Hamsterkäufe und Kriegsfolgen - Darum wird das Sonnenblumenöl im Supermarkt knapp
In vielen Supermärkten scheint das Speiseöl knapp zu werden. Gibt es tatsächlich schon jetzt direkte Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die hiesigen Vorräte oder wieso steht derzeit immer seltener Sonnenblumenöl im Regal?
Ein Mythos ist es nicht: In einigen Supermärkten in Berlin und Brandenburg sind Speiseöle, vor allem Sonnenblumenöl und Rapsöl im Moment knapp - zumindest im Regal. Denn die Handelsverbände bestätigen und beschwichtigen gleichzeitig. Der aktuelle Mangel liege vor allem an den Hamsterkäufen. Ganz so einfach ist es aber perspektivisch nicht.
rbb|24 beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den angeblichen Mangel in Deutschen Supermärkten und mögliche zukünftige Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf das lokale Speiseöl-Angebot.
Gibt es wegen des Krieges in der Ukraine tatsächlich weniger Speiseöl in Deutschland?
Im Moment noch nicht, das versichern zumindest alle Experten. Die Lager und Großhändler seien noch nicht leergekauft und auch Lieferengpässe gebe es derzeit noch nicht, teilen die Handelsverbände auf rbb-Anfrage mit. "Ein Mangel ist auf breiter Fläche nicht spürbar", erklärt der Geschäftsführer des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Antonin Finkelnburg. Der Handelsverbands Berlin-Brandenburg versichert, die Lieferketten seien noch "stabil und gut bestückt".
Die tatsächlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Warenbestände hierzulande könnten frühestens in einigen Wochen spürbar werden, schätzt der Bundesverband Großhandel ein. So sehen es auch Experten aus der Ölsaaten-Industrie.
Wieso sind trotzdem die Regalbretter mit Speiseöl in einigen Supermärkten leer?
Im Moment liegt das vor allem an den sogenannten Hamsterkäufen. Die sind aus der Corona-Pandemie noch bestens bekannt, als zu Beginn viele Leute massenhaft Klopapier kauften und infolgedessen die Regale kurzzeitig leer waren. Damals wie heute sind die Regale nüchtern betrachtet nur deshalb leer, weil nicht schnell genug Nachschub aus den Lagern geliefert werden kann. "Es ist eine Logistikfrage, wenn plötzlich bestimmte Produkte verstärkt abgekauft werden", sagt Nils Busch-Petersen, Präsident des Handelsverbands Berlin-Brandenburg.
Eine kurzfristige Anpassung der Lieferketten sei allerdings nicht so leicht möglich: "wir haben den Laster nur ein Mal zur Verfügung, den können wir auch nicht doppelt beladen", erklärt Busch-Petersen.
Psychologisch betrachtet sind Hamsterkäufe übrigens eine Art Übersprungshandlung: Die Menschen sind in einer Ausnahmesituation und kämpfen mit den Vorratskäufen gegen die Ohnmacht einer bedrohlichen Situation an.
Wie wichtig ist die Ukraine für den Speiseöl-Weltmarkt und für Deutschland?
Die Ukraine ist vor allem für Sonnenblumenöl und Getreide ein sehr wichtiger Lieferant auf dem Weltmarkt. Das Landwirtschaftsministerium der USA [fas.usda.gov] veröffentlichte am 9. März eine Studie, aus der hervorgeht, dass die Ukraine in normalen Jahren für 48 Prozent der weltweit Sonnenblumenöl-Exporte verantwortlich ist. Russland - aktuell ja auch kein sicherer Handelspartner - exportiert weitere 29 Prozent. Gemeinsam sind diese beiden Länder also für fast 80 Prozent der Sonnenblumenöl-Exporte auf dem Weltmarkt verantwortlich.
Deutschland greift vor allem auf die Ukrainischen Öle zurück: Bisher wurden 53 Prozent des deutschen Sonnenblumenöl-Bedarfs mit Importen aus der Ukraine gedeckt, wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) auf rbb-Anfrage mitteilt.
Der US-Studie zufolge sind die Sonnenblumenöl-Exporte aus der Ukraine in der ersten März-Woche bereits um 14 Prozent zurückgegangen, Tendenz steigend. Das liegt an zerstörten oder nicht mehr zugänglichen Hafenstrukturen und geschlossenen Fabriken. Momme Matthiesen, Geschäftsführer des Verbands der Ölsaaten-Verarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) hält deshalb Auswirkungen für den deutschen Markt mittelfristig für wahrscheinlich: "Grundsätzlich ist noch Ware unterwegs und wird nachgeliefert werden in den nächsten Wochen aber danach steht physisch kein neues Sonnenblumenöl mehr zur Verfügung", erklärt Matthiesen. Er rechne damit, dass in etwa sechs bis acht Wochen die Auswirkungen des Krieges auch faktisch in deutschen Lieferketten zu spüren sein könnten.
Werden auch andere Speiseöle knapp?
Damit ist aktuell eher nicht zu rechnen, zumindest nicht direkt als Auswirkung des Krieges in der Ukraine. Rapsöl zum Beispiel, eine beliebte Alternative zum Sonnenblumenöl, wird weiterhin produziert - auch hierzulande. Beim Rapsöl ist der Ukrainische Anteil am Weltmarkt laut der US-Studie nicht annähernd so bedeutend (nur drei Prozent, Russland 13 Prozent). Dazu kommen zehn Prozent Anteil am weltweiten Raps-Export, darauf ist Deutschland allerdings weniger angewiesen, da für die Öl-Produktion hierzulande zunächst viel Raps aus eigenem Anbau und den anliegenden EU-Staaten verarbeitet wird.
Die Lieferketten anderer wichtiger Speiseöle, wie beispielsweise Olivenöl, sind durch den Krieg in der Ukraine erstmal nicht direkt betroffen. Die Preise auch bei diesen Speiseölen könnten allerdings steigen. Wenn das Sonnenblumenöl zum Teil wegfiele, würden die Alternativen stärker nachgefragt und damit könnten sie teurer werden. Um die grundsätzliche Verfügbarkeit von Speiseölen in Deutschland machen sich die Experten auf absehbare Zeit keine Sorgen, die Vielfalt des Angebots und die Preise könnten aber eine Weile varriieren.
Wie lange könnte sich der Krieg auf das Speiseöl-Angebot in Deutschland auswirken?
Das ist schwer abzusehen. Es hängt in erster Linie davon ab, wann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet. Erst danach lassen sich seriöse Prognosen abgeben. "Selbst wenn Frieden einkehrt, gibt es wahrscheinl sehr viel Beschädigung in der Produktion, in den Anlagen vor Ort, in der Verschiffung", sagt Momme Matthiesen von der Ovid. Er rechnet deshalb damit, dass die Warenströme aus der Ukraine auf längere Zeit behindert sind.
Ob und wie lange es tatsächlich keine oder eine merklich geringere Verfügbarkeit von Sonnenblumenöl in Deutschland geben könnte, ist deshalb noch nicht klar. Der Handel zeigt sich optimistisch, was die Beschaffung angeht - zumindest wenn man preislich flexibel ist: "Es gibt bestimmte Produkte, die können in anderen Märkten besorgt werden, dann gibt es eine längere Lieferekette, längere Transportwege und dadurch höhere Preise", erklärt Antonin Finkelnburg vom BGA.
Fakt ist aber: Deutschland importiert seine Speiseöle größtenteils. Der Selbstversorgungsgrad bei pflanzlichen Ölen und Fetten lag 2020 (aktuellste Statistik) laut Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bei 21 Prozent. Daraus lässt sich schließen, dass die Veränderungen auf dem Weltmarkt auch hierzulande noch eine Weile zu spüren sein könnten - und sei es nur beim Preis.
Sendung: Abendschau, 15.03.2022, 19:30 Uhr