Nach chaotischem Wahlsonntag - Landeswahlleiterin Michaelis stellt ihr Amt zur Verfügung
Die Kritik an der Organisation der Wahlen in Berlin ist täglich lauter geworden. Nun zieht Landeswahlleiterin Petra Michaelis die Konsequenzen. Sie bittet den Senat um ihre Abberufung und übernimmt die Verantwortung für die zahlreichen Pannen.
Die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis hat am Mittwoch ihr Amt zur Verfügung gestellt. Michaelis bat den Berliner Senat drei Tage nach zahlreichen Pannen bei den Wahlen, sie "nach den Sitzungen des Landeswahlausschusses am 11. und 14. Oktober 2021 unverzüglich abzuberufen" und einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu bestimmen. Das teilte die Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin in einer Pressemitteilung mit.
Sie übernehme die Verantwortung für die Durchführung der Wahlen am vergangenen Sonntag, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Fehler bei der Organisation der Wahlen
Neben der Bundestagswahl wurden in Berlin am Sonntag auch das Abgeordnetenhaus und die Bezirksvertretungen neu gewählt. Außerdem stimmten die Berliner über einen Volksentscheid ab. Michaelis hatte bereits am Montag eingeräumt, dass es bei der Organisation der Wahlen zu Fehlern gekommen sei. So gingen in einigen Wahllokalen Wahlzettel aus oder wurden vertauscht. Vor manchen Wahllokalen bildeten sich zudem lange Schlangen, so dass manche Wähler erst nach 18.00 Uhr ihre Stimmen abgeben konnten und sich dadurch die Auszählung verzögerte.
Zudem hatte es in Berlin in mindestens 99 Wahlbezirken ungewöhnlich viele ungültige Stimmen gegeben. Das ergab eine Datenanalyse von rbb|24. Betroffen waren demnach mehr als 13.000 Stimmen bei allen Wahlgängen. Die Datenauswertung belegte damit Berichte über falsche Stimmzettel aus anderen Wahlkreisen, die als ungültig gewertet werden mussten.
Hinweisblatt für alle Wahlvorstände
Die Landeswahlleitung hat nach eigenen Angaben vor der Wahl ein Hinweisblatt für alle Wahlvorstände produziert, die Stimmzettel nochmals zu prüfen. Dass dennoch falsche Stimmzettel ausgegeben wurden, könne daran liegen, dass auf Grund von Corona nicht alle Wahlvorstände geschult waren, hieß es.
Ob das zur Annullierung einzelner Abstimmungen führt, ist offen. Der Staatsrechtler Christian Waldhoff von der HU-Berlin sagte am Mittwoch im rbb-Inforadio, dafür müsse eine sogenannte Mandatsrelevanz vorliegen - also eine Wahlverfälschung. Das sei in Wahlbezirken mit knappem Ausgang nach seinen Informationen der Fall und müsse jetzt geprüft werden. Rechtlich sei die Situation so, dass eine Wiederholung der Wahl nur dann denkbar werde, wenn sich herausstelle, dass die Wahlfehler Auswirkungen auf die Zusammensetzung des gewählten Parlaments haben.
Eine Anfechtung der Wahl ist erst nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 14. Oktober möglich.
Die Landeswahlleitung hatte erklärt, es habe nach ersten Einschätzungen wohl in etwa 100 der 2.257 Berliner Wahllokale Schwierigkeiten gegeben. Man habe aber genug Stimmzettel vorbereitet, rund 110 bis 120 Prozent des Bedarfs.
Politiker fordern weitere Aufklärung
Berliner Politiker forderten derweil weitere Aufklärung über die Probleme bei der Wahl. Mit einem Rücktritt sei es noch nicht getan, sagte Benedikt Lux (Grüne) dem rbb am Mittwochnachmittag. Es müsse auch geklärt werden, ab wann Innensenator Andreas Geisel möglicherweise gewusst habe, dass es zu Problemen kommen könnte, so Lux.
Ähnlich äußerte sich der scheidende AfD-Fraktionschef Pazderski. Er sagte zudem, dass nun geschaut werden müsse, wie viele Menschen nicht wählen konnten, weil zu wenige Stimmzettel da waren.
Der derzeit noch amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte dem rbb, es sei eine "gute und angemessene Entscheidung" von Michaelis gewesen. "Ich halte diesen Schritt für folgerichtig", sagte Müllers designierte Nachfolgerin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch der dpa.
Ein Sprecher der Innenverwaltung schrieb auf rbb-Anfrage, man nehme den Rücktritt der Landeswahlleiterin mit Respekt zur Kenntnis, habe aber ihre Arbeit als Exekutive nicht zu kommentieren.
CDU-Generalsekretär Stefan Evers nannte den Schritt von Michaelis "überfällig". "Das flächendeckende Organisationsversagen war beschämend und durfte nicht ohne Folgen bleiben", erklärte er auf Twitter [twitter.de]. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Demokratie habe in Berlin massiven Schaden genommen. Eine lückenlose Aufklärung der Fehler und Versäumnisse sei daher "weiterhin zwingend".
Sendung: Abendschau, 29.09.2021, 19:30 Uhr