Exklusiv: rbb|24-Datenanalyse - Auffällig viele ungültige Stimmen in 99 Berliner Wahlbezirken

Mi 29.09.21 | 14:10 Uhr | Von Dominik Ritter-Wurnig, Sophia Mersmann
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Video: Abendschau | 29.09.2021 | T. Garus/I. Sayram

Eine rbb|24-Datenanalyse zeigt ungewöhnlich viele ungültige Stimmen in 99 Berliner Wahlbezirken. Das deutet auf systemische Probleme bei den Wahlen hin. Der Bezirkswahlleiter von Friedrichshain-Kreuzberg gesteht Fehler ein. Von Dominik Ritter-Wurnig und Sophia Mersmann

Seit Tagen mehren sich die Berichte, dass in Berliner Wahllokalen Stimmzettel aus anderen Wahlkreisen bzw. Bezirken ausgegeben und verwendet wurden.

Eine statistische Auswertung des rbb|24-Datenteams zeigt nun, dass es in mindestens 99 Wahlbezirken der Hauptstadt auffallend viele ungültige Stimmen gab. Betroffen sind davon mindestens 13.120 Stimmen bei allen Wahlgängen, die im vorläufigen amtlichen Endergebnis als ungültig gezählt wurden.

Der Bezirkswahlleiter von Friedrichshain-Kreuzberg, Rolfdieter Bohm, findet dafür klare Worte: "Wenn ein nicht-amtlich vorgesehener Stimmzettel verwendet wird, ist die Stimme ungültig."

Auch wenn der Wählerwillen auf diesen Stimmzetteln erkennbar sei, helfe das nichts, sagt Bohm. Ein Stimmzettel aus einem anderen Bezirk sei ein falscher Stimmzettel. Wie oft das vorgekommen ist, müssen derzeit die Bezirkswahlleiter an Hand der Niederschriften prüfen.

Bezirkswahlleiter gesteht Fehler ein

"Ich habe gehört, dass in den Wahlkreisen 5 und 6 in Friedrichshain-Kreuzberg AGH-Erstimmen-Wahlzettel des Wahlkreis 1 ausgegeben wurden. Das prüfen wir jetzt in den Niederschriften der Wahlvorstände", sagt Bezirkswahlleiter Bohm. "Wenn das stimmt, wäre es ein Fehler der hiesigen Wahlbehörden. Von uns. Ich will mich vor unserer Verantwortung nicht drücken."

Ob diese Wahlfehler signifikante Auswirkungen auf den Wahlausgang haben, muss der Bezirkswahlausschuss bewerten. Im Wahlkreis 5 in Friedrichshain-Kreuzberg [wahlen-berlin.de] etwa trennen den Zweiten, Steffen Zillich (Linke), nur 2222 Erststimmen vom Erstplatzierten Vasili Franco (Grünen).

"Wenn die falschen Stimmzettel Auswirkungen auf das Ergebnis haben könnten, dann müsste man nach einer entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichts unter Umständen eine Nachwahl machen", sagt Bohm.

99 statistisch signifikante Ausreißer

Für die Datenanalyse wurde das amtliche vorläufige Wahlergebnis der 2.254 Wahlbezirke ausgewertet und mit den Zahlen der letzten Wahlen verglichen. Als statistisch signifikante Ausreißer hat rbb|24 jene Wahlbezirk definiert, in denen der Anteil ungültiger Stimmen um fünf Prozentpunkte höher ist als beim letzten Wahlgang (Bundestagswahl Zweitstimmen, Abgeordnetenhauswahl Zweitstimmen sowie Bezirkswahlverordnetenversammlung).

Da man den Volksentscheid sowie Erststimmenwahlen zum Bundestag und Abgeordnetenhaus nicht mit vorhergehenden Wahlen vergleichen kann, sind hier alle jene Wahlbezirke als Ausreißer definiert, bei denen der Anteil ungültiger Stimmen um mindestens zehn Prozentpunkte vom Mittelwert abweicht.

Systematischer Wahlfehler

So hohe Anteile ungültiger Stimmen in 99 Wahlbezirken weisen auf systematische Fehler hin - etwa weil falsche Stimmzettel ausgegeben wurden oder der Briefwahlvorgang komplex war. Ein Systemfehler.

In der Analyse wurden Wahlbezirke aussortiert, die immer einen hohen Anteil ungültiger Stimmen haben.

Die untenstehende Grafik verdeutlicht, wie stark der Anteil ungültiger Stimmen in einigen Wahlbezirken gestiegen ist.

Landeswahlleiterin wusste bereits im August von den Problemen

Laut Bezirkswahlleiter Bohm wusste die Landeswahlleitung lange vor der Wahl, dass Stimmzettel falsch sortiert bzw. ausgegeben waren. Das hatte man bereits im August bemerkt. "Da haben wir eine Stichprobe gemacht und bemerkt, dass nicht alle Stimmzettel, wie in den Schachteln beschriftet, richtig eingeordnet waren", sagt Bohm.

Um die Wahlvorstände zu warnen, wurde laut Bohm ein Hinweisblatt produziert. "Die Landeswahlleitung hatte ein Hinweisblatt für alle Wahlvorstände gemacht auf dem sinngemäß stand: "Bitte prüfen Sie, ob die Stimmzettel passen."

Genützt hat es wohl wenig. Nebem dem Superwahltag und dem Marathon, erschwerte die Pandemie die Organisation. "Wir konnten nicht alle Wahlleiter schulen auf Grund von Corona", gibt Bezirkswahlleiter Bohm zu.

Stimmzettel aus dem falschen Bezirk

Der Bezirkswahlleiter Bohm bestätigt auch, dass in Friedrichshain-Kreuzberg Stimmzettel aus einem anderen Bezirk in den Urnen gelandet sind. "Als ich davon erfahren habe, dass in Friedrichshain-Kreuzberg in einigen Stimmbezirken Zweitstimmenwahlzettel aus Charlottenburg-Wilmersdorf für die Abgeordnetenhauswahl ausgegeben wurde, haben wir sofort alle Wahlvorstände durchtelefoniert", sagt Bohm. Gemeinsam mit anderen bildeten sie sofort am Sonntag eine Telefonkette, um möglichst schnell alle durchzutelefonieren.

"Circa ein Viertel der Wahlvorstände, mit denen ich gesprochen habe - das waren die des AGH-Wahlkreises 1 - waren tatsächlich mit diesen falschen Wahlzetteln in Berührung gekommen. Einige hatten tatsächlich auch schon diese Stimmzettel an die Wähler ausgegeben. Diese Stimmen sind ungültig."

Laut vorläufigen amtlichem Endergebnis wurden im Wahlkreis 1 in Friedrichshain-Kreuzberg 607 Zweitstimmen ungültig gewertet.

Nachzählungen im Bezirk Neukölln angeordnet

Am Dienstag hat rbb|24 die Bezirkswahlleitung Neukölln mit drei statistischen Auffälligkeiten konfrontiert. Bei zwei Wahlbezirken der Bundestagswahl (08W317 und 08W507) erfolgt nun vorsorglich eine Nachzählung, antwortete die Bezirkswahlleitung am Mittwoch.

Bei einem Ergebnis der Bezirkswahl war es offenbar zu einem Zahlendreher gekommen - statt 104 gäbe es im Wahlbezirk 08W220 nur vier ungültige Stimmen. "Die Korrektur der Schnellmeldung/Datenerfassung ist nunmehr nachträglich erfolgt", sagt Kristian Schieman, die Bezirks- und Kreiswahlleiterin Neukölln.

85.000 ungültige Stimmen beim Volksentscheid

4,6 Prozent der Stimmen beim Volksentscheid waren ungültig. Der Wert ist deutlich höher als bei den anderen gleichzeitig stattfindenden Wahlen, wo jeweils ein bis zwei Prozent ungültige Stimmen gezählt wurden.

Ein statistisch siginifikanter Ausreißer ist der Wahlbezirk 08324 in der Hermann-Sander-Grundschule in Neukölln, wo laut amtlichem vorläufigen Endergebnis [wahlen-berlin.de] über 69 Prozent der Stimmen ungültig gezählt wurden.

Selbst wenn alle 85.000 ungültigen Stimmen eigentlich gegen den Volksentscheid zu werten wären, würde sich das Ergebnis des Entscheids allerdings nicht ändern.

Beitrag von Dominik Ritter-Wurnig, Sophia Mersmann

120 Kommentare

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  1. 120.

    Das muß ausgerechnet einer aus Amigo Land schreiben. Da wo es jahrzehntelang einen kriminellen Clan gab, der sogar dafür gesorgt hatte das DDR Regime am Leben zu halten.

    Sehr zum eigenen Vorteil, versteht sich. Da schreckte man auch nicht davor zurück mit Diktaturen zusammenzuarbeiten.

  2. 119.

    Wir machen uns die Demokratie wie sie uns gefällt...

  3. 118.

    Fridolin Geisler:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 30.09.2021 um 18:21
    Berliner würden allein verhungern."

    Nicht, wenn ein Bayer wie Scheuer unser Geld nicht verschenkt!

  4. 117.

    Peter Freitag:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 30.09.2021 um 14:20
    Ich war 2013 zur Landtagswahl in Dresden Wahlhelfer (Unfreiwillig und ungeplant, ich war gleich zur Eröffnung im Wahllokal und wurde gefragt, weil einer krank geworden war)und habe erlebt, wie ungültige Stimmen "entstehen". In diesem Wahllokal habe ich es gegen den Willen der anderen Wahlhelfer verhindert."

    Belegen Sie bitte Ihre Behauptung durch Vorlage von prüfbaren Dokumenten. Ansonsten kann das ja jeder ins Blaue hinein behaupten.

    Peter Freitag:
    "Es kam auch kein einziger Bürger um 18:00 Uhr, um die Auszählung zu prüfen..."

    Es ist eben freiwillig. Niemand muss kommen, wenn er nicht will. So ist das in einem demokratischen Rechtsstaat. Aber, wer nicht bei der Auszählung dabei ist, der sollte auch nicht irgendwelche wirren Gerüchte verbreiten.

  5. 114.

    "Auch wenn der Wählerwillen auf diesen Stimmzetteln erkennbar sei, helfe das nichts, sagt Bohm. Ein Stimmzettel aus einem anderen Bezirk sei ein falscher Stimmzettel."

    Wenn der Mensch nur noch für das System ist und das System sagt nein.

  6. 113.

    Was für eine Räuberpistole! Stimmzettel mit lediglich den Grünen und der Linken zur Auswahl bei der Erststimme? Sie erwarten ernsthaft, dass Ihnen diese Geschichte abgekauft wird?

    Wenn es so gewesen wäre, warum gibt es dann keine weiteren Berichte darüber? Oder hat man extra für Sie diesen einen manipulierten Wahlzettel erstellt?

    Und natürlich war es ein gross angelegter Komplott des gesamten Wahlteams, das vor Ort sogar verhinderte, dass Sie das alles dokumentieren konnten! Wahrscheinlich steckt die Merkel dahinter -- aber halt: Das kann ja auch nicht sein, wenn die CDU nicht auf dem Wahlschein aufgeführt war.

    Wie tief muss der Hass gegen die links-grün Versifften sitzen, dass man so einen Schwachfug erfindet?

    Wen haben Sie denn nun gewählt? Linke oder Grüne? Oder beide? :-)

  7. 111.

    Ich war 2013 zur Landtagswahl in Dresden Wahlhelfer (Unfreiwillig und ungeplant, ich war gleich zur Eröffnung im Wahllokal und wurde gefragt, weil einer krank geworden war)und habe erlebt, wie ungültige Stimmen "entstehen". In diesem Wahllokal habe ich es gegen den Willen der anderen Wahlhelfer verhindert. Es kam auch kein einziger Bürger um 18:00 Uhr, um die Auszählung zu prüfen...

  8. 110.

    Carmen:
    "Ich bin für Neuwahlen, Es stand ja am frühen Nachmittag bereits fest, wer Wahlsieger ist, wie geht das ????"

    Äh, wo haben Sie denn diesen Unsinn her?!? Am Wahltag dürfen während der Wahlzeit keine Zwischenergebnisse veröffentlicht werden. Und es haben sich alle daran gehalten.

  9. 109.

    Gerhard Jeske:
    "Antwort auf [Ronny] vom 30.09.2021 um 15:13
    Das sollte so in Moskau passieren, dann würde die politische Keule gegen Russland gebraucht worden sein."

    Die Russen wären froh, wenn sie nur ein Wahlchaos statt gezielter Wahlfälschung (mit vorausgefüllten Wahlzettelstapeln, mit Oppositionsunterdrückung, mit Kandidaturverboten aufgrund politischer Strafprozesse etc.) hätten!

    Wenn Sie ein bisschen nachdenken, dann fällt Ihnen vielleicht der Unterschied zwischen fahrlässigem Wahlchaos und vorsätzlicher Wahlfälschung auf!

  10. 108.

    Paire:
    "Für ganz Deutschland internationale Wahlbeobachter schicken, wie z.Bsp. auch in Simbabwe !"

    Warum? Unsere Demokratie ist doch im Gegensatz zu Diktaturen in der Lage, selbst Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen festzustellen und zu prüfen, ob das einen Einfluss auf das Wahlergebnis hat, und dann gegebenenfalls Nachwahlen anzusetzen. Kein Politiker leugnet das Wahlchaos. Wir brauchen keine internationalen Wahlbeobachter. Aber natürlich kann jeder - In- und Ausländer - die Wahl beobachten. Wir haben nichts zu verstecken.

  11. 107.

    OMG.... bitte macht Berlin nicht zur Blaupause für ganz Deutschland !!!

  12. 106.

    ahhh ich wäre vorsichtig mit diesen Äußerungen.
    Der Andy hat uns sehr viel mehr gekostet.
    Zuletzt wieder auch mit dieser verkorksten Einführung des digitalen Führerscheins.
    Und scheinbar hat er tendenziell mehr Geld nach Bayern geleitet, obwohl er eigentlich "Bundes"verkehrsminister ist.

    Nur so by the way.

  13. 104.

    Siegfried Weigold:
    "Hauptsache die Bayern und Württemberger "schaffen" ordentlich,damit in Berlin nicht die Lichter ausgehen."

    Meinen Sie damit die Millionen/Milliarden die der Bayer Söder aus dem Bundeshaushalt (leider nicht Bayern-Haushalt) an den privaten Mautbetreieber verschenkt hat, weil er keine Lust hatte, im Mautvertrag den Fall zu regeln, dass die Maut gerichtlich scheitert??? Und außerdem holen sich die bayerischen Verkehrsminister "ihr" Geld immer über das Verkehrsministerium wieder, indem überdurchschnittlich viele Verkehrsmaßnahmen in Bayern mit Bundesmitteln finanziert werden.

  14. 103.

    Ich bin für Neuwahlen, Es stand ja am frühen Nachmittag bereits fest, wer Wahlsieger ist, wie geht das ????
    Ich war selbst mal Wahlhelfer, aber solche Pannen gab es da nicht. Es wurde genaustens geprüft, ob die Wählerliste mit dem Stimmbezirk übereinstimmt und ob die Wahlzettel die Richtigen waren.

  15. 102.

    Dann müsste sich aber auch die 'Öffentlichkeit' einig sein. Bei uns sind in den Wahlbezirken regelmäßig auch bis zu 10 'Beobachter' dabei, die ganz genau hinschauen.

  16. 101.

    Ich möchte nur mal kurz darauf hinweisen, dass ein aus Bayern stammender Minister den Staat in der letzten Zeit (z.B. mit der PKW-Maut) weit mehr gekostet hat, als ganz Berlin. Also bitte Füße still halten - wer im Glashaus sitzt...

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