Umstrittener Rechtsaußen - Bei der CDU in Prenzlauer Berg fand Peter Kurth eine bizarre politische Heimat
Was ist los im CDU-Ortsverband Prenzlauer Allee, dem Peter Kurth bis vergangenen Herbst angehörte? Neben dem Ex-Finanzsenator gibt es noch andere Mitglieder, die für Negativschlagzeilen sorgen und die Berliner CDU-Spitze gegen sich aufbringen. Von Sabine Müller und Thorsten Gabriel
Im CDU-Ortsverband Prenzlauer Allee legen sie Wert auf Traditionen. Als sich die Mitglieder am 5. Dezember 2023 zu ihrer Weihnachtsfeier treffen, leiten sie ihre Feier mit einer ökumenischen Andacht ein und beenden den "offiziellen Teil" des Abends patriotisch mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne.
Noch davor aber ehrt der Ortsverband an jenem Dienstagabend ein langjähriges Parteimitglied, das zu diesem Zeitpunkt schon keines mehr ist: den früheren Berliner Finanzsenator Peter Kurth. Ihm wird vom Ortsverbandsvorsitzenden Sebastian Greve die Ehrennadel der Partei für besondere Verdienste überreicht, nebst einer Flasche Rotwein. Kurth habe sich "über so viele Jahre mit außerordentlichem Engagement und Einsatz mehr als verdient gemacht", verkündete der Ortsverband bis vor Kurzem noch stolz auf seiner Facebook-Seite.
Mittlerweile ist der Post von der Seite verschwunden. Nicht ohne Grund, denn das langjährige CDU-Mitglied Peter Kurth machte zuletzt Schlagzeilen, die etliche langjährige Weggefährten fassungslos reagieren ließen. Stück für Stück kam ans Licht, dass der 63-Jährige nicht nur seit langem engste Kontakte in rechtsextreme Milieus pflegte, sondern offenbar auch Projekte der ebenso rechtsextremen Identitären Bewegung mit viel Geld unterstützte.
"Ein gallisches Dorf - im negativen Sinne"
Wer sich in den vergangenen Tagen in der Berliner CDU umhörte und nach Peter Kurth erkundigte, bekam neben Ratlosigkeit über dessen Wandlung auch zu hören, dass er aus dem Ortsverband Prenzlauer Allee stamme - und der sei, nun ja. Was dann an persönlichen Einschätzungen über den Ortsverband und dessen Mitglieder geraunt wurde, ist teilweise nicht zitierfähig, auf jeden Fall ist es meist wenig freundlich. Ein CDU-Mitglied spricht davon, der Ortsverband sei ein "gallisches Dorf im negativen Sinne": isoliert, bevölkert von kuriosen Gestalten, immer bereit, auf den Feind loszugehen. Wobei "Feind" dabei oft heiße: die Führung der Berliner CDU.
In jedem Fall dürfte der Ortsverband Prenzlauer Allee eine der bizarrsten Parteigliederungen sein, die die Berliner CDU derzeit zu bieten hat. Als einer von insgesamt acht Ortsverbänden in Pankow rühmt er sich damit, der "größte Ortsverband der CDU Berlin östlich des Brandenburger Tors" zu sein. 320 Mitglieder zählt er laut dem Vorsitzenden Sebastian Greve aktuell. Man habe die CDU etwas verjüngt und "entspießt", lobt Greve. Etwa ein Viertel der aktiven Mitglieder sei schwul, man unternehme gemeinsame Reisen und pflege einen lockeren Umgangston.
Das Who is Who des Ortsverbands Prenzlauer Allee
Zu den bemerkenswertesten (Ex-)Mitgliedern des Ortsverbands gehören:
- Peter Kurth: Er trat im Herbst 2023 aus der CDU aus. Als das Nachrichtenmagazin der "Spiegel" im Januar berichtet, der ehemalige Berliner Finanzsenator habe am 5. Juli 2023 auf der Dachterrasse seiner Privatwohnung in Mitte auch Rechtsextreme empfangen, ist das der Auftakt für weitere Veröffentlichungen. So brachte das ARD-Magazin "Monitor" ans Licht, dass Kurth den Kauf einer Immobilie im österreichischen Linz mit 120.000 Euro unterstützte, die von der Identitären Bewegung zu einem Treffpunkt für Rechtsextreme ausgebaut wurde.
Nach Recherchen von rbb|24 stand Kurth 2016 außerdem der Berliner AfD-Fraktion kurzzeitig beratend zur Seite. So kam es nach dem erstmaligen Einzug der Partei ins Berliner Abgeordnetenhaus zu einem Treffen zwischen Kurth und dem damaligen AfD-Fraktionschef Georg Pazderski, bei dem der Ex-Finanzsenator Kraft seiner Erfahrung Hinweise zur politischen Arbeit gab.
- Ulrich Vosgerau: Zu den CDU-Mitgliedern, die am Treffen von Rechtsextremen in Potsdam teilnahmen, gehörte auch Ulrich Vosgerau. Der Jurist beteuert, er pflege normalerweise keine Kontakte zu Rechtsextremen, betont aber: "Es muss möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen."
Inhaltlich sei der Termin nicht brisant gewesen, sagt Vosgerau, der auch Mitglied der konservativen Werteunion ist. Zur AfD unterhält er ebenfalls gute Kontakte. Er gehörte dem Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung an, vertrat die Partei schon mehrfach vor Gericht und wird von ihr gerne als Sachverständiger engagiert. Die CDU will Vosgerau nun loswerden und hat ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet.
- Harald Burkart: Vize-Vorsitzender des Ortsverbands. Über ihn enthüllte der "Spiegel", er habe 2020 in privaten Chats Fotomontagen verbreitet, mit denen die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Diktator Adolf Hitler verglichen wurde. Außerdem hatte Burkart einen Post mit einer Rede des AfD-Politikers Matthias Helferich "geliked". Helferich sitzt mittlerweile fraktionslos im Bundestag, weil er selbst der AfD zu radikal war. Burkhard spricht von "Vorwürfen aus der Mottenkiste" und sieht sich als Opfer einer Verleumdungskampagne.
Seit Juli 2023 machte er auch Schlagzeilen, weil die Landes-CDU seine Wahl zum Chef der Jungen Union nicht anerkennt. Und schon davor gab es Konflikte mit ihm: 2022 lehnte der Verband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) seinen Aufnahmeantrag ab. Über die Gründe wird geraunt. Wer nachfragt, wird von Burkarts Medienanwalt zurückgerufen: Ralf Höcker. Dessen Mandantenportfolio reicht vom niederländischen Königspaar über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan bis zur AfD. In Höckers Kanzlei arbeitete auch Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der dabei ist, aus der konservativen Werteunion eine eigene Partei zu machen.
- Hans-Joachim Reck: Reck war von 1993 bis 1996 Geschäftsführer der Bundes-CDU (und als solcher mitverantwortlich für die Rote-Socken-Kampagne gegen die SPD und die Linkspartei-Vorgängerin PDS), außerdem eine zeitlang Schatzmeister der Berliner CDU unter Frank Henkel. Mit politischen Aussagen war der 71-Jährige in den letzten Jahren nicht aufgefallen, meldete sich aber mit einem Paukenschlag zurück, als er sich in die Debatte über die Beziehung des Regierenden Bürgermeister Kai Wegner zu Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch einmischte. Gegenüber dem Verlag Tablemedia forderte Reck Wegners Rücktritt und warf ihm vor, er offenbare "in Fragen der Compliance fachliche Inkompetenz und insgesamt große, charakterliche Schwächen." Die Berliner CDU-Spitze war not amused.
Abgrenzung auf allen Ebenen
Sebastian Greve grenzt sich und seinen Ortsverband im Gespräch mit dem rbb klar von rechten Umtrieben ab. "Unfassbar" sei das, was nun über Ex-Finanzsenator Peter Kurth bekannt werde, beispielweise seine finanzielle Unterstützung der rechtsextremen Identitären Bewegung. "Die kennt man nicht, die ruft man nicht an, die finanziert man nicht", sagt Greve dazu.
Dass Ulrich Vosgerau Mitglied in seinem Ortsverband sei, habe er erst vor wenigen Tagen erfahren, beteuert Greve. Der Jurist sei noch nie bei einem Treffen gewesen. Und was die Posts von Harald Burkart angeht? Die finde er "nicht gut" und hätte sie "nicht gemacht", Greve sieht darin aber nichts Rechtsradikales oder Justiziables.
Zum Personal des Ortsverbands Prenzlauer Allee muss sich auch Dirk Stettner Fragen gefallen lassen. Er ist nicht nur Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus, sondern auch Kreisvorsitzender der Partei in Pankow. Was ist da los in seinem Verantwortungsbereich? Gegenüber dem rbb versichert Stettner, die CDU habe nichts gewusst von Peter Kurths "Doppelleben" und der "Delinquent" Vosgerau solle aus der Partei ausgeschlossen werden. Überhaupt wolle man "alle loswerden, die mit Rechtsextremen zusammenarbeiten".
Aber natürlich sieht Stettner, dass die "gewisse Anhäufung" der Vorfälle, wie er es nennt, kein gutes Licht auf seine CDU wirft. Zumal völlig unklar ist, was in der Angelegenheit noch alles herauskommt. "Natürlich gibt es die Sorge, dass noch mehrere andere CDU-Mitglieder an solchen Treffen teilgenommen haben, ohne dass wir es wissen", sagt Stettner. Das kann man als erstaunliche Offenheit sehen. Oder als geschicktes Vorbauen für mögliche zukünftige Enthüllungen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.01.2024, 08:45 Uhr