5,2 Millionen Euro - Untersuchungsausschüsse in Brandenburg: Scharfes, teures Schwert
In Brandenburg gab es in dieser Legislaturperiode vier Untersuchungsausschüsse. Alle beantragt von der AfD. Ob jeder davon nötig war, wird unterschiedlich bewertet - auch innerhalb der Opposition. In jedem Fall waren sie teuer. Von Markus Woller
- Untersuchungsausschüsse zu Corona, BER und rbb
- Opposition und Regierung zweifeln an Kosten und Nutzen, AfD verteidigt Einsetzung
- Konsens über Arbeit von rbb-Ausschuss
Sie gelten als das schärfste Schwert, das Oppositionsparteien im Brandenburger Landtag in den Händen halten: Untersuchungsausschüsse. Ihr Ziel: Öffentlich machen, an welchen Stellen es durch die Landesregierung Verfehlungen oder Missmanagement gegeben hat und – im besten Fall – konstruktive Vorschläge finden, was in Zukunft besser laufen könnte.
Dafür bekommen Untersuchungsausschüsse besondere Möglichkeiten an die Hand: In einem strafprozessähnlichen Verfahren werden Mitglieder der Landesregierung oder Dritte als Zeuginnen oder Zeugen vernommen. Auf Antrag des Untersuchungsausschusses kann ein zuständiges Gericht Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen. All das macht sie besonders aufwändig – und eben auch kostspielig. In dieser Legislatur allerdings gab es geradezu eine Inflation an Untersuchungsausschüssen, an der selbst Oppositionsparteien Kritik üben.
Gleich viermal hat die AfD Gebrauch von diesem Instrument gemacht. Mit 23 Abgeordneten ihrer Fraktion brachte sie die nötigen Stimmen zusammen. Ein Untersuchungsausschuss muss eingesetzt werden, wenn ein Fünftel der Abgeordneten es verlangt. Zweimal hat sich der Landtag dabei mit dem Management der Corona-Pandemie durch die Landesregierung befasst, erneut auch mit dem Flughafen BER und auch der rbb- Skandal wurde parlamentarisch ausgeleuchtet. "Es war unvermeidlich sie einzusetzen, weil relevante Fragen anders nicht beantwortet werden konnten", verteidigt AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt die Ausschüsse.
Corona-Auschüsse für 2,8 Millionen Euro
Die AfD hat mit der Einberufung aber auch erhebliche Kosten verursacht. Insgesamt ist für die Untersuchungsausschüsse laut Landtagsverwaltung ein Aufwand von rund 5,2 Millionen Euro entstanden. Alleine die beiden Corona-Ausschüsse kosteten rund 2,8 Millionen Euro, unter anderem für extra einzurichtende Referentenstellen, Gutachten, Ausschusssekretariat und anderen Verwaltungsaufwand.
Aus Sicht der AfD haben sie wichtige Verfehlungen aufgedeckt: "Wenn man so einschneidende Maßnahmen verhängt, braucht man ordentliche Daten und ständige Kontrolle, ob es gerechtfertigt ist, was man tut", so Berndt. Das habe die Landesregierung in der Pandemiezeit vermissen lassen. Außerdem hätte die Regierung aus seiner Sicht für schädliche Impfungen geworben.
Das sehen die Regierungsfraktionen anders. Die Landesregierung habe während der laufenden Pandemie die richtigen Entscheidungen auf Grundlage der damals zur Verfügung stehenden Daten getroffen, sagt Ausschussvorsitzender Danny Eichelbaum. "Aus der heutigen Perspektive kann man vieles anders beurteilen", so der CDU-Abgeordnete. Das sei aber nicht die Aufgabe des Untersuchungsausschusses gewesen.
Alle Oppositionsparteien sehen Versäumnisse
Die anderen Oppositionsparteien sehen zwar Versäumnisse der Landesregierung aufgedeckt, wie den aus ihrer Sicht unzureichenden Schutz der psychischen Gesundheit von Kindern oder eine schlecht gemanagte Impfkampagne. Sie beklagen aber, dass die Corona-Ausschüsse nicht selten am Kern des Themas vorbeigingen. "Gerade die Diskussion um die Impfung und die ganze Agitation, die von der AfD betrieben wurde, schon allein gegen die Impfmöglichkeiten – das ist nicht unsere Kragenweite", sagt Péter Vida von BVB/Freie Wähler.
Linken-Fraktionschef Sebastian Walter wird noch deutlicher. Er glaubt, dass die wichtigste Arbeit des Ausschusses wegen des Verhaltens der AfD nicht geleistet werden konnte. "Es hätte darum gehen müssen, welche Lehren man ziehen kann. Die AfD wollte diesen Untersuchungsausschuss nur, um ihre kruden Verschwörungstheorien bestätigt zu sehen", so Walter. Das sei der Partei nicht gelungen. Zielführender hätte eine sogenannte Enquete-Kommission sein können, sagt er. Diese hätte zusätzlich mit Experten und Wissenschaftlern besetzt sein können. Darin ist er sich mit den Regierungsparteien einig.
Genau wie auch bei der Einschätzung des BER-Untersuchungsausschusses. An diesem gab es schon vor der Einsetzung Kritik, vor allem, weil es im Berliner Abgeordnetenhaus bereits eine jahrelange, umfangreiche Aufarbeitung gegeben hatte. So sei fast nichts Neues in dem Ausschuss ans Licht gekommen, sagen Linke und Grüne. Trotzdem kostete er den Steuerzahler am Ende 1,4 Millionen Euro.
War der BER-Ausschuss eine Cash-Cow?
Die grüne Fraktionsvorsitzende vermutet, hier habe die AfD die Chance genutzt, um mit dem für den Ausschuss zur Verfügung stehenden Geld Personal zu finanzieren. rbb und Zeitungen hatten in den vergangenen Jahren mehrfach berichtet, dass in der Fraktion Rechtsextremisten beschäftigt werden. Budke schließt daran an und mutmaßt: "Möglicherweise ist hier Personal aus der Jungen Alternative finanziert worden, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. Dann muss ich sagen: Das ist raugeschmissenes Geld des Steuerzahlers."
Die AfD findet die Kostendebatte "verlogen". Schließlich werde an anderer Stelle auch nicht auf jeden Euro geschaut, so Berndt. Beim BER habe man erneut festgestellt, dass es ein chaotisches Baugeschehen gegeben habe, an dem die Landesregierungen von Brandenburg ihren Anteil gehabt hätte. Noch heute würden zudem viele Millionen Euro "rumliegen", die für den Schallschutz vorgesehen waren. Die Anwohner würden bis heute leiden, meint die AfD.
Bilanz des rbb-Ausschusses kommt noch
Die Freien Wähler, zu deren Mitgliedsvereinigungen auch Bürgerinitiativen aus dem BER-Umfeld gehören, wollen die Sinnhaftigkeit des Ausschusses nicht anzweifeln. Man hätte ihn aber nicht gebraucht, wenn die Landesregierung den bereits bestehenden Sonderausschuss zum Thema hätte weiterlaufen lassen, so Vida. So habe man der AfD das Thema "serviert".
Inhaltlich findet auch er, dass man zumindest in historischen Details neue Erkenntnisse habe gewinnen können. So zum Beispiel habe man zeigen können, dass die Standortentscheidung für Schönefeld anders getroffen worden sei, als bislang bekannt. "Es wurde verhandelt, Stolpe hat sich das abkaufen lassen", so Vida. Gleiches gelte für den Lärmschutz.
Der Abschlussbericht des rbb-Untersuchungsausschuss wurde am Freitag in einer Sitzung beschlossen. Er soll in der kommenden Woche im Landtag veröffentlicht und inhaltlich näher debattiert werden. Auch dieser Ausschuss hat rund eine Million Euro gekostet. Über die Sinnhaftigkeit dieses Ausschusses besteht bei allen Fraktionen kein Zweifel.
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.06.2024, 06:00 Uhr