#Wiegehtesuns? | Der Großhändler - "Uns bleiben noch drei bis vier Monate, dann ist das Geld alle"
Für Thomas Franz tickt die Zeit. Der Großhändler aus Berlin beliefert Kantinen, Behörden und Unternehmen mit Obst und Gemüse. Doch das Geschäft läuft wegen Corona auf Sparflamme. Und die Finanzdecke wird immer dünner. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Seit Anfang der 1980er Jahre betreibt Thomas Franz das 1949 gegründete Familienunternehmen "Früchte Franz". Bis zum Lockdown lieferten die Berliner Obst, Gemüse und Kräuter für Kantinen, Kitas, Behörden, Gastronomie, das Studentenwerk und große Unternehmen.
Seit April schlafe ich schlecht. Ich wache nachts auf, sorge mich um die Mitarbeiter. Durch den Lockdown sind uns innerhalb kürzester Zeit nach und nach alle Kunden weggebrochen. In der Hochphase der Krise sind uns nur ein paar Senioren- und Pflegeheime geblieben, die weitergemacht haben, weil natürlich die Insassen dort weiter betreut werden mussten.
Wir haben zwar diesen Schnellkredit bekommen, dafür bin ich auch dankbar, denn sonst wäre wir gar nicht mehr in der Lage, zu arbeiten. Aber das Geld schmilzt langsam ab. Wir müssen es irgendwann zurückzahlen. Und wir sind noch zu weit von irgendwelchen Zahlen entfernt, die uns, sagen wir mal, einen Monat wenigstens mit plus minus Null abschneiden lassen würden.
Jetzt haben wir ziemlich genau 50 Prozent der Einnahmen, die wir vor dem Lockdown hatten. Das bedeutet, dass die Individualgastronomie, die wir auch beliefern, eigentlich wieder ganz gut funktioniert. Da bin ich sogar angenehm überrascht, dass fast alle unsere Kunden wieder da sind. Aber eben alles, was in Richtung Behörden, öffentliche Institutionen geht, da bewegt sich ganz wenig. Die Schulen hatten bis jetzt noch zu, die Universitäten haben zu, Kitas, Ämter, viele Kantinen sind immer noch komplett zu. Das ist einfach unser Problem. Und das haben wir nun gar nicht an der Hand.
Ich sehe mit Sorge die Verluste, die jeden Monat dazu kommen. Das sind mehrere 10.000 Euro monatlich. Und wenn der Kredit abgeschöpft ist, wissen wir nicht, wie es weitergeht, und ob wir dann schon in der Situation sind, dass wir wieder Geld verdienen.
Ich bin keiner, der grundsätzlich an einer Pandemie zweifelt und an deren Gefährlichkeit. Und natürlich habe ich Angst um ältere Angehörige und alte Menschen. Aber ansonsten würde ich das als einen Albtraum bezeichnen. Ich gehe manchmal abends ins Bett und hoffe, morgen früh ist das zu Ende. Aber das passiert halt nicht.
Mir ist natürlich selbst klar, dass auch die Politik die Pandemie nicht genau einschätzen kann. Aber uns würde helfen, wenn man planen könnte. Als Kaufmann weiß man die Summe, die man noch zur Verfügung hat, und die Verluste, die man monatlich macht. Und überhaupt nichts zu wissen, das macht einen verrückt. Also mich zumindest, weil ich als Unternehmer immer gewohnt war zu agieren. Und das geht im Moment nicht.
Es liegt nicht daran, dass wir ideenlos sind. Wir haben halt alles schon abgearbeitet. Wir haben alles eingekürzt, was man einkürzen kann. Wir haben niemand entlassen, aber wir hatten natürlich ein paar personelle Abgänge. Es gab Zeitverträge. Es gab Leute, die jetzt in Rente gegangen sind. Nächsten Monat geht noch einer in Rente, da ist man heutzutage richtig glücklich darüber, dass das so ist. Früher hat man um Mitarbeiter gekämpft. Aber wir versuchen natürlich, keinen aktiv zu entlassen.
Die Mitarbeiter sprechen mich regelmäßig an - immer auf eine sehr angenehme Art und Weise. Die meistgestellte Frage ist:" Wann wird denn das vorbei sein?" Und da sind wir aber genau an diesem Punkt, über den ich gerade gesprochen habe. Niemand kann es sagen. Wir hoffen natürlich alle. Aber das Prinzip Hoffnung ist eine schwierige Geschichte.
Ich würde mal sagen: Uns bleiben noch drei bis vier Monate, dann ist das Geld alle. Und dann kommt ein Punkt, wo ich sage, dann macht es keinen Sinn mehr, weil der Schaden wird. Dann irgendwann so groß, dass man das nicht mehr deckeln kann.
Wir sind eine e.K.-Unternehmensform, "eingetragener Kaufmann", das heißt ich hafte mit Mann und Maus. Man kann das ganz klar aussprechen: Wenn ich mein Unternehmen schließen muss, bin ich Sozialhilfeempfänger, und das nach 37 Jahren Selbstständigkeit.
Protokoll eines Gesprächs auf rbb 88,8
Wie geht es Ihnen? Wie sieht Ihr Alltag gerade aus? Erzählen Sie rbb|24 Ihre Geschichte in Zeiten von Corona! Einfach eine Mail schicken an internet@rbb-online.de. Wir melden uns bei Ihnen.
Kommentar
Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.