#Wiegehtesuns | Arbeitsloser Veranstaltungstechniker - "Da wird man Vater und hat kein Einkommen mehr"

Andere ins richtige Licht setzen kann Bastian Kurka gut. Nur gibt es seit Corona kaum Arbeit mehr für Veranstaltungstechniker wie ihn. Das bringt ihn in eine verzweifelt Lage - auch wenn er privat eigentlich gerade sehr glücklich ist. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Bastian Kurka ist 44 Jahre alt, frischgebackener Vater einer Tochter und Veranstaltungstechniker im Bereich Lichttechnik. So geht es ihm:
Mein Job ist, vielmehr war es, auf Veranstaltungen Lampen aufzuhängen, sie zu verkabeln und einzuleuchten. Seit zehn Jahren bin ich selbstständig und habe an langen Tagen viele Stunden schwitzend dafür gearbeitet, dass andere Leute feiern können. Von Messen über Raves bis hin zu hochrangigen Firmenfeiern.
Angestellte und große Betriebsausgaben habe ich nicht. Als Soloselbstständiger bin ich dennoch gut über die Runden gekommen und der Umsatz hat sich jedes Jahr leicht gesteigert. Rücklagen oder Altersvorsorgen habe ich nicht. Betriebshaftpflicht und Krankenversicherung sind in meinem Job sehr viel wichtiger. Wenn während einer Veranstaltung eine Lampe aus dem Dach fällt, hat man im schlimmsten Fall ohne Versicherungsschutz schnell eine Millionenklage am Hals.
Ich kann mich gut an meinen letzten Job im Februar erinnern. Wir waren mehrere Dutzend Techniker auf der Messe Berlin und haben uns darüber unterhalten, dass aufgrund des Coronavirus die Messe in Barcelona abgesagt wurde und einige Kollegen trotz geleisteter Arbeit keine Rechnung mehr bezahlt bekommen. Niemand von uns hätte sich zu dem Zeitpunkt träumen lassen, dass dieser Job im Februar der letzte für viele von uns in diesem Jahr sein sollte. Die ITB, die Travel Messe, die Republica nach und nach wurden alle Aufträge wegen der Pandemie abgesagt. Ich habe seit Ende Februar keinen neuen Auftrag erhalten.
Ende März wurde dann unsere erste Tochter geboren. Sie kam drei Wochen zu früh und obwohl wir einen Geburtshaus-Termin hatten, mussten wir nachts in ein Krankenhaus fahren. Damals, während des Lockdowns, dachten wir noch das Krankenhaus ist das Schlimmste, was uns passieren könnte.
Die ersten drei Monate hatte ich oft Albträume. Da wird man Vater und hat schlagartig kein Einkommen mehr.
Ende Mai kam dann recht unkompliziert die 5.000 Euro Soforthilfe vom Land Berlin. Das Geld war schnell aufgebraucht.
Ende Juli kündigte dann die private Krankenversicherung meinen Vertrag, da ich zwei Monate keine Beiträge gezahlt hatte. Ich kämpfe heute noch um Arztrechnungen von Anfang des Jahres, die nicht beglichen wurden.
Solo-Selbstständigen in Deutschland wird der Gang zum Jobcenter empfohlen, der vereinfachte Antrag und die umgehende Hilfe für uns wurde fast schwärmerisch von der Politik gelobt. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Ich musste zwanzig gestückelte Emails an das Jobcenter verschicken, die die Datenmenge fast 100 MB an Dokumenten von mir und meiner Frau beinhalteten. Jetzt habe ich einen Bescheid. Mir sind zehn Cent für den kompletten Monat Juli ausgerechnet worden, da meine Frau, die gerade Elterngeld bekommt, anscheinend noch zu viel verdient. Babywindeln oder eine Krankenversicherung kann ich mir davon nicht kaufen.
Aber grundsätzlich finde ich den Umgang der Bundesregierung mit der Pandemie richtig. Niemand möchte ein überlastetes Krankensystem und auch ich bin gerne bereit, meinen Beitrag zu leisten.
Ich versuche jetzt der Situation etwas Gutes abzugewinnen und genieße jeden Tag mit meiner kleinen Tochter. Manchmal ist es schwer, gute Laune zu behalten, wenn man täglich in den Nachrichten von den großartigen Subventionspaketen hört. Auto-, Gastro-, Hotel-, Reisebranche und der BER bekommen Millionen. Mir und meinen Kollegen würde ein Bruchteil davon reichen. Wir haben auch keine Mitarbeiter, die wir entlassen könnten oder Aktionäre, an die wir das Geld weiterreichen.
Ab Dezember bekomme ich dann für fünf Monate Elterngeld. Der Bescheid basiert auf meinem Einkommen von vor der Krise. Damit werde ich bis Ende Mai 2021 erstmal über die Runden kommen. Ob es dann die Pandemie oder meine Auftraggeber noch geben wird und ich dann jemals wieder einen Auftrag bekomme, steht in den Sternen. Ich habe dann knapp 1,5 Jahre nicht mehr in meiner Branche gearbeitet.
Gesprächsprotokoll: Sabine Priess
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