#Wiegehtesuns? | Ehemalige Obdachlose - "2020 endet gut: Ich bin von der Straße weg"

Drei Jahre lang hat Andrea keine eigene Wohnung. Ausgerechnet im Coronajahr glückt ihr der Neuanfang. Jetzt lebt sie in den eigenen vier Wänden und will auch beruflich durchstarten. Wie hat sie das geschafft? Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Andrea [Name von der Redaktion geändert] ,32 Jahre alt, lebte bis vor kurzem in einer Unterkunft, die die Stadtmission wegen der Pandemie bereit stellt. Im Juli dieses Jahres hat sie erstmals mit uns gesprochen. Jetzt hat sie eine eigene Wohnung in Berlin. So geht es Andrea:
Seit dem 1. Dezember habe ich einen Vertrag für eine eigene Wohnung: ein Zimmer, Bad, Küche in der dritten Etage eines Plattenbaus. Klein, aber fein – und vor allem: meins. Die Tage vor Weihnachten habe ich damit verbracht, die Wohnung einzurichten. Einen Kühlschrank und eine Waschmaschine konnte ich gebraucht kaufen – mit einem Zuschuss der Arbeitsagentur.
Seit ich meine Wohnung habe, halte ich mich von der Obdachlosenszene fern. Ich will mit diesem Kapitel abschließen, mich erst einmal in meinem neuen Leben einrichten, langfristig einen Job finden, von dem ich leben kann. Corona ist auch ein Grund, warum ich mich mit Kontakten erst einmal zurückhalte. Ich bin nicht panisch, aber vorsichtig. Ich trage meine Maske, wasche regelmäßig die Hände. Zwar kenne ich niemanden in der Obdachlosenszene, der sich infiziert hat, aber die Gefahr ist groß.
Eine Pandemie ist keine gute Situation, um Freundschaften zu schließen! Aber ich habe jetzt wieder engeren Kontakt zu meiner jüngeren Schwester. Sie hatte mich sogar eingeladen, die Feiertage mit ihr und ihrem Kind zu verbringen. Das war nett! Sylvester bin ich dann allein zu Hause. Das macht mir nicht aus. Ich war noch nie wild darauf, auf Partys zu gehen.
So geht das Jahr 2020 doch noch gut für mich zu Ende. Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich über meine eigenen vier Wände bin. In den drei Jahren auf der Straße war ich ja ständig im Stress. Ständig am Überlegen, wo ich die nächsten Nächte schlafe, wie ich durch den Winter komme. Wenn ich in Notunterkünften und Wohnheimen übernachtete, musste ich immer darauf achten, dass mir nichts geklaut wurde.
Meinen Ausweis, die Krankenversicherungskarte und die ec-Karte trug ich beim Schlafen eng am Körper. Trotzdem sind mir Sachen gestohlen worden: Notizen, Zeichnungen. Wer will schon von einer Frau getragene Kleidungsstücke? Ich will mir nicht ausmalen, was die Diebe damit gemacht haben.
Im Spätsommer bin ich aus dem Wohnheim ausgezogen, das die Berliner Stadtmission wegen Corona für Wohnungslose eingerichtet hatte, zunächst ins Betreute Wohnen. Sozialarbeiter führten mit mir intensive Gespräche über meine Zukunft. Sie halfen mir, meine Angelegenheiten mit den Behörden zu regeln. Die Wohnung habe ich aber allein gefunden. Ich habe ausschließlich bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften gesucht. Da kann ich nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, und sie planen in aller Regel auch keine Luxussanierungen.
Meine Motivation, von der Straße wegzukommen, war riesig. Ich hatte ein paar obdachlose Frauen um die Fünfzig kennen gelernt. Sie sahen so ausgezehrt, so fertig aus, als seien sie Greisinnen. Besonders schlimm wirken sich Alkohol und Drogen aus. Dass ich mich davon ferngehalten habe, ist wohl ein wichtiger Grund dafür, dass ich es von der Straße weggeschafft habe.
So sitze ich nun in meiner Wohnung, lese und zeichne. Ich würde mich gern politisch einbringen mit dem, was ich als Obdachlose erlebt habe. Ich finde, jeder Mensch sollte eine Wohnung haben. Das ist eine Frage der Menschenwürde!
Gesprächsprotokoll: Josefine Janert
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