Wahl-Pannen in Berlin - Senat verweist auf Verantwortlichkeit der Landeswahlleiterin und der Bezirke

Mi 29.09.21 | 07:55 Uhr
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Lange Schlangen bilden sich vor den Wahllokalen in der Jane-Addams-Schule in Friedrichshain. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Video: Abendschau | 28.09.2021 | Ulrich Crüwell | Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Nach den Wahlpannen vom Sonntag hat der Berliner Senat die Verantwortung von sich gewiesen. Er habe nur die Rechtsaufsicht über die Wahl, man müsse den Bericht der Landeswahlleitung abwarten. Die sagt, dass sie vor allem eins brauche: Zeit.

Der Berliner Senat hat Probleme bei den Wahlen vom Sonntag eingeräumt. Senatskanzlei-Chef Christan Gaebler (SPD) wies am Dienstag nach einer Senatssitzung aber zugleich zurück, dass es ein berlinweites Chaos gegeben habe.

Gaebler sagte, es habe lediglich in einer zweistelligen Zahl der insgesamt 2.245 Wahllokale Probleme gegeben - eine genauere Zahl wollte er nicht nennen. Bisher gebe es aber keine Anhaltspunkte für so schwerwiegende Fehler, dass eine Wiederholung des Urnengangs vom Sonntag bevorstünde. Dafür gäbe es auch hohe Hürden, fügte Gaebler hinzu.

Gaebler betonte, dass der Senat nicht für den erfolgreichen Ablauf der Wahl verantwortlich sei. Dies liege vielmehr in den Händen der ehrenamtlichen Landeswahlleiterin und der Bezirkswahlleiter. Allerdings unterstütze die Berliner Verwaltung die bestellten Wahlhelfer bei der Umsetzung.

Am Wahlsonntag hatte es in einigen Wahllokalen Probleme gegeben. Berichtet wurde über fehlende oder falsche Stimmzettel, lange Warteschlangen und Stimmabgaben deutlich nach 18 Uhr. Einige Wahlberechtigte verzichteten daraufhin auf ihre Stimmabgabe. Andere berichten, dass sie nach Hause geschickt wurden.

22.000 Wahlhelfer im Einsatz

Gaebler sagte, die Organisation vor Ort sei "an der einen oder anderen Stelle offensichtlich an Grenzen gekommen". Dabei sei bereits die Rekordzahl von mehr als 22.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfern im Einsatz gewesen. Warum es zu Problemen kam, müsse nun analysiert und ausgewertet und für die Zukunft vermieden werden. Dies sei nun Aufgabe der Wahlleitung, so Gaebler weiter. Diese sei nicht weisungsgebunden, der Senat müsse den Bericht der Landeswahlleiterin nun abwarten.

Landeswahlleiterin sieht Verantwortung bei überlasteten Bezirkswahlleitungen

Die Landeswahlleiterin Petra Michaelis nahm die Bezirke in die Pflicht: "Wenn da was schief gegangen ist, dann sind es die Bezirkswahlämter gewesen", sagte Michaelis dem rbb. Sie wolle aber keine Schuldzuweisungen, weil die Bezirkswahlämter "heillos überlastet" seien, so Michaels in der Abendschau.

Darüberhinaus entschuldigte sich Michaelis ausdrücklich bei den Wahlberechtigten, die von die langen Wartezeiten und nicht ausgegebenen Stimmzetteln betroffen waren. "Aber es ist jetzt eben so gekommen, wie es ist", sagte sie.

Die geringe Zahl an Wahlkabinen und die daraus resultierenden Warteschlangen begründete Michaelis mit den Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie.

Schon am Montag hatte Michaelis Probleme eingeräumt, personelle Konsequenzen aber abgelehnt. Sie sprach von rund 100 Wahllokalen, die nach ersten Einschätzungen Schwierigkeiten gehabt hätten. Man habe genug Stimmzettel vorbereitet, rund 110 bis 120 Prozent des Bedarfs. Für die örtliche Bestellung und Verteilung auf die Wahllokale seien aber die Bezirke zuständig.

Landeswahlleitung: Bericht kommt frühestens nächste Woche

Eine vollständige Aufklärung der Pannen werde noch einige Zeit dauern, sagte Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin. Bisher gebe es keinen kompletten Überblick. Wegen der Abfragen bei den zwölf Berliner Bezirken, die wiederum bei den Wahlvorständen der vielen Wahllokale Informationen einholen müssten, werde das nicht schnell gehen. "Das wird umfangreich", sagte Baasen. Diese Woche werde noch kein Ergebnis dazu vorliegen. Auch der Bundeswahlleiter forderte unterdessen einen Bericht von der Landeswahlleitung an.

Am 11. Oktober tagt dazu der berlinweite Wahlausschuss. Der wird auch klären müssen, ob die Wahl in Berlin womöglich doch noch wiederholt werden muss.

115 verschiedene Wahlzettel

Neben den Corona-Bestimmungen und der hohen Wahlbeteiligung sieht Gaebler auch die verschiedenen Wahlen an einem Tag als Grund für die langen Warteschlangen. Neben der Bundestagswahl fanden am Sonntag in Berlin auch Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen statt sowie der Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co enteignen".

Nach den Worten Gaeblers mussten in Berlin dafür insgesamt 115 verschiedene Stimmzettel vorgehalten werden. Bei einer so großen Organisation lasse es sich nicht völlig ausschließen, dass Stimmzettel verwechselt würden, so Gaebler.

Bei den Menschen, die lange in einer Schlange gestanden hätten oder in Teilen ihr Wahlrecht nicht ausüben hätten ausüben können, müsse man sich entschuldigen. Dies müsse in Zukunft durch eine entsprechende Analyse vermieden werden, sagte er weiter.

Die Bundesregierung hat sich geweigert, den Wahltag auf einen anderen Tag zu legen.

Senatskanzlei-Chef Christian Gaebler zur parallelen Terminierung von Wahl und Marathon

Marathon sei nicht das Problem gewesen

Zur parallelen Terminierung des Berlin-Marathons sah Gaebler die Bundesregierung in der Verantwortung. Diese hätte sich "geweigert", die Bundestagswahl auf einen anderen Termin zu legen. Den Berlin-Marathon zu verschieben, wäre nicht möglich gewesen - dieser sei Teil eines internationalen Sportkalenders und könne nicht beliebig hin- und hergeschoben werden. Die einzige Alternative wäre eine Absage gewesen. Der Marathon sei aber nicht das Problem gewesen - sondern dass einzelne Wahlämter sich nicht ausreichend vorbereitet hätten.

Anfechtung erst ab Mitte Oktober möglich

Eine Anfechtung der Wahl sei erst nach Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses möglich. Damit ist laut Senatssprecherin Melanie Reinsch am 14. Oktober zu rechnen. Wenn aber jemand schon vorher Hinweise habe, könne man diese auch schon jetzt an die Landeswahlleiterin schicken, so Reinsch.

Auch OSZE-Beobachter sehen Probleme

Auch Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerten sich zu den Pannen: "Wir haben von den Problemen in den Berliner Wahllokalen Notiz genommen", sagte die Leiterin des OSZE-Teams, Lolita Cigane, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir können aber aus den einzelnen Vorfällen in den Wahllokalen keine Schlussfolgerungen für die gesamtdeutsche Wahl ziehen, weil wir nicht alle Wahllokale beobachtet haben", betonte die OSZE-Expertin. "Aber wir haben sie natürlich notiert und auch beobachtet, was die Presse berichtet hat."

Das Wahlbeobachter-Team der OSZE war insgesamt mit vier Experten aus Polen, Bulgarien und Lettland in Berlin unterwegs. In Deutschland gebe es ein "hohes Vertrauen ins Wahlsystem", sagte Cigane. "Die überwiegende Mehrheit ist davon überzeugt, dass ihre Stimme sich im Wahlergebnis widerspiegelt."

Bundesverfassungsgerichtspräsident glaubt an Gültigkeit der Bundestagswahl

Das Ergebnis der Bundestagswahl sieht Bundesverfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth nicht zwangsläufig gefährdet. Nicht jeder Mangel führe zur Ungültigerklärung einer Wahl. Selbst wenn möglicherweise die gesetzmäßige Zusammensetzung des Bundestags berührt sein sollte, müsse eine Wahl nicht notwendig wiederholt werden, erläuterte Harbarth. "Grundsätzlich gilt: Das Interesse an der Bestandserhaltung einer gewählten Volksvertretung ist gegen die Auswirkungen des Wahlfehlers abzuwägen."

Sendung: Abendschau, 28.09.21, 19:30 Uhr

46 Kommentare

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  1. 46.

    Der letzte Startblock ist um 10:30 gestartet. Die Straßen waren nur so lange gesperrt, bis die Läufer durch waren. Die erste Straße wurde um 11:22 Uhr, die letzte (Französische Straße) 17:31 Uhr freigegeben, so zumindest der vorab bekannt gegebene Plan. Außerdem war überall zu Fuß / Fahrrad ein überqueren der Laufstrecke möglich, nachdem die Spitzenläufer durch waren. und die waren 11:20 im Ziel. Außerdem gab es ausgewiesene Querungsmöglichkeiten für Fahrzeuge.
    Der Marathon hat nur wahrlich nichts mit den Wahlproblemen zu tun.
    Verdammte Pflicht der Leiter der Wahlbüros ist es doch vor Öffnung Anzahl und Richtigkeit der Stimmzettel zu prüfen und nach der Wahl richtige Ergebnisse weiterzuleiten.

  2. 45.

    Na die Kultusminister waren wohl da die Berater, die in den eigenen Büros oder im Landtag für sich Maßnahmen geschaffen haben...In Schulen gilt das nicht...

  3. 44.

    Da sind 20 + x Kinder im Klassenraum der Schule,
    Aber Wendet ein Wahllokal wird dürfen neben den 5-7 Helfern nur zwei Wähler rein.
    Welchen Intellekts hat der, der sich dies ausdachte

  4. 43.

    Das kann schon sein, nobody is perfect. Aber wir müssen nicht bei 25° ca. 1-3 Std. in ner Schlange stehen und uns so den Tag versauen. Aber wer natürlich erst in der Wahlkabine entscheidet wen er wählt muß in den sauren Apfel beißen.
    So ist das Leben.... ;-)

  5. 42.

    Das Konstrukt RRG als Desaster nur den Linken anzulasten, die Gruenen Aktionen vor Allem in deren Bezirken konnte man schon fast straffaellig und eigenlich zwangsläufig verfolgbar nennen. Sie schuetzen ihre Strtegen bis aufs Ausserste. Hoffentlich wird das bei der Neuzusammenstellung des Senats auch Beruecksichtigt. Dann kommen wir in den nächsten Jahren vielleicht auch ohne Rechtsbeugung aus.

  6. 41.

    Apropo Briefwahl, da soll ja auch laut Berichterstattung nicht alles geklappt haben. Ungültige Stimmen etc.

  7. 40.

    Der wäre dann beim Prüfen der Wahlbriefe durch die Wahlhelfer aussortiert und dem richtigen Wahlbezirk zugeordnet worden. In Treptow-Köpenick waren alle Briefwahllokale in einem Gebäude, in den anderen Bezirken vielleicht auch. Das sollte dann schon geklappt haben : )

  8. 39.

    Oder aber die Kinder zu Hause so zu erziehen, dass sie mit Verbrauchsmaterialien ordentlich umgehen...(können).

    Wenn man die Wahllokale nicht in die Lage versetzen kann, eine Wahl richtig durchzuführen, dann ist die Wahlleiterin verantwortlich. Jedenfalls würden das auch Wahlbeobachter aus Russland oder den USA so sehen, wenn es sie denn geben würde.

  9. 38.

    Die Politiker können erstmal wenig Einfluss nehmen auf die Verwaltung. Und schon gar nicht sofort und gleich. Da sind sowohl die Abteilungschefs als auch die Personalräte vor. Die Berliner Verwaltung hat sich über die Jahre eine gewisse Autarkie erarbeitet und die Möglichkeit, auch gegen den politischen Willen der Volksvertreter zu bremsen oder zu beschleunigen. Und sie ist auch in Teilen nicht immer ein Hort der vorbildlichen Demokraten oder Ansprechpartner/Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. Also ist es richtig, in den Abteilungen zu gucken und dort die administrativen und nicht die politischen Leitungen zur Verantwortung zu ziehen.

  10. 37.

    Es ist eine Grundstruktur der Demokratie - übrigens auch in den Betrieben und öffentlichen Verwaltungen, dass Wahlleitungen und Kommissionen berufen werden, die unabhängig und eigenverantwortlich die freien Wahlen durchführen und dafür allein verantwortlich sind. Unternehmensleitungen und Verwaltungsapparate müssen dies unterstützen und alle Ressourcen zur Verfügung stellen, die benötigt werden. Dürfen aber gar nicht in das Wahlgeschehen eingreifen!!! Ein bisschen Faktenwissen kann nicht schaden, wenn man sich äußert. Aber das ist von Ihresgleichen ja gar nicht gewünscht. Aber die Quittung gab es ja in der Wahl. Gelle!!! Nur die Hardliner und Verpeilten in Sachsen und Thüringen wählen noch AfD.

  11. 36.

    Nun, zur Not gäbe es ja noch Sicherheitsabfragen ("Sind Sie sicher, dass die EIngaben korrekt sind?").
    Aber ich sehe betr. Smartphones und Tablets nicht unbedingt eine Notwendigkeit.
    Vom heimischen Windows-Rechner aus wählen zu können, würde mir genügen.
    Dass man das in Deutschland nicht kann, sagt langfristig mehr aus als diese Pannenwahl.

  12. 35.

    Das ganze Chaos wird hoffentlich dazu führen das noch mehr Bürger die Möglichkeit der Briefwahl annehmen.
    Wir haben ca. 2 Wo. vorher unsere Stimme abgegeben und sind bei dem schönen Wetter durch Brandenburg geradelt.
    Das wie immer niemand Schuld an der Misere hat ist doch mittlerweile bekannt und nix neues!

  13. 34.

    Ist ja nicht zu fassen! Da hilft nur,dem Kind eine kl. Packung feuchtes Clopapier in den Rucksack mit zugeben,damit dem Schüler diese Demütigung,es sich vom Lehrer holen zu müssen, erspart bleibt.

  14. 33.

    Wählen über Smartphone müsste in einem digitalen Zeitalter doch möglich sein? Allerdings Tippfehler passieren auch digital. Nix ist vollkommen!

  15. 32.

    Bei der Aussage von Stephan Harbarth wird mir speiübel. Tschüß Demokratie und Rechtsstaat.

  16. 31.

    Ich Frage mich, was ich von unserem Rechtssystem unserer Rechtsordnung, eigentlich noch halten soll, wenn selbst Verfassungsgerichtspräsident ein großes
    Problem in ein banales nicht juristisch beachtenswertes Problem zu degradieren versucht.

  17. 30.

    "oder haben die Schüler immer keins"

    Es ist tatsächlich seit Jahren üblich, dass die Klorolle von der Lehrperson zu erbitten, und zurückzubringen ist.

  18. 29.

    Mein Vertrauen in das Deutsche Wahlsystem ist zugegebenermaßen übersichtlich.
    Nur bin ich leider nicht der Typ, der sich bei Auszählungen daneben stellt und mitzählt.
    Das ist einer von vielen Gründen, warum ich finde, dass Deutschland diesbezüglich im Internetzeitalter ankommen sollte.
    Keine Logistik, keine Warteschlangen, blitzschnelle Ergebnisse.
    Was die in dieser Wahl gemachten Fehler betrifft, wäre ich für die Aufklärung durch ein Gericht oder einen Untersuchungsausschuss, statt aus der Schuldfrage ein Schiebepuzzle zu machen.

  19. 28.

    Bei all dem Chaos frage ich mich schon, was aus meiner Briefwahl wurde. Kann doch sein liegt In der falschen Kiste oder was weiß ich.
    Muss gestehen diese Vorgänge bei der Wahl sind nicht vertrauensfördenden Maßnahmen.

  20. 27.

    Wie kann es fair sein,dass einige Wahllokale verlängert haben und andere rigoros um 18Uhr geschlossen haben und die Wähler abwiesen? Da liegt doch schon ein Gleichgewichts Verstoß vor? Das es da um nur ca 1000 Stimmen sich handeln sollen ,die verloren gingen,bezweifel ich. Zum Glück habe ich Briefwahl gemacht und konnte den schönen Sonntag genießen

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