#Wiegehtesuns? | Der Bezirksschornsteinfeger - "Mit dem Anfassen, das ist im Moment nicht so populär"

Thorsten Stoedter ist es gewohnt, dass ihn wildfremde Menschen mal kurz berühren. Schließlich soll es angeblich Glück bringen, einen Schornsteinfeger anzufassen. Zu Zeiten von Corona ist das Glück anderweitig zu finden. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Thorsten Stoedter, 54, ist Bezirksschornsteinfeger in Berlin-Reinickendorf. Sicherheitsregeln und Atemschutz gehören schon immer zum Arbeitsalltag. Zu Corona-Zeiten werden sie auch zum Gesprächsthema mit seiner Kundschaft. So geht es Thorsten:
Wir sind nicht so gebeutelt wie viele andere Branchen, denn wir haben das Glück, dass wir zu den systemrelevanten Berufen gehören. Wir sind für die Sicherheit im Gebäude zuständig, wo wir die Heiz- und Feuerungsanlagen kehren und überprüfen. Schon im Mittelalter haben Schornsteinfeger manchen Brand verhindert. Die Leute haben ihn angefasst, um etwas Ruß zu ergattern. Das sollte ihnen Glück bringen. Seit Corona ist das mit dem Anfassen nicht mehr so populär. Aber wenn die Leute uns sehen, dann grinsen viele immer noch und freuen sich.
Auch wir müssen uns auf die Situation einstellen. Ich habe meine sechs Mitarbeiter in zwei getrennte Teams eingeteilt. Wenn einer erkranken würde, ist nicht gleich der ganze Betrieb in Quarantäne. Meine Mitarbeiter halten sich von Anbeginn an die Regeln. Hände waschen und desinfizieren, Abstand und Atemschutz. Der Atemschutz ist für uns nicht schlimm, weil wir oft damit arbeiten. Dass man in den Wohnungen im Gespräch mit Kunden eine Maske trägt, ist neu.
Die Kunden reagieren sehr unterschiedlich. Viele haben aufgrund einer Vorerkrankung gesagt: "Das Risiko ist mir zu groß, ich lass keinen rein!". Wir hatten auch Kunden, die in Quarantäne waren, oder wo die Kinder es mitgebracht hatten. Das wird in unseren Kehrbüchern vermerkt, und dann werden die Arbeiten, die ja Fristen unterliegen, später ausgeführt.
Manche Kunden bieten uns sogar FFP2-Masken an, obwohl wir von der Schornsteinfeger-Innung qualitativ hochwertige schwarze Masken bekommen haben, die auch nicht so schnell dreckig werden.
Selbst bei den erschreckend hohen Infektionszahlen, die wir inzwischen haben, gibt es immer noch Menschen, die in der Haustür sagen: "Bei mir brauchen Sie keine Maske!" Da denkt man: "Was ist denn mit dem los?" Es geht doch nicht darum, dass er uns oder wir ihn infizieren könnten, sondern darum, dass wir vorher in vielen anderen Wohnungen waren und das Virus – ohne es zu wissen – in die Wohnung tragen oder aus der Wohnung woanders hintragen könnten.
Ich nehme das ernst. Ich bin jetzt 54 Jahre alt und mache mir schon meine Gedanken, was passieren würde, wenn ich mich mit Corona anstecke.
Erfolg und Misserfolg eines Kleinunternehmens hängt sehr vom Unternehmer selbst ab. Wenn der Kopf weg ist, weil er vier Wochen im Koma auf einer Beatmungsstation liegt, dann kann so ein Unternehmen schon ganz massiv leiden. Ich habe auch Familie. Meine Mutter ist 76, die habe ich, bis auf einmal kurz im Sommer, seit März nicht persönlich gesehen.
Trotzdem denke ich, wir in Deutschland haben dieses Jahr Glück gehabt, auch mit unserem Gesundheitssystem. Meine Mitarbeiter schimpfen oft über die Sozialabgaben. Dann sage ich: "Dafür kannst du, wenn du jetzt krank wirst, einfach zum Arzt gehen, bist versichert. Das ist in vielen Ländern überhaupt nicht der Fall."
Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass die Menschen vernünftig sind. Ich denke, dass man die Pandemie beherrschen kann, wenn man auch im Alltagsgeschäft vor dem Virus Respekt hat. Das Glück, das wir uns alle für das nächste Jahr wünschen, wird auf jeden Fall die Gesundheit sein.
Gesprächsprotokoll: Cosima Jagow-Duda
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