#Wiegehtesuns? | Cassiopeia-Club in der Corona-Krise - "Und dann war auf einmal die Luft raus"

Der Friedrichshainer Club Cassiopeia versucht aus der Krise das Beste zu machen. Während des ersten Lockdowns gab es Livestreams und später den Sommergarten. Ab November sollte das neue Konzept starten, doch daraus wurde nichts. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Jakob Behrens und Florian Falkenhagen betreiben mit ihrem Team ziemlich leidenschaftlich den Cassiopeia-Club auf dem RAW-Gelände in der Revaler Straße in Friedrichshain. Aber langsam ist auch bei ihnen die Luft raus. So geht es Jakob und Flo und der Clublandschaft um sie herum:
Im August wurde uns relativ schnell klar, dass wir unseren Sommergarten, so wie wir ihn betreiben, ab Oktober nicht mehr machen können. Dann haben wir mit dem Team geschaut, wie wir unsere drei großen Räume nutzen können. Wir haben natürlich das Rad nicht neu erfunden. Aber wir haben uns überlegt, dass einfach nur ein Ausschank und die Räume aufzuschließen, ein bisschen zu langweilig wäre. Und schließlich haben wir ja auch noch zwei Bühnen. Wir wollten jeden Raum Donnerstag bis Samstag anders bespielen. Und Sonntag bis Mittwoch die Räume öffnen - für sowas wie ein Kneipenquiz oder mal eine Lesung.
Damit wollten wir über den Winter kommen und uns auch unabhängiger von den ganzen Fördergeldern machen.

Am 31. Oktober sollte es losgehen. Das Schlimmste am Lockdown Light ist: Es war das erste Projekt, wo wir mal im Zeitplan waren! Als Angela Merkel und die Minister das verkündet haben, war es wirklich wie ein Schlag vor den Kopf. Wir haben bis zu diesem Zeitpunkt einfach alles gegeben. Und dann war auf einmal die Luft raus.
Jetzt sind viele wieder in Kurzarbeit zuhause, wir müssen erstmal durchatmen – und natürlich dringend Geld sparen. Wir bekommen zwar Soforthilfe, aber nicht für das gesamte Personal. Wir schauen uns weiter die Anträge an, welches Förderprogramm passt genau zu uns und bringt uns am meisten? Und dann ist gerade viel Findung angesagt: Wie wollen wir arbeiten? Wann machen wir die Eröffnung? Wie könnte das aussehen? Was wird Silvester? Und wir bereiten uns auch darauf vor, dass Corona nächstes Jahr noch nicht vom Tisch sein wird.
Die letzten Monate waren für jeden von uns hier hart. Jetzt ist Kultur auch ein Sektor, der nicht so mega bezahlt wird wie ein IT-Job. Da bleibt nicht viel übrig. Und hier sind alle mit Leidenschaft und Herzblut dabei und sehen das nicht wirklich als Arbeit. Aber für die meisten ist das Cassiopeia auch der Hauptjob. Hier hängen wirklich Existenzen dran, die sieht man so gar nicht, wenn man hier feiern geht.
Wir hatten tatsächlich auch keinen einzigen Corona-Fall oder kein einziges Mal die Situation, dass wir in Quarantäne mussten. Jetzt haben wir unser Büro umgestaltet, das ist jetzt auf dem oberen Floor, damit wir genug Abstand halten können.
Ob wir uns von der Politik gut unterstützt fühlen? Es ist nicht so, dass wir allein gelassen werden. Das ist auf jeden Fall positiv. Wir haben das Glück, dass wir bisher Förderungen bekommen haben, aber wir müssen immer gucken, dass wir die nächsten Monate damit überstehen. Ein großes Problem ist, dass wir immer für drei Monate Geld bekommen. Zum Beispiel ist die letzte Soforthilfe im August ausgelaufen und erst Mitte Oktober haben wir den Bescheid erhalten, dass wir für September, Oktober, November auch wieder Geld bekommen. Das heißt, du bist eineinhalb Monate im Fegefeuer, was du niemandem erzählen kannst. Nicht deiner Familie oder sonst wem, weil das einfach eine Bankrotterklärung bedeutet. Eine regelmäßige Sicherheit wäre einfach gut für uns, gar nicht mal so sehr für eine Planungssicherheit, sondern für den Geist, dass man einfach schlafen kann.
Es muss vor allem geguckt werden, wie man mittel- und langfristig Kultur unterstützt. Da gibt es jetzt noch nicht so viel. 'Neustart Kultur' wäre sowas, da geht es um das nächste Jahr und darum, Veranstaltungen unter Corona-Bedingungen stattfinden zu lassen. Aber ansonsten? Wir müssen unseren 50.000-Euro-Kredit im April 2022 auf den Cent zurückzahlen. So lange wir Corona haben und die Förderungen laufen, geht es, aber das Gefährliche - und das muss in der Politik auch ankommen - ist die Zeit danach.
Wenn es heißt, die Zahlen sind unter Kontrolle, ihr könnt jetzt wieder normal aufmachen, aber ein Club eh immer gerade so übers Jahr kommt und dann noch die Schulden dazu kommen, dann wird es gefährlich. Dann wird man auch erst die Auswirkungen von Corona merken. Wenn es dann keine Starthilfe gibt, kann es durchaus sein, dass wir unsere Club-Dichte, die wir immer so geliebt haben, schnell vermissen.
Das RAW-Gelände ist wie ein kleines Dorf in Meck-Pomm: Mit denen, die jetzt wirklich direkt um uns herum sind, haben wir natürlich mehr Kontakt. Da merkt man schon, dass ausprobiert und gebastelt wird. Es gibt aber auch welche, die haben wir hier seit März nicht mehr gesehen. Es gibt auch Clubs, die wirklich mittlerweile am Abgrund stehen. Da funktioniert nicht mehr so viel. Man versucht sich immer gegenseitig zu motivieren oder zu sagen: 'Komm, wir helfen uns da und dort.' Aber inzwischen hilft eigentlich nur noch Geld.
Es ist wirklich schade, weil Berlin sehr viel profitiert hat von dieser Szene. Es wäre das Mindeste, dass jetzt ein Rettungsschirm aufgespannt und gesagt wird: 'Okay, wir bringen euch hier alle ein stückweit durch!'
Gesprächsprotokoll: Magdalena Bienert
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