Audio: rbb 88.8 | 16.02.2025 | Michael Ernst | Bild: dpa-Bildfunk/Christophe Gateau
Jessica Chastain spricht über die USA, Tilda Swinton über Menschenrechte, Heike Makatsch plädiert für ein Umdenken: Die Berlinale gilt seit jeher als politisches Festival – und auch in diesem Jahr bleibt sie ein Ort für starke Statements. Von Ula Brunner
Die Berlinale gilt traditionell als politisches Festival. Und auch wenn die neue Chefin Tricia Tuttle betont, dass das Festival keine expliziten Positionen ergreift, nutzen zahlreiche Künstler:innen die große Bühne, um deutliche Statements zu setzen. "Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Berlinale ist, den Leuten zu sagen, wen sie wählen sollen. Kino ist im Allgemeinen politisch, weil es immer die Perspektive von jemandem ist", erklärte Tricia Tuttle zum Auftakt. Die Berlinale wolle eine Plattform für "Meinungsfreiheit" bleiben. Genau diese Plattform dient vielen Filmschaffenden und Schauspieler:innen dazu, politische Botschaften zu verbreiten.
"Ich drücke uns nur allen die Daumen, dass sich der Wind noch dreht."
Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl sagte Schauspielerin Heike Makatsch auf der abendlichen Medienboard Berlin-Brandenburg Party: "Man kann nur hoffen, dass die Menschen aufwachen, dass sie nicht rechts wählen, dass sie sich die Wahlprogramme noch mal wirklich ganz genau anschauen. Ich drücke uns nur allen die Daumen, dass sich der Wind noch dreht."
Mit Schildern und Schals protestierten außerdem viele Prominente für mehr Menschlichkeit auf dem Mittelmeer. Darunter waren auch Merlin Sandmeyer und Marc Hosemann, Anna Thalbach und Rosalie Thomass. Musikalisch unterstrichen wurde die Aktion der Hilfsorganisation "SOS Humanity" von Sänger Marlo Grosshardt. In seinem Song "Oma" sang er über seine Angst vor rechter Politik.
"Wir appellieren daran, dass Menschen in Not, auf der Flucht, die Asyl suchen, von uns erst einmal aufgenommen werden müssen", erklärte Makatsch den Protest. Bereits bei der Eröffnung der Berlinale am Donnerstag hatten die Schauspielerinnen Meret Becker und Anna Thalbach einen Schal mit der Aufschrift " Humanity for all" hochgehalten.
Michel Franco zeigt in "Dreams" ein ungleiches Paar: eine reiche amerikanische Wohltätigkeitsverwalterin und einen deutlich jüngeren mexikanischen Tänzer. Doch soziale Reibungen hat er schon deutlich besser und radikaler abgebildet. Von Fabian Wallmeier
Jessica Chastain: "Ich werde mein Land nicht aufgeben"
Auch internationale Stars machten politische Statements. Oscar-Preisträgerin Jessica Chastain sprach bei der Pressekonferenz zu ihrem Wettbewerbsfilm "Dreams" über die Lage in den USA. "Ich werde mein Land nicht aufgeben", sagte sie mit Blick auf die aktuellen politischen Entwicklungen in ihrer Heimat. Auch wenn sie keinen Namen nannte, war deutlich, dass sie sich kritisch zu den harten Migrationspolitiken der neuen US-Regierung äußerte.
Ihr Wettbewerbs-Beitrag "Dreams" thematisiert unter anderem die illegale Migration in die USA. "Es gibt viele Orte, an denen es unglaublich schwierig ist zu leben, und es eine Menge Unruhen gibt", sagte Chastain weiter. "Aber wenn man nicht in der Lage ist, einen Funken Hoffnung oder das Gefühl zu haben, dass es anders sein könnte, was bringt es dann, weiterzumachen?"
Die Festspiele können beginnen. Höhepunkt der glanzvollen Eröffnungs-Gala war die Verleihung des Goldenen Ehrenbären an Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton. In einer flammenden Rede wandte sie sich gegen eine Politik von Ausgrenzung und Verfolgung. Von Ula Brunner
Politik auf dem roten Teppich
Auf dem roten Teppich sind politische Botschaften ebenfalls allgegenwärtig. Klimaaktivistin Luise Neubauer hatte bei der Eröffnung mit ihrer Garderobe für Aufsehen gesorgt. Sie trug ein weißes Kleid mit der Aufschrift "Democracy Dies in Daylight" und "Donald & Alice & Elon" - in grauer Schrift darunter "& Friedrich?".
In Erinnerung bleiben wird vielen die flammende Rede von Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton, die mit einem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet wurde. In ihrer Dankesrede wandte sie sich gegen "eine Politik von Ausgrenzung, Verfolgung und Abschiebung" und sprach sich für "humane Solidarität mit allen Menschen" aus.
Am Folgetag betonte Swinton ihre "Bewunderung" für die umstrittene BDS-Bewegung, die den Boykott Israels befürwortet: "Wir fühlen uns alle machtlos. Und jede Aktion, die wir dagegen unternehmen, scheint eine gute zu sein." Ihre Aussage sorgte für gespaltene Reaktionen.
Israel-Gaza-Konflikt bleibt allgegenwärtig
Bereits der Start der 75. Berlinale unter der neuen Festival-Direktorin Tricia Tuttle war überschattet von den Ereignissen des Vorjahres: Die Preisgala 2024 war wegen einseitiger und unwidersprochener israelkritischer Äußerungen Filmschaffender mit einem Eklat zu Ende gegangen.
Auch deswegen wohl erinnerte Tuttle gemeinsam mit Filmschaffenden wie Andrea Sawatzki oder Ulrich Matthes bei der Eröffnungsgala auf dem roten Teppich an die israelische Geisel David Cunio. Sie hielten ein Foto des Filmemachers mit der Aufschrift "Bring David Cunio Home" in den Händen - die Berlinale zeigt einen Film, der von ihm handelt: "Michtav Le'David. A Letter to David". Gleichzeitig protestierten Menschen am Berlinale-Palast gegen die israelischen Kampfhandlungen, riefen "Free Palestine" und hielten ein Banner mit der Aufschrift "Staatsräson ist Genozid" hoch.
Auch jenseits der Filme, die auf der Berlinale laufen: Das Festival bleibt eine prominente Bühne, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf internationale und nationale Konfliktherde zu richten. Entziehen kann man sich der politischen Dimension der Berlinale auch in diesem Jahr nicht.
Berlinale-Stars positionieren sich politisch
Bild: Picture Alliance/Soeren Stache
Auf dem Roten Teppich positionieren sich auch in diesem Jahr zahlreiche Prominente in Hinblick auf die aktuelle politische Lage: Die Berliner Schauspielerinnen Meret Becker und Anna Thalbach solidarisierten sich am Eröffnungsabend mit geflüchteten Menschen.
Bild: dpa-Bildfunk/Christophe Gateau
Ihrem Appell für mehr Menschlichkeit auf dem Mittelmeer schlossen sich bei der Medienboard Party am Samstag zahlreiche Prominente wie Heike Makatsch oder Trystan Pütter an. "Wir appellieren daran, dass Menschen in Not, auf der Flucht, die Asyl suchen, von uns erst einmal aufgenommen werden müssen", betonte Heike Makatsch. Die Aktion war Teil einer Protestaktion der Hilfsorganisation SOS Humanity.
Bild: Picture Alliance/AP/Markus Schreiber
"Man kann nur hoffen, dass die Menschen aufwachen, dass sie nicht rechts wählen, dass sie sich die Wahlprogramme noch mal wirklich ganz genau anschauen", sagte Heike Makatsch (53) weiter. "Ich drücke uns nur allen die Daumen, dass sich der Wind noch dreht."
Bild: Picture Alliance/Annette Riedl
Schauspielerin Denise M'Baye erschien am Samstag mit einer Fahne mit der Aufschrift "vote love", wähl Liebe, auf dem Roten Teppich.
Bild: Picture Alliance/Markus Schreiber
Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte mit ihrer Robe Friedrich Merz' Abstimmung im Bundestag mit der AfD. "Donald&Elon&Alice&(in grauer Schrift) Friedrich?" stand auf ihrem Kleid. "Democracy dies in Daylight" war auf dem Rücken zu lesen. Demokratie sterbe bei Tageslicht.
Bild: dpa/Geisler-Fotopress/Christopher Tamcke
Am Eröffnungsabend sagte Schauspieler Lars Eidinger an Berlins Bürgermeister Kai Wegner gewandt: "Schau's Dir an: Die Intelligenz sitzt in der Kultur. Es kann nicht sein, dass wir der den Hahn abdrehen." Er bezog sich auf die massiven Einsparungen des Berliner Senats im Kulturbereich.
Bild: dpa-Bildfunk/Christoph Soeder
US-Amerikanische Schauspieler blieben in ihrer Kritik zu US Präsident Trump bisher zurückhaltend, aber doch deutlich. Der Oscar-Anwärter Timothée Chalamet äußerte sich so: "Ich würde sagen: Vorsicht vor jeglicher Retterfigur, ganz gleich, wer das ist."
Bild: dpa-Bildfunk/Sebastian Gollnow
Oscarpreisträgerin Jessica Chastain antwortete auf die Frage, ob die USA noch das Land der Träume sei: "Ich werde mein Land nicht aufgeben. Viele von uns sind immer noch sehr hoffnungsvoll - und wir kämpfen für eine gute Sache." Trump erwähnte sie nicht.
Bild: dpa-Bildfunk/Soeren Stache
Der Wettbewerbsbeitrag "Strichka chasu" (Time Stamp) zeigt, wie in der Ukraine der Schulunterricht trotz des Krieges aufrechterhalten wird. Den Kindern soll ein Stück Normalität bewahrt werden. Zur Präsentation des Dokumentarfilms auf der Berlinale hält das Team am Donnerstag, den 20. Februar vor der blauen Wand eine ukrainische Flagge hoch. Die Lehrerkollegen des Protagonisten und jetzigen Soldaten Borys Khovriak (Mitte) haben auf ihr unterschrieben.
Bild: Richard Hübner
Auch der Nahost-Konflikt ist Thema auf der Berlinale: Der Dokumentarfilm "A Letter to David" von Tom Shoval wird auf der Berlinale gezeigt. Die Freilassung der israelischen Geisel David Cunio und seines Bruders, die seit dem 7. Oktober 2022 von der Hamas verschleppt worden sind, forderten der Filmemacher Tom Shoval, Alona Refu und George Hertzberg.
Bild: Eventpress Fuhr
Ihrer Forderung schlossen sich neben der Intendantin der Berlinale, Tricia Tuttle, unter anderen Düzen Tekkal, Christian Berkel, Andrea Sawatzki, Ulrich Matthes und Martina Gedeck an.
Den Ehrenbär der Berlinale erhielt am Donnerstag, den 13. Februar 2025 die schottische Oscarpreisträgerin Tilda Swinton. In ihrer Dankesrede sprach sie sich gegen eine "Politik von Ausgrenzung, Verfolgung und Abschiebung", sowie generell gegen Besetzungen, Kolonisierung, Massenmord und Kriegsverbrechen aus.
"Ich bin eine große Bewunderin von BDS und habe großen Respekt davor", sagte die 64-Jährige tags darauf bei einer Pressekonferenz der Berlinale. BDS steht für "Boykott, Desinvestition und Sanktionen" und richtet sich unter anderem gegen Waren aus Israel sowie gegen die Zusammenarbeit mit Israel in Kultur und Wissenschaft. Ihre Aussage sorgte für gespaltene Reaktionen.
Bild: berlinale.de/Jun Li
Zu Ermittlungen des Staatsschutzes kommt es nach einer Berlinale-Veranstaltung in der Urania am Wochenende: Regisseur Jun Li warf Deutschland vor, "Genozid" an den Palästinensern zu unterstützen. Die deutsche Regierung und ihre Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, leisteten ihren Beitrag zur Apartheid, zum Völkermord und dem brutalen Auslöschen des palästinensischen Volkes. Als Reaktion aus dem Publikum gab es zustimmende, aber auch deutlich kritische Zwischenrufe. Berlinale-Intendantin Tricia Tuttle bedauerte den Vorfall.
Bild: Picture Alliance/Christoph Soeder
Die neue Berlinale-Chefin Tricia Tuttle hatte bei der Eröffnungsgala gesagt: "Ich hoffe, dass wir uns einander Gehör schenken. Ich denke, es ist so dringlich wie nie zuvor, dass wir miteinander reden können".
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Vielen Dank für Ihren treffenden Kommentar Herr Krüger. Die von Ihnen angesprochene eigentliche Aufklärung macht aber viel Arbeit, kostet Zeit und lässt sich zudem schwer vermarkten. Schauspierinnen u. Schauspieler sehen aber mit ihren öffentlichen Bekenntnissen für eine bessere Welt oder Menschheit ihre eigene Selbstdarstellung als "Kämpfende" für das Gute vollkommen gesättigt. Und damit endet i. d. R. auch ihr Engagement (sic!).
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Erst einmal nichts dagegen, dennoch aber für etwas anderes:
Mal als das Plakative, mehr als das leicht zu Verdauende, wäre ggf. etwas angebracht, was wirklich andere Denk- und Handlungsprozesse auslöst. Dazu allerdings wären Menschen vor allem im Innern anzusprechen. Das ist dann zugegebenermaßen nicht so spektakulär, aber nachhaltiger, um mal einen der neueren Begriffe aufzunehmen.
Mit dem Goldenen Bären ist am Samstagabend das norwegischen Liebesdrama "Dreams" von Dag Johan Haugerud geehrt worden. Doch auch in diesem Jahr blieb die Politik nicht außen vor - stellenweise fielen deutliche Worte.
Ein solider Wettbewerb, ausreichend Stars und schöne Überraschungen bei der Preisverleihung: Die erste Berlinale unter Tricia Tuttle ist gut über die Bühne gegangen - mit einigen Abstrichen. Von Fabian Wallmeier
Die 75. Berlinale geht am Wochenende zu Ende. Höhepunkt ist die feierliche Preisgala am Samstagabend, bei der die Bären verliehen werden. Neben den Film-Hightlights steht auch die politische Dimension des Festivals im Fokus. Von Ula Brunner
Am Samstagabend werden die Hauptpreise der 75. Berlinale verliehen. Unsere Filmkritiker:innen Anna Wollner und Fabian Wallmeier verraten, welche Filme sie für bärenwürdig halten - und welche nicht.