Berlinale-Filmkritik: "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste" (Wettbewerb) - Eine Liebe, die auf der Leinwand nicht so recht zünden will
Nach vierzig Jahren ist Margarethe von Trotta wieder im Berlinale-Wettbewerb vertreten, ihr Film erzählt von der Unmöglichkeit der Liebe zwischen Bachmann und Max Frisch. Leider bleibt die Intensität dieser Beziehung weitgehend eine bloße Behauptung, meint Nadine Kreuzahler.
Der Film beginnt mit einem Traum. Ingeborg Bachmann läuft einen langen, dunklen Gang entlang, ein Telefon klingelt in der Ferne. Als sie abhebt, ist das Gelächter eines Mannes zu hören. Max Frisch. "Kommst du zu mir?" fragt Ingeborg flehend. "Oder möchtest du, dass ich zu dir komme?" Das Gelächter wird lauter und spöttischer. Die Miene Bachmanns verzweifelter. Schnitt. Ingeborg Bachmann wacht im Bett einer Klinik auf. Tabletten und Zigaretten liegen auf dem Nachttisch bereit. Es ist die Zeit nach der Trennung von Max Frisch.
Die Liebesbeziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch dauerte von Juli 1958 bis März 1963. Es war eine toxische wie intensive und leidenschaftliche Verbindung. Dass sie sich nicht guttun werden, ahnen beide schon zu Beginn. Aber es zu lassen, kommt auch nicht infrage. Darin sind sie sich einig, als sie bei einem ihrer ersten Treffen spazieren gehen.
In die Wüste geschickt
Wie macht man einen Film über eine derartig mythenumrankte Liebesgeschichte zweier berühmter Schriftstellerpersönlichkeiten?
Margarethe von Trotta erzählt auf mehreren Zeitebenen. Eine spielt nach der Trennung von Frisch, als Ingeborg Bachmann den neun Jahre jüngeren österreichischen Autor und Filmemacher Adolf Opel auf einem Recherchetrip in die ägyptische Wüste begleitet. Die titelgebende Reise in die Wüste bildet den Rahmen, von dort geht der Film zurück in die verschiedenen Stadien der Liebesbeziehung, nicht unbedingt chronologisch.
Der Film könne auf zwei Arten interpretiert werden, erklärt von Trotta auf der Pressekonferenz am Sonntag. Am 21. Februar feiert die Grande Dame des Autorinnenfilms ihren 81. Geburtstag während der Berlinale. "Es ist erst mal die Reise in die Gefühlswüste mit Frisch, und dann in die Wüste, die sie erlöst. Sie kommt ganz schwach in der Wüste an, von diesem Trauma, dass Frisch sie verlassen hat, und zum Schluss hat sie sich befreit und fühlt sich erlöst. Und andererseits ist da die Liebesbeziehung, die normal anfängt und dann immer mehr Tragik entwickelt. Diese beiden Bewegungen treffen sich im Film."
Kein Zugang zum Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch
Von der Tragik und Tragweite erzählen die vielen Briefe, die sich Bachmann und Frisch schrieben. Erst im Herbst vergangenen Jahres erschienen sie bei Suhrkamp. Eine Sensation, denn die Familie von Ingeborg Bachmann hatte den Briefwechsel 30 Jahre lang unter Verschluss gehalten. Die über 1.000 Seiten und 297 Briefe werfen ein neues Licht auf die Arbeits- und Liebesbeziehung der beiden.
Doch der Suhrkamp-Verlag ließ von Trotta den Briefwechsel nicht vor Veröffentlichung lesen, erzählt die Filmemacherin immer noch sichtlich zerknirscht. Ihr Film musste ohne die neuen Einblicke auskommen. Sie hat stattdessen alles gelesen, was ihr zur Verfügung stand, darunter auch die Korrespondenzen mit Paul Celan und Hans Werner Henze. Viele Zitate aus dessen Briefen tauchen nun im Film auf. Der berühmte Komponist war Freund, Vertrauter und Kreativpartner für Bachmann und überhaupt kein Fan von Max Frisch. "Dieser Biedermann!" schimpft er in einer Szene des Films.
Eine perfekt ausgeleuchtete Modenschau
Margarethe von Trotta setzt bei ihren Dialogen vielfach auf Zitate aus Briefen, Werken und Interviews. Die Dialoge klingen dadurch häufig wie ausgestellt – mag sein, dass das beabsichtigt ist, um zu betonen, dass wir es hier mit einem Mythos zu tun haben, den auch dieser Film nicht auflösen kann. Aber oft wirkt das leider hölzern und leblos, manchmal – gerade in der ersten Hälfte des Films - sogar unfreiwillig komisch.
Vor allem die entflammende Liebe zwischen Bachmann und Frisch will auf der Leinwand nicht so recht zünden. Ronald Zehrfeld als Max Frisch braucht lange, um in seine Rolle zu finden. Vicky Krieps schwebt lächelnd durch die Szenerie, in jeder Szene trägt sie ein anderes perfekt sitzendes Kleid der neuesten Mode, dazu die passende Kette und Handtasche dazu. Margarete von Trotta inszeniert Ingeborg Bachmann als schöne Frau, die allen Männern den Kopf verdreht. Bachmanns Selbstinszenierung als Diva ist belegt. Nur wirkt der Film allzu sehr wie eine perfekt ausgeleuchtete Modenschau.
Perfekt ausgeleuchtet sind auch die Szenen in der Wüste samt Sonnenuntergang, lächelnder Kinder, bunter Teppiche und Gesichtern der ausnahmslos schönen Menschen dort. Bis hin zum Dreier, den Adolf Opel auf Wunsch der Schriftstellerin einfädelt, der aber wie ein kitschiges Gemälde auf die Leinwand gebracht wird. Danach springt Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann befreit durch den Wüstensand.
Es zündet erst spät
In der Liebesgeschichte zwischen Bachmann und Frisch steckt viel Tragik und Zündstoff. Sie leben vier Jahre miteinander, erst in Zürich, dann in Rom. Es ist ein dauerndes Ringen um die Liebe des anderen, das Ausloten von Autonomie, Nähe und Distanz und die Frage: wie gelingt eine gleichberechtigte Partnerschaft? Wie das Schreiben und Schreiben-lassen? Wie umgehen mit Eifersucht und Freiheitsdrang? Und das alles in einer Zeit, in der Frauen für die meisten Männer noch an den Herd gehörten.
Je weiter die Beziehung voranschreitet und je tiefer die Wunden werden, desto glaubhafter bringen Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld dieses Ringen auf die Leinwand, desto mehr wird die Unmöglichkeit ihrer Beziehung greifbar. Vieles aber wird in diesem teilweise doch zähen Film vor allem behauptet, aber nicht mit Leben gefüllt.
Insgesamt bleibt das neue Werk von Margarete von Trotta hinter den Erwartungen zurück und wird der komplexen Beziehung von Frisch und Bachmann nicht ganz gerecht.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.02.2023, 19:30 Uhr