#Wiegehtesuns | Friseur - "Die ausgelassene Stimmung, den Zauber im Laden, den gibt es nicht mehr"

Vom "Place to be" mit Prosecco und Kopfmassage zur Haarschnittstelle mit Hygieneplan – Friseur zu sein ist in der Pandemie auch nicht mehr das, was es mal war, sagt Civan Uçar. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, bringe auch nichts. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Corona-Virus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Civan Uçar ist seit 25 Jahren Friseur. Als er der Liebe wegen von Delmenhorst nach Berlin gezogen ist, hat ihn ein Spaziergang am Ku’damm dazu gebracht, sich bei Star-Friseur Udo Walz zu bewerben – und es hat geklappt. Wenig später eröffnete er seinen eigenen Salon "Civan" in den S-Bahnbögen am Savignyplatz. Allerdings hat sich sein Job in der Pandemie extrem verändert.
Spulen wir doch mal zwei Jahre zurück. In meinem Friseursalon war immer ein positives Flair, dafür habe ich mit meinen Mitarbeitern gesorgt. Wir haben dort kreativ, lustig und gerne gearbeitet. Es sind immer zehn bis zwölf Friseure rumgehüpft, und meistens waren zehn Kunden gleichzeitig im Salon. Die Kunden wurden verwöhnt mit einer Kopf- und Hand-Massage während des Haarewaschens.

Der Salon war ein Treffpunkt, ein "Place to be" für die Kunden. Sie haben auch oft Freunde mitgebracht, nicht nur zum Haare schneiden. Die sind gerne mitgekommen, denn das war einfach ein Erlebnis, in diesem Laden zu sein und zu sehen, was da passiert, ja, was für Menschen rein- und rausgehen. Sie wurden von uns alle gut verköstigt: Es gab Prosecco, Kaffee oder Latte Macchiato. Das war eine sehr lustige und wilde Zeit, also das kann man mit heute gar nicht mehr vergleichen.
Wegen der ganzen Corona-Regeln dürfen sie ja gar nicht mehr in einem Salon warten oder ohne Termin reinkommen. Und diese ganze Kontrolle, Hygiene und das Tragen von Masken kommt noch dazu. Die ausgelassene Stimmung, dieser Zauber, den wir im Laden hatten, den die Kunden geliebt haben und den wir hier am Savignyplatz gelebt haben, den gibt es nicht mehr.
Die Kunden kommen jetzt nur noch, um die Haare irgendwie kürzer zu haben oder eine neue Farbe zu bekommen. Inzwischen haben wir nur noch drei Plätze gleichzeitig besetzt mit Kunden - das ist ein Riesen-Unterschied. Es sind auch nur noch vier oder fünf Mitarbeiter da, und davon sind zwei bis drei Auszubildende. Das Ganze hat sich also um zwei Drittel reduziert.
Nun ist es bei uns Gott sei Dank so, dass die meisten Mitarbeiter im Durchschnitt schon zehn bis 15 Jahre da sind. Von den Auszubildenden haben einige aufgehört oder haben gesagt, ich habe die Ausbildung jetzt zwar fertig gemacht, werde aber nicht mehr als Friseur arbeiten, das ist ja viel zu unsicher. Gleichzeitig gab es bei uns Corona-Babys: Drei Kolleginnen sind schwanger geworden, und die sind dann auch weg gewesen. Die Mitarbeiter, die jetzt noch da sind, haben wir zum Teil nur halten können, weil wir die Gehälter aufgestockt haben von unserem eigenen Geld.
Ich kriege die Corona-Maßnahmen für Friseure nicht mehr chronologisch zusammen. Aber im Grunde war es zweimal hintereinander öffnen und dann wieder schließen. Wir haben selber nicht immer ganz durchgeblickt und waren auch ein bisschen nervös, als wir wieder aufmachen durften, auch wegen der Voraussetzungen: Getränke: nein; Haare waschen: ja, aber nur mit 1,50 Meter Abstand. Das hat uns schon sehr durcheinander gebracht, und wir sind heute noch nicht hundertprozentig sicher, ob wir das, was wir tun, alles richtig machen. Wir brauchen einen Hygieneplan, dann noch eine Unterweisung für die Mitarbeiter - und dann noch zig Regeln, die kein Mensch eigentlich wirklich versteht.
Viele Kunden sind sehr verunsichert, sie wissen gar nicht, was ist eigentlich der Stand der Dinge. Die meisten Kunden kenne ich schon seit mindestens zehn oder sogar 20 Jahren. Da hat sich natürlich schon einiges verändert. Teilweise gab es auch sehr unangenehme Gespräche. Viele haben gesagt: Also, wenn du von mir verlangst, dass ich eine Maske trage, dann komm ich nicht. Oder viele haben auch die Pandemie geleugnet und gesagt, der Staat will uns doch nur kontrollieren. Klar, das ist die Unsicherheit, das sind Ängste. Und vielleicht haben viele auch nicht genug Informationen.
Trotzdem hat es mich echt gewundert, dass der ein oder andere, von dem ich das nicht gedacht hätte, gesagt hat: Nee, das mache ich alles nicht mehr - und die waren halt total dagegen. Ich wollte gar nicht groß drauf eingehen, weil sonst gehen nur Freundschaften oder Beziehungen kaputt. Mir sind da ja auch die Hände gebunden, weil mir diese Maßnahmen verordnet werden. Ich bin Unternehmer und ich muss dafür sorgen, dass meine Mitarbeiter eine sichere Zukunft haben und wir weiterarbeiten dürfen.
Dann hatten wir zwischendurch noch einen kleinen Eklat mit unserem Vermieter, der nicht nur die Miete verlangt hat, sondern sie auch noch erhöht hat. Wir haben versucht, irgendwie die Miete zu bezahlen, obwohl wir geschlossen hatten - und dann erhöhen die auch noch die Miete! Trotzdem hatte ich nie den Gedanken zu schließen oder nicht mehr als Friseur zu arbeiten. Ich liebe diesen Beruf. Friseur zu werden, das war immer mein Ziel und hat mir auch immer wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich liebe diesen Job heute immer noch und werde wahrscheinlich weitermachen bis ich umfalle.
Nun hab ich ja nicht zu entscheiden, wie es weitergeht mit der Pandemie. Aber ich denke, wenn wir dann wieder mehr Plätze bedienen können im Salon und keine strengen Auflagen mehr da sind, dann bin ich der Meinung, dass die Gesellschaft auch schnell vergisst und sich dann innerhalb von ein paar Monaten wieder so verhält, als ob nie was gewesen wär'. Das hoffe ich zumindest.
Jedenfalls bringt es nix, den Kopf in den Sand zu stecken. Jetzt muss einfach jeder als Unternehmer die Flagge hochhalten und Gas geben.
Gesprächsprotokoll: Sabrina Wendling
Wie geht es Ihnen? Wie sieht Ihr Alltag gerade aus? Erzählen Sie rbb|24 Ihre Geschichte in Zeiten von Corona! Einfach eine Mail schicken an internet@rbb-online.de. Wir melden uns bei Ihnen.
Sendung: Abendschau, 04.02.2022, 19.30 Uhr
Kommentar
Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.
Nächster Artikel
Dritte Runde im Tarifstreit - Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert - Schlichtung soll folgen
Im Alter von 55 Jahren - Rosenstolz-Sängerin Anna R. gestorben
Diskussion um PCK Schwedt - Habeck kritisiert Woidke wegen Aussage zu russischem Öl
Ab Ende März - ÖBB streicht Nachtzugverbindung zwischen Berlin und Brüssel
Berliner Stadtautobahn - A100 auf maroder Ringbahnbrücke über Nacht in nördlicher Richtung gesperrt
Krankenhausreform - Brandenburger Kliniken sollen mehr ambulante Versorgung bieten
Fußball-Bundesliga - Das ist drin für Union Berlin in den kommenden Spielen
Berlin - Person verklagt Fluglinie wegen fehlender geschlechtsneutraler Anrede
Berlin-Köpenick - 83-Jährige stirbt mehrere Wochen nach Unfall im Krankenhaus
Hase/Volodin vor WM - Eiskunstlauf-Trainer Schubert: "Sie sind die Gejagten"
Prozess nach 30 Jahren - Mutmaßliche Linksextremisten gestehen Anschlagsplan in Berlin
Berlin-Kreuzberg - 1.-Mai-Demonstranten wollen Text von Ex-RAF-Terroristin Klette verlesen
Infrastruktur - Brandenburger Sportvereine hoffen auf Fortsetzung der Fördermittel
Wohnprojekt - Wiesenburger Sägewerk wird gesellschaftliches Zentrum
Zwei Tote in der Uckermark - Tödliche Stiche in Casekow: Verdächtiger soll psychisch krank sein
"Nummer gegen Kummer" - Berliner Sorgentelefon steht vor dem Aus
Wieder Elfmeter-Ärger - Cottbus-Trainer Wollitz spricht sich für VAR in der 3. Liga aus
Berliner Projekt - Schutzwohnung für Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel eröffnet
Widerstand gegen CDU-Chef Merz - Scheidender CDU-Abgeordneter Czaja will gegen Finanzpaket stimmen
Zuwanderung aus dem Ausland - Neue Berliner: Wer kommt, wer bleibt - wer prägt die Zukunft?
Berlin - Amateurfußballspiel in Prenzlauer Berg nach Gewaltvorfällen abgebrochen
12.000 Tonnen Abfall - BSR holt nach Streik wieder Müll in Berlin ab
Aus Holz, Kupfer und Edelstahl - Arbeiten für Turmhaube der Garnisonkirche beginnen
Berlin-Tegel - Mann soll Mutter von Balkon gestoßen haben – Psychiatrie beantragt
Schöneiche (Oder-Spree) - Feuerwehren üben Rettung von Opfern nach Straßenbahn-Unfällen
Oder-Spree - Innenstadt von Erkner wegen Bauarbeiten für 1,5 Jahre teilweise dicht
Lolas - "September 5" über Olympia-Attentat zehnmal für Deutschen Filmpreis nominiert
Krieg in der Ukraine - Hilfstransport aus Cottbus für ukrainisches Kinderkrankenhaus gestartet
Bürgermeistwahl in Zehdenick - Parteiloser Kretzschmar gewinnt Stichwahl gegen AfD-Kandidaten
Wittenberge (Prignitz) - Bewohner müssen Pflegeeinrichtung nach Wasserschaden vorübergehend verlassen
5:1-Auswärtssieg - Reese schießt Hertha in Braunschweig zum Befreiungsschlag
Herthas 5:1-Sieg in Braunschweig - Im Torrausch aus der Krise?
Bürgermeistwahl in Zehdenick - Parteiloser Kretzschmar gewinnt Stichwahl gegen AfD-Kandidaten
Öffentlicher Dienst - Tarifeinigung oder neue Warnstreiks?
Basketball-Bundesliga - Alba Berlin fertigt Löwen Braunschweig ab
Co-Reading in Berlin - "Erst lesen, dann socializen, dann gehen wir wieder heim"
Frauen-Bundesliga - Turbine verspielt Führung in Essen
Rückkehr aus Venezuela - 30 Jahre nach gescheitertem Anschlag auf Gefängnis: Zwei Männer vor Gericht
Erfolg zum Playoff-Auftakt - Eisbären gewinnen erstes Viertelfinalspiel gegen Straubing
2. Frauen-Bundesliga - Union Berlin mit enttäuschendem Remis gegen Bayern II
3. Liga - Cottbus feiert in Sandhausen glücklichen Sieg
Berliner Wasserbetriebe - Ausbau des Klärwerks Waßmannsdorf am BER fertig
Regionalliga Nordost der Frauen - Viktoria gewinnt deutlich gegen Jena, Hertha siegt im kleinen Derby
Regionalliga Nordost - Hertha 03 beendet CFC-Serie, Altglienicke und Luckenwalde mit knappen Niederlagen
Neukölln und Spandau - Verletzte bei zwei Bränden - Polizei ermittelt wegen Brandstiftung
Uckermark - 59-Jähriger stirbt bei Wohnungsbrand in Templin
Energiewende - Wohnungsverband gegen Rückabwicklung des Heizungsgesetzes
Neuruppin - Fünf Autorinnen auf Shortlist für Fontane-Literaturpreis
Łužyske rěcy - Youtube unterstützt nun sorbische Untertitel
Von Abwehrbollwerk bis Offensiv-Effizienz - Fünf Gründe für Unions Remis-Coup gegen Bayern
1:1 gegen den Tabellenführer - Joker Hollerbach belohnt starke Unioner gegen Bayern
Verkorkste Bundestagswahl - Brandenburger Ministerpräsident Woidke fordert Wechsel an der Spitze der Bundes-SPD
Anlage auf dem Brauhausberg - Früheres Landtagsgebäude in Potsdam weiterverkauft
Zwischen Extremsport und Hilfsmitteln: - Das Geheimnis (fast) ewiger Jugend und Fitness
Ulli Zelle geht in Rente - "Abschied ist ein scharfes Schwert"
Nach zehn Jahren Bauzeit - A100-Verlängerung bald fertig – aber wohin mit dem Verkehr?
3:0 gegen Dachau - BR Volleys gewinnen zum Hauptrundenabschluss
Parkgebühren - Anwohnerparken in Cottbus wird ab April knapp viermal so teuer
Volleyball - Potsdamerinnen gewinnen am letzten Spieltag der Bundesliga-Hauptrunde
Sieg gegen Österreich - Handball-Nationalmannschaft qualifiziert sich frühzeitig für EM
Projekt in Pankow - Wie eine Genossenschaft erfolglos versucht, ein Azubi-Wohnheim zu bauen
Landesparteitag - Andrea Lübcke und Clemens Rostock sind neue Spitze der Brandenburger Grünen