sprecher der Messe. Und auch der Geschäftsführer von Teamflex erklärt: "Unser Unternehmen hält in Bezug auf Tariftreue und Tariflohn alle gesetzlichen Vorgaben und zusätzlich ggf. etwaige in dem einzelnen Auftrag gestellte Anforderungen ein." Zu den genannten Vorwürfen von Schwarzgeld bis Bezahlung unter Mindestlohn schreibt Höger weiter: "Diese Vorwürfe sind weder der Messe Berlin noch Teamflex bekannt."
Auch Berlins Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sind die Vorwürfe neu. Sie erklärt, die Messe Berlin habe den Auftrag für Tegel ausgeschrieben und einen Sicherheitsdienstleister beauftragt. Der müsse sich an den Vergabemindestlohn und die Tariftreue halten. "Schwarzarbeit wird hier nicht geduldet", so Sozialsenatorin Kiziltepe gegenüber dem rbb.
Dem migrationspolitischen Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Jian Omar, ist das zu wenig. "Es ist am Ende eine Einrichtung unter Aufsicht des Senats und unter Aufsicht des LAF." Dass die Senatorin die Verantwortung an die Messe Berlin weitergibt, reicht ihm nicht. Auch mit Blick auf das Geld: "Tegel kostet monatlich um die vier bis fünf Millionen Euro allein an Sicherheitspersonal. Dafür erwarten wir, dass Mindeststandards eingehalten werden."
* Name geändert
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.06.2024, 6:00 Uhr