#Wiegehtesuns? | Die Altenpflegerin - "Keine Seife, kein Duschgel, keine Zahnbürsten - gar nichts"

Mo 06.04.20 | 19:02 Uhr
Altenpflegerin in Berlin (Quelle: rbb/Bartocha)
rbb/Bartocha
Video: rbb Spezial | 06.04.2020 | 20:15 Uhr | Bild: rbb/Bartocha

Angelina Röck arbeitet als Leiharbeitskraft, meistens in Altenpflegeheimen. Durch die Corona-Krise spürt sie den Pflegenotstand noch stärker als sonst. Das Protokoll eines Arbeitsalltags unter Mangelbedingungen. Ein Gesprächsprotokoll.

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Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Angelina Röck ist 22 Jahre alt und ausgebildete Krankenpflegerin. Sie arbeitet als Leiharbeitskraft häufig in Altenpflegeheimen. So geht es Angelina:

Mein prägendster Eindruck war der Mangel an Pflegematerialien. Meistens sind die Angehörigen oder die Patienten selbst dafür zuständig, Seife oder Duschgel zu kaufen. Wenn kein Besuch kommt und der Patient traurigerweise nicht mehr in der Lage ist, das selbst zu besorgen, gibt es irgendwann keine Handseife, kein Duschgel, keine Zahnbürste, nichts mehr.

Nun sind meistens die Vorratslager in Pflegeheimen oder Krankenhäusern auch alle leer, weil die Lieferung nicht mehr hinterherkommt. Ich stand eines morgens wirklich vor der Frage: Wie soll ich das denn jetzt machen? Es bleibt die Möglichkeit, dass ich netterweise den Bewohner nebenan frage, ob ich mir was von seinem Duschgel klauen darf. Oder es wird dann eben nur mit klarem Wasser gewaschen. Einmal habe ich dann von meinem eigenen Geld Duschgel gekauft.

Auch bei Windeln gibt es Lieferengpässe. Da muss man erfinderisch werden oder auch mal über die eigene gesetzliche Grenze gehen. Ich habe erlebt, dass Pflegekräfte unerlaubt Windeln von anderen Patienten genommen haben, um den Bedarf auf der Station überhaupt zu decken. Aber anders geht es halt in dem Moment nicht.

Um mich selbst zu schützen, trage ich einen Mundschutz, wie man ihn überall kaufen kann. Es gibt nichts Anderes, und selbst der Mundschutz ist rar. Man benutzt einen Mundschutz für die ganzen acht Stunden in der Schicht, was laut Richtlinie nicht erlaubt ist. Ich muss eigentlich für jeden Bewohner einen frischen Mundschutz anlegen, aber das ist schlicht unmöglich. Viele Kliniken und Häuser fangen jetzt an, Mundschutze selber zu nähen, um überhaupt etwas zu haben, womit man sich schützen kann.

Weil ich in der Leiharbeit bin, ist das Pflegeheim, in dem ich eingesetzt bin, dazu verpflichtet, mir Dienstkleidung zu stellen. Das funktioniert aber in den meisten Heimen nur schlecht. Letztens musste ich zweieinhalb Stunden in Zivilkleidung arbeiten, weil die Wäschekammer noch nicht geöffnet war. Ich war die einzige Fachkraft in meiner Schicht, muss also Aufgaben erledigen, die andere Berufsgruppen nicht übernehmen können, Wunden reinigen oder den Darmausgang.

Das habe ich dann in Zivilkleidung gemacht, und eigentlich müsste ich sagen: Nein, solange ich hier keine Arbeitskleidung habe, mache ich nichts. Aber da geht es dann um Menschlichkeit. Da mache ich es dann mit meiner privaten Kleidung, die ich rein theoretisch zuhause auskochen müsste oder wegschmeißen. So sieht es momentan aus.

Gesprächsprotokoll: Tina Friedrich

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