#Wiegehtesuns? | Der Hotelchef - "Ist ja keiner da!"

Stell dir vor, du leitest ein Hotel - und keiner darf rein! Thomas Binroth kennt das: keine Konferenzen, keine Tagungen, kaum Touristen - im Hotel Grenzfall herrscht Corona-bedingte Flaute. Jetzt hofft er auf den Sommer. Ein Protokoll
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Thomas Binroth arbeitet dort, wo die halbe Welt vorbeiguckt, um sich über Berlins Mauergeschichte zu informieren: Er leitet das Hotel Grenzfall hinter dem Mauermuseum. Wer dort übernachtet, schlummert im Schatten der Restmauer - oder Geschäftsleute treffen sich dort. Normalerweise. Doch so geht es Thomas Binroth zurzeit:
Erstmal vorneweg: Wirt bin ich nicht. Ich bin Hotelbetriebswirt, so nennt sich das ganz offiziell. Aber das ist im Moment so eine Sache: Hotelbetriebswirt - und kein Gast da im Hotel! Ich habe heute jedenfalls keinen Gast bei uns gesehen. "Keiner" - das stimmt jetzt nicht, aber wenige, ganz wenige Gäste sind im Haus. Derzeit sind es noch nicht einmal ein Drittel der Gäste, die wir letztes Jahr im Juni hatten. Und unsere Mitarbeiter? Auch keiner da. Korrekt muss es auch hier heißen: wenige! Mein Tag läuft normalerweise so: Ich komme früh und frage, was so ansteht. Nun aber kann ich nicht fragen. Ist ja keiner da.
Und für mich heißt das: Nach sechs Stunden bin ich wieder zu Hause. Gar nicht zu vergleichen mit Zeiten, wo bei uns viel zu tun ist. "Mitten in der Saison" wäre das jetzt. Remmidemmi: große Veranstaltungen und Konferenzen - gar nichts davon im Moment! Firmen, Verbände, Organisationen? Alle abgesagt.
Darum also auch keine Besprechungen oder Absprachen in unseren Abteilungen. Die Leitung vom Empfang, vom Service, von der Küche? Alle in Kurzarbeit: 100 Prozent. Und wie lange noch? Müssen wir sehen. Im April waren sieben Leute im Haus, also Mitarbeiter. Und das dann auch nicht alle auf einmal, sondern jeder immer mal und an unterschiedlichsten Tagen. So, wie jeder gerade mal gebraucht wird. Und im Mai war ein bisschen mehr Betrieb. Ein bisschen.
Wir hatten über die ganze Corona-Zeit offen. Im Hotel zu schlafen, war ja nicht verboten. Aber eben keine Gäste. Es gab Nächte, wo niemand da war oder nur einer oder zwei. Wenn keiner da ist, wird abgeschlossen. Für uns ist das auch neu. Wenn dann Gäste kommen, oder kommen wollen, versuchen wir herauszufinden, wann sie anreisen, damit einer von uns da ist. Wir bereiten alles vor und warten. Und beim Frühstück gibt es jetzt alles auf Wunsch. Kein Buffet so wie früher. "Was möchte Sie?" und "Was mag Er?" fragen wir jetzt vorher. Und wenn wir das wissen, wird das so auch zubereitet. Jeder kriegt sein ganz spezielles Frühstück.
Wir haben übers Jahr gerechnet 60 bis 63 Prozent Geschäftsreisende, alles andere sind Touristen. Die Auslastung liegt normalerweise übers Jahr bei etwa 70 Prozent. Im Mai letztes Jahr waren es 80 Prozent. Und in diesem Mai: acht Prozent. Unterboten nur vom April: drei Prozent. Drei Prozent sind - Moment, ich muss nachgucken - 68 Übernachtungen von normalerweise 1.480 Übernachtungen und wenn das Haus sogar zu 100 Prozent voll wäre, dann sind wir bei 2.280.
Langsam, ganz langsam merkt man die Aufhebung der Reisebeschränkungen. Und wenn wir jetzt wieder Veranstaltungen haben werden, dann müssen wir natürlich über die Hygiene-Maßnahmen sprechen. Da können dann jetzt nur 20 Personen rein, vielleicht 25. Vorher waren es 80. Und jetzt wird genau über die Hygiene gesprochen. Wir haben viele Gäste, die zu den Risikogruppen gehören. Das ist auch bedingt durch unsere soziale Ausrichtung.
Dazu muss man sagen: Geschäftlich ist unsere Mutter sozusagen die Stiftung Lobetal. Und aufgrund unserer Mitarbeiterschaft, von denen ein Großteil ein Handicap hat, sind wir eine gGmbH, haben also den Status der Gemeinnützigkeit. Und darum kommen bei unseren Gästen und bei unseren Veranstaltungen auch viele von sozialen Verbänden. Allerdings gehören auch viele unserer Quasi-Stammgäste zur Risikogruppe, wie auch viele unserer Mitarbeiter, und die können von uns darum auch nicht eingesetzt werden.
Ein Drittel unseres Geschäfts sind Touristen. Also die Schlafgäste. Und dann versorgen wir noch die Besucher des Mauermuseums. Wir sind die Nachbarn des Museums und betreiben dort ein Bistro. An die Mauer aber will keiner im Moment. Und ins Mauermuseum wohl auch keiner. Langsam, jetzt in diesen Tagen, startet im Museum wieder der Probebetrieb.
Und die Stimmung hier? Das muss man sich so vorstellen: An der Mauer ist Ruhe. So eine Ruhe habe ich da noch nie erlebt. Normalerweise sind hier immer Schulklassen, Fahrradgruppen. Ein Abstecher an die Mauergedenkstätte machen fast alle, die nach Berlin kommen. Aber jetzt nicht mehr. Darum ist natürlich auch das Bistro an der Gedenkstätte zu. Niemand guckt sich das an. Die Berliner kennen es ja und die Touries sind nicht da. Ziemlich banal.
Die Aussichten für unser Haus sind so, dass wir hoffen! Der Tourismus bleibt eingeschränkt in Europa. Aber das heißt auch: Es wird wieder Urlaub im eigenen Land gemacht. Das bedeutet Veränderung. Der August etwa ist in normalen Jahren für uns recht müde: Kaum Geschäftsveranstaltungen und an den Wochenenden kommen dann nur ein paar mehr Touristen. Die Leute verlassen normalerweise Berlin im Sommer. 2020 aber wird anders. Da ist der August vielleicht unser Monat: Die Deutschen kommen nach Berlin. Also das hoffen wir.
Gesprächsprotokoll: Stefan Ruwoldt
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