#Wiegehtesuns | Der Pendler - "Während der Zugfahrt haben sich schon richtige Freundschaften ergeben"

Do 01.07.21 | 06:48 Uhr
Jochem Freyer
Audio: Antenne Brandenburg | 30.06.2021 Felicitas Montag | Bild: Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder)

Tausende Menschen pendeln regelmäßig für ihren Job von Berlin nach Brandenburg. Dazu gehört auch Jochem Freyer, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Frankfurt (Oder). Seit zwölf Jahren ist er Berufspendler. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Jochem Freyer ist 57 Jahre alt und seit 2009 Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Frankfurt (Oder). Seitdem pendelt er fast täglich von Berlin-Pankow mit dem Regionalexpress R1 nach Frankfurt.

Während der etwa einstündigen Zugfahrt kann ich mich gut erholen und arbeiten. Im Laufe der Jahre habe ich auch schon viele nette Menschen kennengelernt, die auch pendeln, da haben sich schon richtige Freundschaften ergeben.

Vor der Pandemie war ich eher selten im Homeoffice und auch während des ersten Lockdowns bin ich meistens weiter ins Büro gefahren. Es war einfach unglaublich viel zu organisieren und abzustimmen. Mir war auch der persönliche Eindruck weiterhin sehr wichtig. Wir mussten ja das ganze Haus umbauen, um auch die Kurzarbeiterwelle zu bewältigen.

Mit Beginn des zweiten Lockdowns bin ich dann auch häufiger im Homeoffice gewesen. Vieles hatte sich schon eingespielt in der Arbeitsagentur, also es war nicht mehr so viel täglich abzustimmen. Natürlich hatte sich auch die technische Ausstattung weiterentwickelt.

Zu Hause habe ich kein klassisches Büro, aber ein abgeschlossenes Zimmer. Ich habe es noch nicht geschafft, mir in dieses Zimmer einen richtigen Bürostuhl zu stellen, es ist weiterhin ein übliches Möbelstück. Von daher ist da bei mir noch Nachbesserungsbedarf.

Wir haben unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon vor der Pandemie das mobile Arbeiten ermöglicht, aber nicht in dem Umfang der letzten Monate. Von daher war es für uns kein Neuland. Wir haben uns dazu entschlossen, dass es mit dem offiziellen Ende der Home-Office-Pflicht am 30. Juni kein abruptes Ende bei uns geben wird.

Wir hatten immer den Grundsatz, jeder kann, keiner muss. Das hat auch immer super funktioniert, die Teams haben sich selbst organisiert. Gut die Hälfte war im Home-Office, die meisten sind zumindest tageweise gekommen. Und so werden wir es auch in nächster Zeit halten und dann entscheiden, wie wir die Regeln für die Zukunft schaffen.

Es gibt für mich eine ganze Reihe von Vorteilen beim mobilen Arbeiten, aber auch Nachteile.

Auf der Pro-Seite steht natürlich, dass sich dadurch die Kontakte erheblich reduziert haben. Vielen hat es auch geholfen, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, die Kinder zu betreuen, die nicht in die Schule gehen konnten. Das waren natürlich pandemiebedingte Vorteile. Dauerhaft bliebe sicherlich auch der Gewinner Umwelt, wenn weniger Verkehr auf der Straße ist, wenn Ressourcen insgesamt geschont werden.

Schwierig ist für mich weiterhin, die Bindung innerhalb der Organisation aufrecht zu erhalten, wenn viele nur tageweise da sind, vielleicht auch nicht zur gleichen Zeit da sind, um Absprachen zu treffen. Dass auch informelle Informationen fließen, was ganz wichtig ist, das geht schon verloren.

Es gibt ja enorm viele Kolleginnen und Kollegen auch bei uns, die sehr engagiert sind und keinen Feierabend kennen. Also das Thema Entgrenzung zwischen Arbeit und Beruf, das ist natürlich nicht abschließend geklärt. Wenn jeder zur Zeit zu Hause auch arbeiten kann und es keinen geregelten Feierabend gibt.

Ich werde auch zukünftig überwiegend in mein Büro fahren. Wir haben ja auch Geschäftsstellen verteilt über Ostbrandenburg, die möchte ich auch besuchen. Der persönliche Eindruck ist nicht zu ersetzen durch virtuelle Kommunikation, er kann maximal ergänzt werden.

Gesprächsprotokoll: Felicitas Montag

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.06.2021, 14:40 Uhr

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