Forderungen an künftige Bundesregierung - Prignitzer Bauern sehen Landwirtschaft am Abgrund
Niedrige Erträge, steigende Ansprüche, fehlende Wertschätzung: Prignitzer Landwirte sind frustriert und blicken pessimistisch in die Zukunft. Sie hoffen auf eine andere Ausrichtung der Landwirtschaft nach der Bundestagswahl. Von Björn Haase-Wendt
Die Wolken hängen tief, der Regen peitscht über die Felder in der Prignitz. Vorbei geht es an zahlreichen Feldern mit Mais, der in diesem Jahr gut steht. Im Prignitz-Dorf Berge hat Hartmut Lossin seinen Landwirtschaftsbetrieb und steckt mit seinen Mitarbeitern mitten in der Kartoffelernte.
"Wir beliefern die Stärkefabrik in Dallmin", sagt der Geschäftsführer, der vor riesigen Kisten voll mit Kartoffeln steht. Seit 30 Jahren führt er seinen konventionellen Landwirtschaftsbetrieb in der Prignitz, die zum Wahlkreis 56 gehört. Angesprochen auf die Zukunft seiner Branche wird Lossin nachdenklich: "Ich behaupte mal, die Landwirtschaft hier in unserer Region steht vor dem Abgrund."
Einkommensverluste und steigende Kosten
Auf der einen Seite würden in den letzten Jahren Mindererträge durch Wetterkapriolen, Einkommensverluste durch stagnierende Verkaufspreise und sinkende Agrarförderungen stehen, so Lossin. Auf der anderen Seite stünden steigende Pachten und Bodenpreise, hohe Kosten für Technik und Pflanzenschutz.
Außerdem würden schon heute im Nordwesten Brandenburgs große Investoren Betriebe und Flächen kaufen. "Die machen das nur, um ihr Geld vor dem Staat zu sichern und sehen die Landwirtschaft nur als Alibi", sagt Lossin. Er sieht darin eine Einstellung der landwirtschaftlichen Produktion.
"Die Grünen sind der Angstgegner"
Dass sich durch die kommende Bundespolitik und -regierung etwas grundlegend im Umgang mit der Landwirtschaft ändert, bezweifelt Hartmut Lossin. Er sieht die Grundlage bereits geebnet, zum Beispiel durch die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft. Sie sehen vor, dass etwa staatliche Förderungen an Bedingungen geknüpft werden und dass mehr Maßnahmen für den Klima- und Tierschutz stattfinden müssen.
Auch sei klar, dass die Grünen Teil der neuen Regierung werden, meint der Landwirt mit Blick auf die Umfragen. "Das sind unsere Angstgegner", sagt er und nennt Beispiele. Die Landwirte sollen zum einen CO2 einsparen, erklärt Lossin. Auf der anderen Seite würden Hilfsmittel wie Glyphosat weggenommen, die seiner Ansicht nach dafür geeignet seien.
Weniger Ideologie gefordert
Das zeige für ihn, dass es nicht mehr um Sachverstand gehe, sondern um Ideologie, sagt Lossin. Hier wünscht er sich mehr Austausch mit den Landwirten, statt nur über sie zu sprechen.
Ähnlich sieht es sein Kollege Hans-Heinrich Grünhagen, der in Wernikow bei Wittstock rund 1.700 Hektar eigene Flächen bewirtschaftet und etwa noch einmal die gleiche Fläche für andere Landinhaber. "Ich habe den großen Wunsch, dass wieder mehr Wissenschaftlichkeit und Rationalität einkehrt", sagt Grünhagen, der in den vergangenen Monaten mehrfach gegen die Agrarpolitik in Berlin und Potsdam mit seinen Traktoren demonstriert hat.
Maßnahmen kompensieren
Schon heute würden die Betriebe Maßnahmen für mehr Klimaschutz umsetzen, etwa durch den Humusaufbau, um mehr Kohlenstoff langfristig im Boden zu binden oder durch zusätzliche Blühstreifen an den Feldrändern. "Wir machen vieles als Betrieb, auch weil es uns wichtig ist. Aber was von der Politik zum Beispiel beim Insektenschutz beschlossen wird, ist nicht nachvollziehbar", kritisiert Hans-Heinrich Grünhagen.
Außerdem sei eine Kompensation der Maßnahmen wichtig, sagt Hartmut Lossin. Etwa durch eine Vergütung über die CO2-Abgabe, die auf die Landwirtschaft umverteilt werden könnte.
Investitionen müssen sicher sein
Auch fordern die Bauern eine stärkere Verlässlichkeit von der künftigen Bundesregierung, wenn es um den geforderten Umbau der Landwirtschaft und der Ställe gehe. "Wenn ich heute eine Investition mache, dann muss ich die für zehn oder 20 Jahre bei der Bank finanzieren", erklärt Grünhagen. So lange müsse die Sicherheit vorhanden sein, dass der Landwirt sein Geld auch wieder reinbekomme.
Außerdem seien die rechtlichen Rahmenbedingungen oftmals ein Problem, das zeige sich etwa in der Tierhaltung. Wer einen Antrag auf Umbau seines Stalls stelle, müsse damit rechnen, dass sein kompletter Stall erstmal gesperrt werde, "weil er die neuen baurechtlichen Grundlagen nicht mehr erfüllt. Das hält viele Landwirte ab, weil sie im Ernstfall nichts mehr haben", sagt der Wernikower. Hier gebe es Änderungsbedarf.
Bürokratie erschlägt die Betriebe
Ähnlich sehe es in der Ausgestaltung der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus. Durch die Reform würde auf die Betriebe eine Bürokratie-Welle zurollen. "Selbst Beraterfirmen sagen uns, das ist nicht mehr zu händeln", sagt Hans-Heinrich Grünhagen, und fügt hinzu: "Wie will das erst recht ein klassischer Familienbetrieb schaffen?" Statt mehr Bürokratie fordern die beiden Prignitzer Landwirte mehr EU-Vergütungen.
Denn wer hohe Standards bei Produktion, Klima- und Tierschutz wolle, müsse diese auch honorieren. "Wenn ich einen Porsche fahren will, muss ich ihn bezahlen und nicht den Golf", das gelte auch für die Landwirtschaft, so Grünhagen. Außerdem müssten die Standards auch für Importe aus dem Ausland gelten, damit die deutschen Landwirte keinen Nachteil im Vergleich zu ihren Kollegen aus Drittstaaten hätten.